8. September – Der Traum vom friedlichen Zusammenleben der Nationalitäten auf Mallorca ist eine Illusion. Dass es nicht viel häufiger zu Zusammenstößen kommt wie zuletzt in Palmas Problemviertel Son Gotleu zwischen Nigerianern und Roma beweist nur, dass es den Menschen unterschiedlicher Herkunft offenbar meist gelingt, konfliktfrei aneinander vorbeizuleben. Mallorca ist kein Schmelztiegel, sondern ein Pulverfass. Das belegt auch die jüngste Entscheidung des Gemeinderats von Sa Pobla, der ein Verbot für Ganzkörperschleier erlassen hat. Diese Maßnahme zeigt vor allem eines: Hilflosigkeit. Denn sie offenbart, dass die aufnehmende Gesellschaft ihre Immigranten nicht einzugliedern versteht. Man ist sich fremd geblieben. Jetzt Burka und Niqab zu verbieten, heißt nur, das eigentliche Problem zu verschleiern.
Es lassen sich fraglos reihenweise Argumente für ein solches Verbot anführen. Am schwersten wiegt dabei Folgendes: Zuwanderer müssen sich gewissen Regeln des Gastlandes anpassen. Tatsächlich täte der spanische Staat gut daran, von seinen Zuwanderern bestimmte Anpassungsleistungen zu fordern. Verschleierungsverbote allein aber bringen die Gesellschaft nicht weiter. Für eine Verbesserung des Zusammenlebens ist damit noch nichts getan. Dem Vernehmen nach tragen in Sa Pobla nicht mehr als zwei Frauen einen Ganzkörperschleier. Die Konsequenz des Verbots wird zunächst nur sein, dass sich deren Kontakt zur mallorquinischen Umwelt auf ein Minimum reduziert. Klar gesagt: Die Frauen werden das Haus nicht mehr verlassen.
Wenn es nicht gelingt, den Immigranten, die in den wirtschaftlichen Boomjahren als gefragte Arbeitskräfte auf die Insel gelockt wurden und die jetzt besonders unter der anhaltenden Krise leiden, eine langfristige Perspektive zu bieten, werden sich die Konflikte nur weiter verschärfen. Ohne erheblich mehr Anstrengungen, insbesondere bei der Integration der Zuwanderer ins Bildungswesen und in den Arbeitsmarkt, steht Mallorca über kurz oder lang vor einer Zerreißprobe – ob mit oder ohne Ganzkörperschleier.