Es ist Montag, 14.30 Uhr an der Balearen-Universität UIB. Im ersten Stockwerk des Gebäudes „Son Lledó” sind im Restaurant nur zwei Tische besetzt. Drei Studenten stochern hier etwas lustlos in ihrem Essen herum – Drei-Gänge-Menü für 6'85 Euro – während sich Kommilitonen in der Bibliothek unter ihnen auf die Klausur am nächsten Vormittag vorbereiten. Balthasar und Jorge sind Physikstudenten im dritten Semester. Vier Jahre dauert es, bis die Mallorquiner hier ihren Bachelor-Abschluss bekommen, Regelstudienzeit, jahrelanges Hinauszögern der Abschlussprüfungen ausgeschlossen. Anschließend können sie in einem Aufbaustudium den europäisch anerkannten Master-Titel in Physik ablegen.
Bachelor-Titel, auf Spanisch „Grados“, Masterstudiengänge, europäisches Leistungspunktesystem oder Fachrichtungen, die ausschließlich auf Englisch angeboten werden – es tut sich was an der Balearenuniversität. Das war nicht immer so. Lange war die Inseluniversität, die erst vor 32 Jahren in ihrer heutigen Form gegründet wurde, als provinzielle Hochschule mit niedrigem Bildungsniveau und hohem Catalán-Faktor verpönt. Studentische Austauschprogramme oder Kooperationen mit ausländischen Universitäten wurden durch das Inselidiom behindert, Dozenten und Studierende aus anderen Ländern schreckte die zweite offizielle Landessprache. Doch seitdem sich auch die „Universitat de les Illes Baleares“ vor zehn Jahren dem „Bologna-Prozess“ verpflichtet hat (siehe Stichwort Seite 18), gleicht auch das Angebot der Studiengänge immer mehr dem anderer europäischer Universitäten.
Wie alle unterzeichnenden Mitgliedsstaaten setzte sich auch Spanien 1999 das Ziel, durch die Bologna-Reform sein Hochschulsystem innerhalb von zehn Jahren global konkurrenzfähig zu machen. Heute sind laut Universitätsleitung bereits gut 85 Prozent der Studiengänge auf das neue Bachelor- und Mastersystem umgestellt, im nächsten Jahr soll die Umsetzung komplett sein.
Doch nach wie vor bilden Seminare und Vorlesungen auf Katalanisch eine Hürde für Studenten, die dieser Sprache nicht mächtig sind. „Offiziell kann hier jeder zwischen Kursen und Prüfungen in Castellano und Catalán wählen”, erklärt Rektorin Montserrat Casas. Doch auch die Dozenten hätten das Recht, in ihrer jeweils eigenen Sprache zu unterrichten. Als Lösung bietet die UIB kostenlose Katalanisch-Kurse.
Fünf Fakultäten bietet die Balearenuniversität vor den Toren Palmas, gegliedert in verschiedene Lehrstühle und Fachbereiche. Dazu gehören die Philosophische Fakultät mit Geschichte, Literatur und Sprachwissenschaften, eine naturwissenschaftliche Fakultät, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften mit dem Lehrstuhl Tourismus, eine Fakultät für Ingenieurswissenschaften und Architektur sowie Gesundheitswissenschaften mit Fachbereichen wie Krankenpflege, Physiotherapie oder Psychologie.
Einige Studiengänge können auch in Ablegern der UIB auf Menorca und Ibiza studiert werden. Mit Seminaren vor Ort, Videokonferenzen zu Vorlesungen auf Mallorca und virtuellem Zugriff auf alle Lehrmittel der UIB können dortige Studenten zum Beispiel einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften, Jura oder als Lehrer erwerben. Eine medizinische Fakultät gibt es bislang an der UIB nicht.
Das Hochschulangebot wird ergänzt durch verschiedene private Schulen und Institute, die in Kooperation mit der UIB offiziell anerkannte Universitätsabschlüsse anbieten. Dazu gehören auch die private Hochschule für Tourismus „Felipe Moreno“ in Palma und das private Institut „Centro de Enseñanza Superior Alberta Giménez“, das unter anderem Studiengänge für Journalistik, Audio-Kommunikationswissenschaften und verschiedene pädagogische Ausbildungen anbietet.
Seinen heutigen Sitz an der Carretera de Valldemossa hat der Campus seit 1993. Bis 1978 gehörten die bestehenden Institute für Philosophie, Philologie und Rechtswissenschaften zur Universität von Barcelona, bis vor 32 Jahren die „Universidad de Palma” gegründet wurde. Die Institutsgebäude in Palma wurden schnell zu klein, 1983 begannen deshalb die Bauarbeiten für einen neuen Campus an der Carretera de Valldemossa. Über die Lage außerhalb der Stadt gab es zunächst viel Polemik, doch sie machte das Wachstum der UIB, die seit 1996 offiziell von der Balearen-Regierung abhängt, erst möglich. Mallorcas erste Metro-Strecke verbindet heute die Stadt mit der Uni.
Ein Lehrstuhl für Tourismus kam 1990 hinzu, ebenso wie neue Fakultäten für Erziehungswissenschaften (1992) und Architektur (2000). Seit 1993 ist der Campus vor den Toren Palmas voll in Betrieb, 1999 kamen anlässlich der Studentenolympiade auf Mallorca umfangreiche Sportanlagen hinzu.
Austauschprogramme und Kooperationen mit rund 300 internationalen Universitäten ziehen heute auch ausländische Studenten an, allerdings hauptsächlich zu Gastaufenthalten von sechs bis zwölf Monaten (siehe auch Artikel Seite 20). Rund 14.000 Studenten sind hier im Wintersemester 2009/2010 eingeschrieben, Studenten aus Menorca, Ibiza und Formentera inklusive.
Anfängliche Studenten-Proteste gegen Verkürzung und Verschulung des Studiums durch die Bologna-Reform hätten sich laut Montserrat Casas inzwischen gelegt. „Eine aktuelle Umfrage unter unseren Studenten muss noch vollständig ausgewertet werden. Das europäische System scheint sich aber auch hier auf Mallorca gut zu etablieren”, sagt die Rektorin.