Wer einen empfindlichen Magen hat, sollte diese Ecke der Insel tunlichst meiden. Der Gestank, den die südwestlich von Llucmajor gelegene Wurmfabrik verströmt, ist unerträglich. Es riecht nach tausendfacher Verwesung. Denn als Futter dienen den winzigen Tieren Schlachtabfälle, die sich unter freiem Himmel meterhoch auf dem Gelände türmen.
„Man kann nicht mehr tief einatmen”, sagt Uli Schnieder, der in unmittelbarer Nähe lebt. „Es ist ein Punkt erreicht, an dem es nicht mehr weitergeht.” Auch Maria Garcías ist mit ihrer Geduld am Ende. „Ich halte es nicht mehr aus”, sagt die Anwohnerin. Steht der Wind ungünstig, ziehe der Gestank direkt in ihre Richtung. „Dann kann man nur die Fenster verrammeln und sich ins Haus flüchten.”
Kilometerweit treibe der süßlich-beißende Geruch an manchen Tagen über die Felder, klagen die Betroffenen. Dann sei es auch auf der Terrasse des nahe gelegenen Fünf-Sterne-Hotels nicht mehr auszuhalten. Selbst die Bäume in direkter Umgebung sind abgestorben. Radtouristen, die auf der angrenzenden Landstraße unterwegs sind, „kippen fast vom Rad”, berichtet ein Betroffener. „Den Gestank bekommt man nicht wieder aus der Nase.”
Das Problem ist altbekannt, eine Lösung aber auch nach Jahren nicht in Sicht. Im März schaffte es der „Gammelfleisch-Skandal von Llucmajor” sogar auf die Tagesordnung des Balearen-Parlaments. Einstimmig forderten die Abgeordneten aller Parteien die Regional-Regierung auf, für Abhilfe zu sorgen. Rechtlich bindend war dieser Beschluss jedoch nicht – und so ist bis heute nichts geschehen. Tag für Tag rollen weiter Lastwagen mit tonnenweise Schlachtabfällen nach Llucmajor.
Denn es gibt schlicht und einfach keine Alternative: Auf Mallorca existiert keine spezielle Entsorgungsanlage für die Fleischreste aus Schlachthöfen und für sonstige Tierkadaver. Das Geld für eine solche Großinvestition hat die Balearen-Regierung nicht. Auch die Müllverbrennungsanlage in Son Reus bietet keinen Ausweg. Die dortige Anlage ist technisch nicht darauf ausgelegt, Fleischabfälle zu verarbeiten. Also bringen mehrere Schlachthäuser der Insel ihre Fracht nach Llucmajor. Andere vergraben die verwesenden Überreste direkt auf ihren Grundstücken.
Erfinder der Wurmfabrik von Llucmajor ist Joan Huguet. Seine Idee war ursprünglich, Würmer als Köder für den Fischfang zu produzieren. Ernähren sollten sie sich von Pflanzenabfällen. Dann fiel ihm ein, es auch mit Schlachtresten und Tierkadavern zu versuchen. Es funktionierte.
Huguet kassiert höchstens 120 Euro pro Tonne, wie er sagt. Das ist weniger als in Son Reus für eine Tonne normalen Hausmülls kassiert wird. Für Landwirte und Schlachthäuser ein gutes Angebot. Also fressen sich Huguets Würmer nun an den Bergen verwesenden Fleisches fett – und hinterlassen obendrein hochwertigen Dünger, der anschließend verkauft wird.
Huguet, der sich das System hat patentieren lassen, sieht sich im Recht. „Ich habe die nötigen Genehmigungen”, sagt er auf Anfrage. Das Problem mit dem Gestank könne man lösen, dafür aber sei ein Ausbau der Fabrik und eine Investition von mehreren Hunderttausend Euro nötig. „Ich stecke aber kein Geld da rein, wenn ich jeden Tag damit rechnen muss, dass man mir den Betrieb der Anlage untersagt. Ich will Rechtssicherheit.”
Eine Lösung erzwingen wollen nun die Anwohner. „Zur Not blockieren wir die Zufahrtswege”, droht einer der Betroffenen.