Wieder einmal hat die Politik der Wirtschaft einen Strich durch die Rechnung gemacht. 14 Tage ist es her, da hielt sich der balearische Ministerpräsident Francesc Antich an der Playa de Palma auf, um sich über die Modernisierungsvorhaben der dortigen Hotels zu informieren (siehe S. 18). Und prompt musste er den Termin vorzeitig abbrechen, als der jüngste Korruptionsskandal wie eine Eiterbeule aufplatzte und der Regierungschef zurück an seinen Amtssitz eilte, um die Minister der betroffenen Mini-Partei Unió Mallorquina (UM) aus dem Amt zu kicken (siehe MM 6/2010).
Doch bevor Antich in seinem Dienstwagen verschwand, versicherte er den Hoteliers einmal mehr, wie sehr ihm die Modernisierung der Hotellandschaft am Herzen liege. Und er gab den Herbergsvätern folgenden Rat: Das neuartige touristische Hotelangebot an der Playa de Palma solle den tradierten Architekturtypus, wie er bislang vorherrscht, meiden, also "weg von der "klassischen Schuhschachtel", wie Antich sagte. Nötig seien vielmehr lichte, weitläufige Flächen mit mehr Komfort, Nachhaltigkeit und Umweltschutz.
Dass eine Umgestaltung und Sanierung der in die Jahre gekommenen Tourismusmeile höchst notwendig sei, darüber sind sich alle Beteiligten - und dies schon seit Jahren - einig. Wie dringlich die Angelegenheit mittlerweile ist, wurde zuletzt Ende Januar deutlich, wenn auch höchst fragwürdig in polemischer Weise: Auf Spaniens bedeutendster Reisemesse Fitur in Madrid hatte der Präsident des Verbandes der spanischen Handelskammern, Javier Gómez Navarro, die Playa de Palma als "basura", zu Deutsch Müll, bezeichnet. Der einstigen Vorzeige-Zone in Sachen Sonnenurlaub sei, so der ehemalige Tourismuspolitiker, einzig mit "tiefgehender Chirurgie" beizukommen.
Was darunter zu verstehen sei, führte Gómez Navarro nicht näher aus. Stattdessen sah er sich unverzüglich mit Forderungen nach einer Entschuldigung konfrontiert. Dabei sprach der vermeintliche Unruhestifter lediglich öffentlich aus, was hinter vorgehaltener Hand schon so mancher Unternehmer bei Wein und Bier als wenig realistischen Vorschlag von sich gegeben hatte: Die Playa mit Bomben wegzusprengen, um sie dann völlig neu aufzubauen.
Politiker, die das Problem vernünftig anpacken wollen, wissen, dass eine integrale Sanierung der angejahrten Tourismusmeile viel, viel Geld kosten wird und einer erstklassigen, ganzheitlichen Planung bedarf, die neben den touristischen Aspekten auch die wirtschaftlichen, juristischen, sozialen und umweltlichen Belange berücksichtigt. Hierzu müssen sich zahlreiche Verwaltungsbehörden verschiedener Ebenen zusammenraufen, in denen wiederum viele Politiker die Fäden ziehen. Kein leichtes Unterfangen, wie sich seit Jahren am Agieren des eigens gegründeten Konsortiums zur Verschönerung der Playa de Palma sehen lässt. Selbst die Tatsache, dass derzeit die meisten Politiker von ein und derselben Couleur sind, ist noch keine Garantie dafür, dass das Vorhaben zügig vorangeht.
Den mallorquinischen Hotelunternehmern brennt unterdessen die Problematik unter den Fingernägeln. Sie haben an zahlreichen Fronten zu kämpfen, ohne dass sich irgendwo ein kleiner Erfolg abzeichnet. Da ist zum einem die allgemeine Wirtschaftskrise, die allein im vergangenen Jahr die Besucherzahlen um elf Prozent abschmelzen ließ. Die Zahl der Übernachtungen sank balearenweit um drei Prozent. Um überhaupt Gäste in der flauen Nebensaison anzulocken, mussten die Unternehmer die Preise senken. Letztlich ging ihnen an Einnahmen mehr als ein Zehntel verloren. Geld, das zum Re-Investieren fehlt.
Ein anders Problem, das vielen mittelständischen Hoteliers - und das sind gut 70 Prozent aller Betriebe - zu schaffen macht, ist die zunehmende touristische Konkurrenz rund ums Mittelmeer. Mit modernen Hotel-Neubauten, großzügigen Urlaubsangeboten, diensteifrig lächelnden Mitarbeitern und vergleichsweise deutlich niedrigeren Personalkosten können diese Destinationen die Muskeln spielen lassen. Nach einer Ende Januar vorgestellten Studie der Handelskammer Mallorca sind Spanien und die Balearen als Tourismusgebiet insgesamt nach wie vor führend im Mittelmeerraum, doch je nach Prüfungskriterium ist das Königreich bereits mehrfach von der Konkurrenz überflügelt worden. So kann Tunesien in Sachen Tourismusgesetze und Nachhaltigkeit bessere Noten vorweisen als Spanien. Jordanien steht beim Thema Sicherheit besser da, Bulgarien, wenn es um Gesundheit und Sauberkeit geht. Preislich ist Ägypten in Sachen Wertschöpfung unschlagbar. Das Pharaonenland sowie Marokko, Tunesien, die Türkei und Kroatien weisen jährliche Besucherzuwächse von über fünf Prozent aus. Dagegen ist das Urlauberaufkommen in den klassischen Sonnenzielen wie den Balearen, Italien, Griechenland, Zypern rückläufig.
Zu diesen externen Faktoren gesellen sich interne Schwierigkeiten, die den Hoteliers im Magen liegen. Am besten fassbar wird dies bei dem Ruf der Branche nach einer Reform des touristischen Rahmengesetzes der Balearen (siehe S. 19). Das aus dem Jahre 1999 stammende "Ley General Turística" (LGT) regelt im Prinzip alles, was mit Urlaub auf den Inseln zu tun hat; vom Aufstellen der Strandliege über die Angebote der Reiseunternehmer, Ausflugsbus- und Restaurantbetreiber bis hin zur Vergabe des fünften Sterns an die Luxus-Hotellerie. Das LGT wurde damals unter der Ägide der unternehmerfreundlichen Partido Popular (PP) und im Konsens mit der Branche verabschiedet.
In den vergangenen zehn Jahren hat sich an dem Gesetz kaum etwas verändert. Die derzeitige Krise macht jedoch den angestauten Reformbedarf manifest. Und nicht nur das: Druck kommt auch seitens der Europäischen Union. Die im Jahre 2006 verabschiedete Dienstleistungsrichtlinie, benannt nach dem EU-Kommissar Bolkestein, ist seit 1. Januar 2010 in Kraft. Sie strebt eine Liberalisierungen des Dienstleistungsmarktes an, Verwaltungs- und Genehmigungsverfahren sollen vereinfacht werden. Zum Dienstleistungsbereich zählt die Richtlinie auch die Hotellerie. Die Bolkestein-Vorgabe verlangt zudem die Einrichtung "einheitlicher Ansprechpartner", etwa wenn es um das Eröffnen und Betreiben von Hotels geht. Unternehmer und Existenzgründer sollen ihre Dienstleistungstätigkeit leichter wahrnehmen können. Die Landes- und regionalen Bestimmungen seien auf "Diskriminierungsfreiheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit" zu prüfen.
Wird vor diesem Hintergrund bedacht, dass das balearische Tourismusgesetz bislang in der Lage war, beispielsweise das Betreiben von Campingplätzen, privaten Ferienvermietungen oder gar "Bed & Breakfast" auf den Balearen zu behindern - übrigens ganz im Sinne der Hoteliers -, so ist die Unruhe der Branche angesichts anstehender Neuerungen durchaus nachvollziehbar.
Doch das sind nur Nebenschauplätze. Was den Hoteliers vorrangig erscheint, sind finanzielle Hilfen und verwaltungsrechtliche Vereinfachungen, um ihre bestehenden Häuser modernisieren zu können. Ein Großteil der knapp 1600 Hotels ist in den touristischen Boomjahren der 1960er und 70er Jahre errichtet worden. Die Gebäude gelten oft als veraltet, mit kleinen Zimmern, ohne ausreichende Klima-Isolierung und mit hohem Energieverbrauch. So manches Gebäude wurde zudem nach und nach durch Anbauten erweitert, getreu dem Motto, je mehr Zimmer, desto mehr Gäste. Es handelt sich um jene "Schuhschachteln", wie sie Ministerpräsident Antich nun nicht mehr haben will.
Doch das bestehende Tourismusgesetz macht es nahezu unmöglich, ein veraltetes Hotel einfach dichtzumachen und abzureißen. Denn in einem solchen Falle kommen auch städtebauliche Vorgaben ins Spiel. Wo sich heute ein Hotel befindet, kann den geltenden Flächennutzungsplänen zufolge wieder nur ein Hotel hingestellt werden. Eine solch antiquierte Regelung macht jedoch in einer Zeit, in der viele Uralt-Hotels am Markt keine Chancen mehr haben und lediglich das Preisniveau nach unten ziehen, wenig Sinn.
Das ist sowohl den Hoteliers als auch den Gewerkschaften und den Politikern bewusst. Aus diesem Grund wurde in dieser Legislaturperiode hinter verschlossenen Türen an einer Reform des touristischen Rahmengesetzes gefeilt. Die Verhandlungen liefen offenbar durchaus zur Zufriedenheit der Hoteliers. Als hinderlich erwies sich jedoch die mangelnde personelle Kontinuität aufseiten der Politik. Seit Sommer 2007 saßen den Unternehmern gleich drei Tourismusminister der UM gegenüber. (Auf Francesc Buils folgte Miquel Nadal folgte Miquel Ferrer.) Jetzt haben die Hoteliers mit Joana Barceló erstmals eine sozialistische Politikerin als Verhandlungspartnerin. Barceló versprach bereits, der von der UM vorgelebten, unternehmerfreundlichen Linie folgen zu wollen. Sie kündigte an, die angestrebte Gesetzesnovelle so rasch wie möglich unter Dach und Fach bringen. Das ist für die Hoteliers schön und gut. Die Frage ist nur, ob Barceló es schafft, angesichts der derzeitigen politischen Turbulenzen bis dahin im Amt zu bleiben.