Der Himmel über Berlin war leicht und frühlingshaft. Die Stimmung in der Philharmonie freudig erregt. Hier warteten die 70 Musiker der Berliner Symphoniker gemeinsam mit 238 Sängern der Balearischen Chorvereinigung und der Capella Mallorquina sowie den Solisten - Sandra Moon (Sopran), Stefanie Schäfer (Mezzosopran), Pedro Velázquez Díaz (Tenor) und Christian Hübner - auf den großen Auftritt. In Deutschlands berühmtester Konzerthalle - 1956 von Hans Scharoun für die Berliner Philharmoniker und Herbert von Karajan entworfen - stand Guiseppe Verdis "Messa da Requiem" auf dem Programm als Auftaktkonzert des Festivals Música Mallorca. Mallorquinisch-deutscher Kulturaustausch pur. Dirigent war der junge mallorquinische Musiker José María Moreno. Die 2600 Plätze der Philharmonie waren ausverkauft.
Moreno lieferte ein brillantes Meisterstück. Mit scheinbarer Leichtigkeit, mit Präzision, mit Professionalität und großer Musikalität führte er die rund 300 Musiker durch Verdis Riesenpartitur. Er sang mit, sah alles, hörte alles, war in ständigem Augenkontakt mit den Mitwirkenden. Das übertrug sich. Seine Konzentration, sein Enthusiasmus rissen Sänger und Musiker mit. Die Einsätze war präzise, die Aussprache des lateinischen Textes klar. Beim "Dies irae", der Version vom Jüngsten Gericht, war der verzweifelte Aufschrei zu spüren; beim "Sanctus, Sanctus" kam Opernhaftigkeit durch. Ganz wie Verdi es gewollt hatte. Es war ein durch und durch gelungenes Konzert.
Das (kritische) Berliner Publikum reagierte entsprechend. 15 Minuten lang gab es Standing Ovations, immer wieder wurden José María Moreno und die Solisten auf die Bühne gerufen. "Wir sind nicht aufgeregt, aber sehr angeregt", hatte die Choristin Carmen Estarellas vor dem Konzert gesagt. Nach dem Konzert war sie zu aufgeregt, um überhaupt noch etwas zu sagen. Wie die meisten der Sänger aus Mallorca und Ibiza auch. Es gab Tränen, Umarmungen, Küsse und sehr viel Emotionen. Begeistert waren sogar der Intendant der Berliner Symphoniker, Jochen Thärichen, und Hans Maile, der Konzertmeister. Beide waren anfänglich skeptisch gewesen angesichts des Newcomers von der Ferieninsel. Sie wurden von dem jungen Dirigenten restlos überzeugt. "Noch nie hat in der Geschichte der Philharmonie ein so großer Chor bei uns gesungen", sagte Jochen Thärichen.
Für Moreno gab es von seinen Sängern und vom Orchester Ovationen
fern-ab des Publikums. "Wir haben noch nie so gut gesungen", sagte
Helga Widman, eine der zwölf deutschen Sänger(innen) vom Singkreis
Mallorca, die nach Berlin gereist waren. "Die Mühe hat sich
gelohnt", sagte Hannelore Hödel, die mehrere Monate lang dreimal
pro Woche von Son Serra de la Marina nach Andratx gefahren ist, um
gemeinsam mit anderen Sängern zu üben. Vier Monate haben die Proben
gedauert; Moreno ist mehrfach nach Ibiza gereist, um mit dem
dortigen Chor das schwierige Stück einzustudieren. "Er hat uns zu
Höchstleistungen geführt", sagte Miquel San Miquel Fuster vom Chor
aus Ibiza.
Glücklich war auch Antoni Arenas, Präsident der Chorvereinigung der
Balearen. Er betonte, dass es auf den Inseln die beachtliche Zahl
von 136 Chören mit insgesamt 4000 Sängern gibt. Unter ihnen war
auch Margalida Moner, die ehemalige Bürgermeisterin von Andratx.
Sie hatte, wie die anderen Sänger auch, in die eigene Tasche
gegriffen, um den Trip nach Berlin zu finanzieren. Eine kleine
finanzielle Unterstützung gab es durch die Sparkasse Sa Nostra, die
Fundación Mallorca Turisme und das Institut Ramon Llull. Air Berlin
gab bei den Flügen Sonderkonditionen.
Nach dem Konzert gab der spanische Botschafter in Berlin, Rafael Dezcallar y Mazarredo, selbst Mallorquiner, einen Empfang für die Vertreter der Chöre, die Solisten und die Veranstalter. Und dann wurde gefeiert, bis spät in die Nacht. Vermutlich sangen einige noch, als sie schon längst schliefen.
Auf der Insel beginnt Música Mallorca am 8. Oktober. Bis zum 6. November stehen fünf Konzerte und eine Meisterklasse auf dem Programm. MM wird berichten.