Ein bisschen Fernweh, ein Schuss Abenteuerlust ist immer dabei: Auch wenn "bessere Job- und Karriere-Chancen" sowie "das Klima" mit am häufigsten genannt werden, wenn es um die rationalen Gründe für Auswanderung geht, spielen "ideelle" Motive eine wichtige Rolle bei der Auswanderung. Über 165.000 Deutsche, so das Statistische Bundesamt, kehrten 2007 ihrem Heimatland den Rücken - die höchste Zahl seit 1954. Eine aktuelle Befragung des Bundeswirtschaftsministeriums zeigt, dass der Wunsch nach weniger Bürokratie und Steuern und nach mehr privater und beruflicher Flexibilität dabei entscheidende Auslöser sind. Michael von Dessauer, Autor von "Auswandern. Über 1000 Fakten, Tipps & Tricks" hat jedoch festgestellt, dass beim Wunsch nach "besserem" Klima zumeist "nicht nur das meteorologische gemeint ist. Das Fernweh beinhaltet auch die Suche nach mehr Lockerheit im Leben und mehr Herzenswärme".
Die glauben die meisten Deutschen in Spanien zu finden, das lange auf Platz eins ihrer Lieblingsauswanderziele stand (erst kürzlich musste es diesen Platz für die Schweiz räumen). Die Balearen sind und bleiben favorisiertes Zielgebiet für das "neue" Leben: 17.450 Deutsche sind 2007 offiziell bei der "Secretaría de Estado de Immigración y Emigración" des Arbeitsministeriums gemeldet, 29.189 Deutsche sind heute insgesamt in den einzelnen Rathäusern der Balearen registriert, 11.453 Deutsche sind offiziell sozialversicherte Arbeitnehmer (Juli 2008). Und wenn sich inzwischen auf dem hiesigen Arbeitsmarkt auch viel geändert hat und vieles einfacher geworden ist, sagt Unternehmensberaterin Susanne Cerdá, die seit nunmehr 26 Jahren Zugezogenen bei der beruflichen Neuorientierung auf Mallorca behilflich ist, einige "basics" bleiben: "Die Sprache sollte man beherrschen oder schnell lernen. Und man muss bereit sein, Gewohntes hinter sich lassen und sich neuen Gegebenheiten anzupassen." Eine Ansicht, die Malermeister Xaver Edgar Weiss (54), der schon in der Franco-Ära 1972 nach Mallorca kam, bestätigen kann. Den familieneigenen Betrieb in Peguera gibt es nun in dritter Generation, sein Sohn Alexander Javier (28) ist hier groß geworden und spricht (gebrochen) Deutsch nur noch mit den Großeltern. Er habe "viele Deutsche kommen und gehen sehen", sagt Xaver Edgar Weiss. "Einfaches Leben, schnelles Geld? Das klappt nicht", weiß er aus Erfahrung. "Man muss hier leben wollen."
Der Schlüssel zur Integration, so Auswanderer-Experte von Dessauer, sei nach wie vor die Sprache. Er sei "entsetzt", wie viele Deutsche auf Mallorca nach zehn oder 15 Jahren Inselleben immer noch kein Spanisch sprechen. Auch eine gute Geschäftsidee sei wichtig, die "225. Pils-Bar mit Bundesliga-Ergebnissen und Wursti con Krauti an der Playa de Palma - das kann's nicht sein". Ein verbreitetes Problem vieler - nicht berufstätiger - Mallorca-Auswanderer sei "zu viel Geld, zu wenig zu tun": "Keiner kann acht Stunden auf dem Golfplatz stehen oder am Strand liegen."
Es ist nicht alles Gold, was glänzt: Zehn Prozent kehren als "Rückwanderer" innerhalb des ersten Jahres zurück, wer es in dieser Zeit zu einer "soliden Existenz" gebracht hat, hat es geschafft, haben von Dessauers Recherchen ergeben. Und: Auswanderung als Flucht vor Problemen funktioniert so gut wie nie: "Wer schon in Deutschland gescheitert ist, der kriegt hier erst recht nichts aufs die Beine." Dann doch lieber zu Hause bleiben und anderen bei ersten Gehversuchen in der neuen Heimat zugucken. Auswanderungsformate boomen: Bei Vox lockt "Goodbye, Deutschland" im Schnitt 1'62 Millionen Zuschauer vor den Bildschirm; bei kabel eins sind es gleich drei Formate: "Mein neues Leben", "Mein neues Leben XXL" (drei Auswandererstorys pro Sendung); "Mein neuer Job". Ab 16. Oktober ist ein weiteres Magazin geplant: "Der Auswanderer-Coach" (Donnerstag, 20.15 Uhr).
Die Aktualität des Themas hat kabel eins anhand einer Forsa-Umfrage belegt: Fast die Hälfte der Deutschen denkt über Auswanderung nach. Bei den Gründen steht die Wirtschaftslage mit 36'5 Prozent auf Platz eins. Doch auch "TV-Mallorca-Stars" wie Martina Reindl, die 2007 mit Ehemann Mike aus Potsdam nach Peguera kam, um ein Café zu eröffnen, wissen, was man hier zum Überleben braucht: "Die Sprache, eine gute Gestoría und richtig ackern - sonst bringt es nischt."