Mallorca Magazin: Sie haben als Konsul
viele Länder kennengelernt. Wie schätzen Sie das Bild der Deutschen
im Ausland ein?
Wolfgang Wiesner: Das Bild hat eher mit dem Zeitgeschehen zu tun
als mit dem Land, in dem ich gerade lebte. Zu unterschiedlichen
Zeitpunkten gab es unterschiedliche Ansichten über die Deutschen.
Ein Beispiel: Ende der 70er Jahre in Somalia, kurz nach der
Befreiung der "Landshut", waren wir Deutschen für die Somalier wie
ein Geschenk des Himmels. In dem Land, damals am Scheideweg
zwischen Kommunismus und Kapitalismus, galten wir noch als "die
anderen Deutschen", denn bis dato hatte dort die damalige DDR noch
großen Einfluss.
MM: Gibt es weitere Beispiele?
Wiesner: Ja, das Bild der Deutschen im Ausland wurde vor der
Wiedervereinigung natürlich stark geprägt vom Verhältnis zwischen
Westdeutschland und der DDR. Die Mitarbeiter der DDR-Behörden und
der Auslandsvertretungen hatten absolutes Kontaktverbot zu
westdeutschen Diplomaten. Auf Empfängen ging man sich regelrecht
aus dem Weg; das war für mich immer ein ganz komisches Gefühl. In
den kommunistischen Ländern waren wir zudem eher die Bösen, in den
kapitalistischen Ländern natürlich die Guten.
MM: Was für ein Deutschlandbild haben Ihrer Meinung nach die
Mallorquiner?
Wiesner: Das Deutschlandbild auf Mallorca unterscheidet sich
natürlich stark von dem der Festlandsspanier, weil die Insel eine
ganz andere Mischung unserer Landsleute erlebt hat. Am Anfang waren
wir für die Mallorquiner sicher willkommene Touristen, später
prägten negative Schlagzeilen über den "Ausverkauf der Insel"
unseren Ruf. Aber spätestens seit der Fußballweltmeisterschaft 2006
hat sich unser Ansehen hier positiv verändert. Die Mallorquiner
haben uns Deutsche von einer ganz anderen, weltoffenen,
sympathischen Seite kennengelernt. Da haben wir viel Vertrauen
gewonnen im Ausland.
MM: Um auf das Stichwort "60 Jahre Bundesrepublik"
zurückzukommen, was ist denn in Spanien und speziell auf Mallorca
eigentlich über die deutsche Geschichte bekannt?
Wiesner: Meiner Erfahrung nach viel zu wenig. Ich habe zwei
spanische Schulen besucht, die Deutsch als Wahlfach anbieten, und
ich muss gestehen, ich war erschrocken über die Unwissenheit. Die
Kinder waren interessiert, aber weder geografisch noch politisch
oder historisch gut informiert. Da wurde schon mal Jürgen Klinsmann
als Kanzler gehandelt, und kaum einer wusste, ob Hannover im Norden
oder Süden liegt. Sie lernen die Sprache, aber nichts über das
Land, in dem sie gesprochen wird.
MM: Hängt das nicht auch mit dem mangelnden kulturellen
Austausch zwischen Mallorca und Deutschland zusammen? Was seltsam
ist bei mehr als drei Millionen deutschen Urlaubern pro Jahr und
70.000 Residenten
Wiesner: Mit Sicherheit. Es ist absolut erstaunlich, dass es auf
dieser Insel, auf der mittlerweile so viele Deutsche fest leben,
nicht mehr Austauschprogramme und Partnerschaften zwischen Städten,
Schulen, Universitäten oder Kulturvereinen gibt. Ich hoffe aber,
dass sich das ändern wird und setze mich gerade für ein neues
Austauschprojekt zwischen dem mallorquinischen "Colegio San Pere"
und meiner alten Schule in Hannover, dem Humboldt-Gymnasium, ein.
Am "Colegio San Cayetano" läuft der Schüleraustausch mit dem
Kaiser-Wilhelm-Gymnasium in Hannover seit Jahren sehr erfolgreich.
Es wäre schön, wenn andere Schulen diesem Beispiel folgen
würden.
MM: Mallorquiner, die nach Deutschland reisen, sind meist
begeistert von dem Land
Wiesner: Ja, deshalb lohnt es sich, glaube ich, diesen Austausch
weiter zu fördern. Viele erkennen dann, dass es in Deutschland viel
Interessantes zu entdecken gibt, dass es ein modernes Land ist, das
viel zu bieten hat.
MM: Wie sehen denn Ihrer Einschätzung nach die Deutschen auf
Mallorca ihre alte Heimat? Wie ist die Beziehung zu ihrem Land, das
sie aus verschiedenen Gründen verlassen haben?
Wiesner: Da gibt es Unterschiede. Es gibt Leute, die sind richtig
weg, die haben Deutschland konserviert in dem Zustand, in dem sie
es verlassen haben. Sie haben keinen besonderen Bezug mehr zu dem
Land, wenig Kenntnisse über die Entwicklung und keinerlei Interesse
an der Politik in Deutschland. Andere wiederum sind eher
"Halbresidenten", reisen noch oft nach Hause, möchten eigentlich
viele Dinge aus der Heimat hierher holen, am liebsten würden sie
das Beste aus beiden Ländern vereinen. Beide Gruppen haben dadurch
ein gespaltenes Verhältnis zu ihrer Heimat.
MM: 60 Jahre Bundesrepublik, was verbinden Sie persönlich
damit?
Wiesner: Vor allem die Image-Veränderung, die wir vollzogen haben.
Wir geben nicht mehr das Bild der sturen, pedantischen Deutschen,
sondern kommen sympathischer und weltoffener an. Ich bin natürlich
auch glücklich über die friedliche Wiedervereinigung, die
historisch einmalig war. Das haben wir gut hingekriegt!
MM: Wird denn das Konsulat am 23. Mai in irgendeiner Weise
Flagge zeigen?
Wiesner: Leider nein, in diesem Jahr werden wir gar keine Flagge
zeigen können, auch zum 3. Oktober können wir, aus personellen und
finanziellen Gründen, nur noch jedes zweite Jahr eine Feier
organisieren. Aber vielleicht gibt es ja andere deutsche
Vereinigungen, die aktiv werden ...
Die Fragen stellten Anja Marks und
Bernd Jogalla