Zwölf Jahre sind vergangen, seit Daiana Ritter ihren langjährigen Lebensgefährten und den gemeinsamen achtjährigen Sohn verlor. In der Nacht vom 11. auf den 12. November 1997 wurden Gastronom Manfred Meisel, bekannt als Wirt des "Bierkönigs" an der Playa de Palma, der kleine Patrick und Tierpflegerin Claudia Leisten auf der Meisel-Finca bei S'Aranjassa ermordet. Bis heute gilt der Fall als unaufgeklärt. Daiana Ritter lebt immer noch auf Mallorca und betreibt zwei Restaurants. Anlässlich des Jahrestags der Tat traf MM die heute 43-Jährige zum Exklusiv-Interview.
Mallorca Magazin: Glauben Sie, dass das Verbrechen eines
Tages doch noch aufgeklärt werden kann?
Daiana Ritter: Ehrlich gesagt glaube ich nicht daran. Wenn doch,
dann nur durch einen Zufall. Es ist inzwischen so viel Zeit
vergangen.
MM: Schon kurz nach Beginn der Ermittlungen wurde die
Öffentlichkeit nicht mehr über den aktuellen Stand der Dinge
informiert. Glauben Sie, dass die Polizei in Wahrheit mehr weiß,
als nach außen gedrungen ist?
Ritter: Nein, ich bin der Meinung, die wissen wirklich nicht mehr.
Ich selbst habe aber auch schon seit Jahren keinen Kontakt mehr zu
den Polizisten, weder zu den spanischen noch zu den deutschen.
MM: Dann können Sie auch nur mutmaßen, ob hinter den Kulissen
immer noch ermittelt wird ...
Ritter: Davon gehe ich nicht aus. Die kümmern sich um aktuelle
Fälle, würden aber sicherlich die Ermittlungen wieder aufnehmen,
wenn es neue Informationen gäbe.
MM: Wie wichtig wäre Ihnen persönlich denn eine
Aufklärung?
Ritter: Am Anfang wollte ich unbedingt wissen, wie und warum. Ich
will nicht sagen, dass mir das heute egal ist, aber eine Aufklärung
hat für mich inzwischen nicht mehr so einen hohen Stellenwert wie
noch vor ein paar Jahren.
MM: Wie gehen Sie mit dem Herannahen des Jahrestags
um?
Ritter: Es geht dabei ja nicht nur um den Tag der Tat. Patrick
hätte am 9. Oktober 20. Geburtstag gehabt, Manfred wäre am 30.
Oktober 61 geworden.
MM: Sind diese Tage im Herbst jedes Jahr wieder schwer für
Sie?
Ritter: Ich versuche, mich abzulenken. Ich denke sowieso jeden Tag
an die beiden, sie waren ein Teil meines Lebens. An den
Geburtstagen stelle ich eine Kerze auf und gehe ans Meer, wo wir
ihre Asche bestattet haben. Das werde ich auch jetzt am 11.
November wieder tun.
MM: Für Sie ist also der 11. November der eigentliche
Jahrestag des Mordes?
Ritter: Ja. Es war die Nacht vom 11. auf den 12. November. Wann es
genau passiert ist, konnte nicht festgestellt werden.
MM: Nach der Tat war unklar, ob Sie auf Mallorca bleiben
würden. Sie sind auch kurzzeitig wieder in die alte Heimat
gezogen.
Ritter: Das stimmt. Ich habe überlegt, ganz nach Deutschland
zurückzukehren. Dort lebt meine Familie, und auf Mallorca wusste
ich nicht mehr, wem ich noch trauen konnte. Das graue
Novemberwetter in Deutschland beeinflusste aber die Entscheidung,
dann doch wieder auf die Insel zu ziehen ...
MM: Als der Mord geschah, waren Sie von Manfred Meisel
schwanger. Ihr Sohn kam im April 1998 zur Welt. Seinen Vater hat er
nie kennen gelernt. Wie ging oder geht der Junge mit den
Geschehnissen um?
Ritter: Dass sein Vater tot war, wusste er schon lange. Vor zwei
Jahren hat er dann Zeitungsberichte gesehen, Kinder aus seiner
Klasse kannten die Geschichte. Da habe ich ihm alles erzählt. Er
hat das insgesamt ganz gut verarbeitet.
MM: 2001 haben Sie in Maioris den "Capitán Cook" eröffnet,
ein Restaurant mit Take-away-Service. War Ihnen von Anfang an klar,
dass Sie in der Gastronomie bleiben wollen?
Ritter: Ich habe ja die meiste Zeit in der Gastronomie gearbeitet.
Als ich Manfred kennen lernte, wir waren 13 Jahre ein Paar, hatte
er seinen ersten Imbiss und war erfolgreich. Gemeinsam haben wir
dann in Frankfurt eine Apfelweinwirtschaft aufgebaut und einen
weiteren Imbiss. 1990 kam der Bierkönig hinzu.
MM: Seit ein paar Wochen betreiben Sie an der Rambla von
Llucmajor auch den "Capitán Cook II". Ein neues Lokal, Start in der
Krise. Warum solch ein Wagnis?
Ritter: Ich wollte mich nochmal einer neuen Herausforderung
stellen. Da das Geschäft mit dem Terrassenlokal in Maioris
hauptsächlich im Sommer läuft, kann ich nun mein Personal
ganzjährig beschäftigen. Ich habe ein tolles Team, alle stehen
hinter der Idee.
MM: Deutsche und internationale Küche, ein Restaurant mit
Imbiss mitten im mallorquinischen Dorf. Funktioniert das und
welches Konzept steckt dahinter?
Ritter: Wir sind bisher sehr zufrieden, haben natürlich viel mehr
mallorquinische Gäste als in Maioris. Wichtig ist mir, dass das
Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt. Gerade in Zeiten wie diesen
haben die Leute nicht viel Geld. Wir wollen zeigen, dass lecker
essen nicht teuer sein muss.
MM: Als Sie sich Ihr Konzept überlegten, haben Sie da mal
daran gedacht, ob es Manfred ähnlich machen würde, wenn er noch am
Leben wäre?
Ritter: Das Konzept beruht ja eigentlich auf dem, was Manfred vor
23 Jahren in Frankfurt angefangen hat. Die Grundidee ist von
damals.
MM: Hätte es die Lokale, die Sie jetzt betreiben, also auch
mit Manfred gegeben?
Ritter: Wahrscheinlich in anderen Größenordnungen. Aber es stimmt,
wir hatten damals schon überlegt, zusätzlich zum "Bierkönig" eine
Imbisskette aufzubauen.
MM: Wie oft werden Sie eigentlich heute noch auf die
Geschehnisse von damals angesprochen?
Ritter: Das passiert recht selten. Vor allem dann, wenn ich nach
Jahren Menschen wiedersehe, die Manfred kannten. Aber es gab zum
Beispiel schon mal eine Kundin, die fragte ganz direkt "Sind Sie
nicht die Frau, von der sie das Kind und den Mann erschossen
haben". Das ist schon pietätlos, oder?
MM: Zwölf Jahre nach dem Mord an Ihrem langjährigen
Lebensgefährten haben Sie neben dem elf Jahre alten Sohn von ihm
auch noch aus einer zwischenzeitlichen Beziehung eine achtjährige
Tochter. Heute sind Sie Single. Wünschen Sie sich einen neuen Mann
an Ihrer Seite?
Ritter: Ich bin nicht unglücklich mit meiner derzeitigen Situation.
Sicherlich werde ich irgendwann wieder eine Beziehung eingehen.
Aber ich bin nicht auf der verzweifelten Suche. Weder verzweifelt,
noch auf der Suche.
Mit Daiana Ritter sprach MM-Redakteur Nils Müller