Was andernorts nichts ist, als eine Widrigkeit des alltäglichen Lebens, wird auf Mallorca schnell zur Zerreißprobe. Kaum niesen an der Playa de Palma ein paar Urlauber, erklärt die Sensationspresse die Insel zum Infektionsherd der Schweinegrippe, wie im vergangenen Jahr geschehen. Kaum wird ein neuer Korruptionsskandal bekannt, bangt ganz Mallorca um sein internationales Ansehen. Kaum regnet es mal über Gebühr, schielt die ganze Insel bang auf das Wetter bei der touristischen Konkurrenz in der Türkei oder Ägypten. Kaum drohen Spaniens Fluglotsen mit Streik, wähnt sich die Tourismuswirtschaft schon am Rande des Zusammenbruchs. Selbst die Taxifahrer am Flughafen von Palma wissen diese Verhältnisse geschickt für sich zu nutzen: Kaum veranstalten sie einen zweistündigen Ausstand, sind ihre Forderungen auch schon erfüllt (Seiten 4 und 5).
Dass Mallorca von seinen Urlaubern lebt, ist eine alte Erkenntnis. Genau wie die, dass die Abhängigkeit von nur einem Wirtschaftszweig angreifbar macht. Erstaunlich ist dagegen, wie wenig noch immer getan wird, um daran etwas zu ändern. Nur ein Beispiel: Spanien investiert noch immer deutlich weniger in Bildung und Forschung als andere EU-Mitgliedsstaaten. Auf Mallorca ist die Schulabbrecherquote weiterhin so hoch wie in fast keiner anderen spanischen Region.
Da stellt sich die Frage, ob die Abermillionen Euro, die Jahr für Jahr in immer neue touristische Megaprojekte fließen, nicht viel besser anderswo angelegt wären. Etwa in der gezielten Förderung solcher Wirtschaftszweige, deren Stärkung Mallorcas vielfältige Abhängigkeiten verringern würde, in Bildung und Forschung.
Über kurz oder lang wird die Insel um einen tief greifenden Strukturwandel nicht herumkommen. Zu sehen ist davon bisher nichts, vor allem wegen mangelnder Weitsicht der Politiker. Vorerst bleibt also alles beim Alten: Schon Kleinigkeiten können das fragile Gebilde ins Wanken bringen. Wie in diesen Tagen wieder einmal gut zu beobachten ist.