Das in Deutschland verhängte Verbot von Genmais hat auch in Spanien die Diskussion um Nutzen und Risiken neu entfacht. Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner nannte am Dienstag als Begründung für das Verbot das Ergebnis aktueller Studien, nach denen die genveränderte Maissorte MON 810 „eine Gefahr für die Umwelt” darstelle. Laut Ministerium bestünden Risiken für bestimmte Schmetterlinge, Marienkäfer und Wasserorganismen. Auch wenn der Druck aus Bayern – Umweltminister Markus Söder will Deutschland zur „gentechnikanbaufreien Zone” machen – größer geworden war: Aigner betonte, die Entscheidung sei „fachlich”, nicht politisch bedingt gewesen.
Der Mais MON 810 ist die einzige gentechnisch veränderte Pflanze, die in Europa kommerziell angebaut werden darf (1998 von der EU zugelassen). Der Hersteller, der US-Agrarkonzern Monsanto, hat in den Mais ein Gen eingebaut, das aus dem Bodenbakterium Bacillus thuringiensis (bt) gewonnen wird. Dieses Bakterium produziert ein Gift gegen den Kleinschmetterling Maiszünsler, der als häufigster Maisschädling gilt. In Deutschland wird Genmais seit 2006 angebaut, zunächst auf wenigen hundert Hektar, 2008 bereits auf über 3000 Hektar. Weltweit hat der Trend zum Genanbau laut Agri-Biotech-Studie angezogen: 2008 betrug die Gesamtanbaufläche 125 Millionen Hektar, 9'4 Prozent mehr als noch ein Jahr zuvor (1996: 1'7 Millionen Hektar).
Auf Mallorca, wo laut Auskunft des balearischen Landwirtschaftsministerium (Conselleria d'Agricultura i Pesca) nach letztem Stand der Erkenntnisse rund ein Hektar des Genmais MON 810 angebaut wird (bei Sant Jordi), ist das Thema ein ausgewiesenes Politikum. Das Balearenparlament möchte nämlich die gesamten Inseln ebenfalls zur „gentechnikanbaufreien Zone” erklären, das geht aus einer 2007 verabschiedeten Resolution hervor. Die rechtliche Kompetenz dafür, so Conselleria-Sprecher Roger Mas, liege jedoch – wie das jetzt auch am Beispiel Deutschland deutlich geworden sei – ausschließlich auf staatlicher Ebene, sprich: bei der spanischen Zentralregierung.
Das balearische Landwirtschaftministerium habe unterdessen mit der Erstellung eines umfassenden Registers begonnen, in dem Sortenvielfalt und Umfang des gentechnischen Gesamtanbaus auf der Insel detailliert festgehalten werden sollen. Diese Daten werden, so Roger Mas, voraussichtlich im Mai bekannt gegeben.
Mit ihrer kritischen Haltung präsentieren sich die Balearen konträr zum restlichen Spanien, das lange Zeit das einzige EU-Land war, das gentechnisch veränderte Pflanzen in der Landwirschaft einsetzte. Schon seit 1998 wird insektenresistenter Bt-Mais angebaut, was etwa einem Fünftel des spanischen Maisanbaus entspricht. Nach Rumänien, Frankreich, Ungarn, Italien und Deutschland steht Spanien an sechster Stelle der Maiserzeugung in der EU. Die mit Genmais angebauten Flächen stiegen in den letzten Jahren kontinuierlich und erreichten 2008 fast 80.000 Hektar. Spanischer Bt-Mais kommt fast ausschließlich als Futtermittel zum Einsatz.
Aragon und Katalonien gehören heute zu den Hauptanbauregionen von Bt-Mais. Der Befall durch Maiszünsler ist hier besonders ausgeprägt, früher bekämpfte man den Schädling mit chemischen Insektiziden. Genmais wird wirtschaftlich als attraktive Alternative gesehen, der Einsatz von Insektiziden ist deutlich kostspieliger. Eine britische Untersuchung von 2007 ergab: Bt-Mais anbauende spanische Landwirte verbesserten ihr Wirtschaftsergebnis im Schnitt um 13 Prozent.