Die balearischen Parteien, Regierung wie Opposition, streiten sich in der Regel wie die Kesselflicker. In einem Punkt haben sie dennoch alle an einem Strang gezogen: In den letzten Mai-Tagen legten sie per Überraschungscoup ein neues Dekretgesetz vor, mit dem die Hotellerie – das wirtschaftliche Rückgrat der Inseln – radikal modernisiert werden soll. Das Balearen-Parlament wird das Dekret Mitte Juni verabschieden. Die Zustimmung aller Parteien gilt nach der einvernehmlichen Vorarbeit als sicher.
Den Fotografen am Amtssitz des balearischen Ministerpräsidenten Francesc Antich bot sich am vergangenen Donnerstagabend ein gänzlich ungewöhnliches Bild. Der Sozialist präsentierte sich freudestrahlend gemeinsam mit den Spitzen des mitregierenden Linksblocks sowie den Oppositionsführern, dem konservativen José Ramón Bauzá (PP) und dem bürgerlich-regionalistischen Josep Meliá (UM). „Der Tourismus ist der Hauptmotor der Wirtschaft auf den Inseln”, betonte Antich, „wir setzen auf eine starke und erneuerte Tourismusindustrie, um uns der Zukunft zu stellen.”
Worum geht es in dem Gesetz? Das Dekret schafft behördliche Hemmnisse und bürokratische Auflagen weitgehend ab, wenn es darum geht, veraltete Hotels zu modernisieren. Es setzt städtebauliche und verwaltungstechnische Vorgaben weitgehend außer Kraft, und zwar für einen Zeitraum von vier Jahren. Das heißt, die Hoteliers haben genügend Zeit, ihre Gebäude ohne Genehmigungskorsett aus- oder umzubauen.
Das neue Dekret erweitert somit das sogenannte Nadal-Dekret, das der damalige Tourismusminister im Januar 2009 in Kraft setzten ließ. (Die Geltungsdauer dieses Dekrets ist auf zwei Jahre beschränkt.)
Gleichwohl hatte die Hotelbranche damals beklagt, dass das Regelwerk zur Vereinfachung und Beschleunigung von Bauvorhaben in den Übernachtungsbetrieben nicht weitreichend genug gewesen sei.
Die von den Hoteliers seit damals kritisierten „Schwachstellen” im Nadal-Dekret sind mit dem neuen Dekret nun offenbar gänzlich beseitigt. Denn die Unternehmer lobten einhellig den neuen Konsens, zu dem sich die Politiker aller Couleur durchgerungen hatten. Kommentatoren sprachen gar davon, dass die Politik den Hoteliers ein Gesetz nach Wunsch zusammengezimmert habe, das einem Freibrief für die Branche gleichkomme.
Im Klartext können Modernisierung und Umbauten, selbst Abrisse und Neubauten von Hotels in kürzester Zeit genehmigt werden. Hat der Antragsteller nach zwei Monaten keine Reaktion der Behörde, gilt sein Antrag als akzeptiert.
Auch die Zahl der Antragsunterlagen wird verringert. Die einzigen Hemmnisse, die bestehen bleiben, sind: Bei der Modernisierung darf der vorhandene Baukörper nicht mehr als zehn Prozent erweitert werden, und dies auch nur auf jenen Flächen des Grundstücks, die für eine Bebauung zulässig sind.