Brille?“, mit einem strahlenden Lächeln hält der Schwarzafrikaner der jungen Frau seine auf einem umgedrehten Schuhkarton aufgeklappten Sonnenbrillen unter die Nase, doch die rümpft sie nur, wehrt kopfschüttelnd ab. Aber so schnell gibt der Mann nicht auf: „I make gute Preis for you! Look“, sagt er mit einem radebrechenden Singsang, fängt an, umständlich einzelne Modelle abzunehmen, doch die Frau hat sich bereits abrupt umgedreht, zeigt ihm ihren Rücken und straft ihn mit Nichtbeachtung. Der Mann stapelt die Brillen wieder auf, geht ein paar Meter weiter. Die Szene wiederholt sich.
Wer sich derzeit mehrere Stunden an der Playa de Palma aufhält, wird ihrer schnell überdrüssig: Selbst jene, die dem Angebot an billig angebotenen Brillen, Baseballmützen, tanzenden Fellkühen, blinkenden Halsketten, Uhren und Gürteln in Urlaubslaune gegenüber eigentlich aufgeschlossen sind, rollen mit den Augen, wenn ihnen im Abstand von zwei Minuten immer wieder das Gleiche angeboten wird.
Noch nie gab es so viele fliegende Händler an der Playa wie in diesem Jahr. Von einer regelrechten „Invasion“ redet mittlerweile auch die Lokalpolizei, die sich dem Problem seit rund zwei Wochen mit Großrazzien angenommen hat. 117 Beamte sind dort den Sommer über im Einsatz, schon 1185 Mal verhängten sie im Zeitraum vom 1. Mai bis 15. Juli eine Strafe wegen Straßenverkauf ohne Lizenz. „Und dabei hat die Hochsaison der fliegenden Händler erst richtig angefangen“, betont Angel García, Pressesprecher der Lokalpolizei in Palma. Schon im vergangenen Jahr war die Zahl mit 2429 Eingriffen relativ hoch ausgefallen, 2006 lag sie bei 2229.
Es ist Nacht. Über zwanzig der Verkäufer haben die Beamten zusammengetrieben, sie aufgereiht auf dem Gehsteig Platz nehmen lassen. Die Beamten ziehen grimmige Mienen, der locker in der Hand liegende Schlagstock sorgt für den nötigen Respekt. Die Männer müssen sich ausweisen, ihre Namen werden notiert, ihre Ware konfisziert. Präsenz zeigen und einschüchtern heißt die aktuelle Taktik der Polizisten. Denn viel in der Hand haben sie nicht gegen die Männer: Straßenverkauf ohne Lizenz verstößt gegen die städtische Ordnung, ist schlecht fürs Image der Playa und die angrenzenden Geschäfte. Aber es ist kein Delikt. Handle es sich um gefälschte Ware, stünden die Chancen, gegen die Männer vorgehen zu können, ein wenig besser, betont Angel García – aber hier seien die Grenzen nun mal fließend, oft sei nur bei Raubkopien von Musik-CDs die Rechtslage eindeutig genug, damit der Mann strafrechtlich verfolgt werden könne.
Alle anderen Fälle sind Endlosschleifen: Die Personalien werden aufgenommen, die Ware konfisziert, eine Strafe verhängt – die allzu oft unbezahlt bleibt – und am darauffolgenden Tag steht der Verkäufer wieder an derselben Stelle und bietet Ware feil. Schließlich sind die Männer nur deswegen auf die Insel gekommen, fast alle aus Subsahara-Afrika.
Erstaunt blickt der Verkäufer auf, als die Touristin nach seinem Namen fragt. „Sami“, antwortet er scheinbar verunsichert und es klingt, als hätte er ihn sich soeben ausgedacht. Und wo er herkommt? „Kamerun“. So viel Neugierde ist der Mann nicht gewöhnt, er lächelt zwar, packt aber gleichzeitig zügig seinen Rucksack und geht – einen Käufer suchen, der weniger Fragen stellt. „Das Geld, das sie an den Touristen verdienen, schicken sie zu ihren Familien in die Heimat“, erklärt Angel García, „meist kommen sie alleine hierher, ein Teil davon illegal. Sie wohnen in der Regel in ärmsten Verhältnissen, nicht an der teuren Playa de Palma, sondern haben in den billigsten Stadtvierteln Palmas nur ein warmes Bett“. So werden die Pritschen genannt, die sich oft mehrere Männer teilen und in denen sie schichtweise schlafen, oder aber zusammengepfercht auf sehr engem Raum: „20 Menschen in einer Drei-Zimmerwohnung sind keine Seltenheit.“ Dass es in diesem Jahr so viele hierher gezogen habe, sei damit zu erklären, dass das Augenmerk der Polizei bislang auf Hütchenspielern und Rastazopf-Flechterinnen gelegen habe. „Denn diese rauben die Touristen nebenbei aus – die Verkäufer dagegen mögen lästig sein, stehlen aber in der Regel nicht.“ Nachdem Hütchenspieler und Flechterinnen weitgehend vertrieben worden seien, könne man sich jetzt den Verkäufern zuwenden. Und zwar mit neuen Methoden: Bislang hatten die Polizisten in Zivil verdeckt ermittelt. Nun soll ständige Präsenz in Uniform die Verkäufer bereits am Auspacken der Ware hindern. Und das Netz zerschlagen werden: Die Polizei vermutet große, von einer Handvoll Drahtzieher finanzierte Lagerbestände an der Playa de Palma, in denen sich die Männer tagtäglich mit Ware eindecken – gegen Bares oder auf Kommission. Vor wenigen Tagen hatte die Polizei ein solches Lager bereits hochgehen lassen „leider fanden wir nicht so viel Ware, wie wir vermutet hatten“, berichtet García. Und gibt zu bedenken, dass hier nicht nur der Einsatz der Polizei gefragt sei: „In Monte Carlo werden Sie keinen einzigen dieser Verkäufer finden. Nichts gegen deutsche Touristen – aber solange die Ware gekauft wird, wird es auch die Verkäufer geben.“