Gebannt starren die beiden Frauen in die absolute Finsternis. Zwölf Minuten dauert es, dann entfährt ihren Mündern ein staunendes, lang gezogenes „Oahhh“: Der Pilz vor ihnen beginnt zu leuchten. „Das ist Bioluminiszenz“, erklärt Dieter Honstraß, „man sieht es erst, wenn sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt, genügend Sehpurpur aufgebaut haben.“ Dieter Honstraß ist Leiter einer mobilen Pilzschule, gab vor wenigen Tagen einen seiner Kurse auf der Insel. Mallorca sei ein Paradies für Pilzfreunde – rund 80 Prozent der Arten, die man hier fände, gebe es zwar auch in Deutschland. Aber da sind dann eben noch die anderen zwanzig Prozent, die es hier zu entdecken gibt: Wie zum Beispiel den leuchtenden Ölbaumpilz, der einzige leuchtende Pilz in ganz Europa. „Essen sollte man den nicht, der ist giftig – aber er ist schön fürs Auge“, erklärt Honstraß den Kursteilnehmern. Genauso wie auch der Wetterstern, der Erdstern oder der fast galaktisch wirkende Gitterling.
In Deutschland sei das ganze Jahr über Pilzsaison, auf der Insel dagegen beschränke sie sich auf die Zeit von Oktober bis Dezember, auch im März und April gäbe es einen Schub – und wenn es ausnahmsweise im Juli oder August ein paar Tage in Folge regne, schössen auch dann die Pilze aus dem Boden. Aufgrund des Klimas findet sich auf Mallorca etwa auch der leckere Anhängselröhrling ziemlich häufig – in Deutschland muss man die wenigen Exemplare, die man findet, stehen lassen: Sie stehen unter Naturschutz.
„Ich bin eben erst dabei, die ganze Insel zu erkunden“, erklärt Honstraß, der für seinen Kurs bereits dieses Frühjahr auf der Insel nach guten Pilzplätzen recherchierte: Sein nächster Kurs wird im November 2009 stattfinden.
Pilzsuche auf der Insel sei landschaftlich sehr reizvoll – dafür gestalte es sich nicht so einfach wie in Deutschland: Auf Mallorca ist vieles eingezäunt oder als Privatgrund ausgewiesen, auf dem das Pilzesammeln sogar oft verboten ist. Gute Plätze seien etwa auf der Strecke von Bunyola nach Orient, zwischen Andratx und Banyalbufar oder rund um Esporles, Puigpunyent und Santa Maria. Hier werde man am Traufbereich der Bäume, in den Rinnen am Straßenrand, auf feuchten, schattigen und windgeschützten Nordhängen fündig. Wichtig: Immer im Korb sammeln, nie in der Tüte – dort entwickeln sich giftige Gase. Seit fünf Jahren leitet Honstraß, einst Berater für Existenzgründer, seine mobile Pilzschule – rund 200 Kurse gibt er im Jahr, nebenbei hat er ein Pilznotruftelefon eingerichtet, über das er bei Vergiftungen Hilfe anbieten kann. „Das Wissen um die Pilze geht von Generation zu Generation mehr verloren“, erzählt der 60-jährige Niedersachse. In Deutschland gäbe es nurmehr noch um die 400 aktive Pilzsachverständige wie ihn – das meiste Wissen hat er sich seit seiner Kindheit selbst angeeignet: Als er 500 Arten kannte, hörte er auf zu zählen, heute kenne er mindestens das Doppelte.
Auf der Insel vermutet er über 2000 verschiedene Pilzarten, „hört man aber die Mallorquiner, dann sprechen die immer nur vom Blutreitzker“. Er vermute, dass man nur deswegen immer wieder auf diesen schmackhaften Pilz zurückgreife, weil man ihn gut kenne. „Aber scheinbar nicht gut genug, um zu erkennen, dass oft zwei oder drei verschiedene Arten in einem Korb angeboten werden.“