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Die bedrohte Küste Mallorcas

Geologisch gesehen sind die Strände ein Friedhof der Schalentiere

Die paradiesischen Strände auf Mallorca sind ökologisch fragil. | Foto: Nuria Rincón

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Auf Sand bauen – das bedeutet, auf etwas zu vertrauen, das zum Scheitern verurteilt ist. Auf Mallorca stimmt das wohl nicht, denn hier baut eine ganze Industrie erfolgreich auf Sand. Sonne, Strand und Meer ziehen jährlich über neun Millionen Touristen an, die allein 2012 über acht Milliarden Euro auf der Insel ausgaben. Bei 200 Stränden an 550 Kilometern Küstenlinie bietet Mallorca für jeden den persönlichen Traumstrand.

Julia und Martin K. zum Beispiel fahren immer wieder nach Es Trenc: "Es ist der lässigste Strand auf Mallorca. Hier gibt es auch keine Betonklötze oder laute Musik. Das ist uns wichtig." Für Spaziergänge sei Es Trenc ideal, findet das Ehepaar Stricker. Ihre Lieblingsstrände seien aber Cala Rajada und Cala Agulla. "Da stimmt einfach alles für uns - die Kulisse und das Ambiente."

Doch der Strandtourismus zerstört sukzessive seine eigene Grundlage, denn der Strand ist Teil eines empfindlichen und bedrohten Ökosystems. Dr. Joan Fornós, Professor für Geologie an der Balearenuniversität, erklärt, wie Sand entsteht. An den meisten Stränden der Erde werde Sand über Flüsse ins Meer transportiert und von den Wellen an der Küste verteilt. Auf Mallorca gebe es jedoch keine Flüsse, nur einige Sturzbäche. 80 bis 90 Prozent des Inselsands bestünden aus Schalenresten von Schnecken, kleinen Krabben und Muscheln. "Unsere Sandstrände sind große Friedhöfe von Schalentieren. Wenn sie sterben, sammeln sich ihre Schalen auf dem Meeresboden an, werden von den Wellen zerkleinert und an Land gespült."

Dies sei ein sehr langsamer Prozess der Sandzufuhr und zudem nur möglich bei gesunden Posidoniafeldern, in deren Blättern die Schalentiere vor der Küste lebten. Die Posidonie diene auch als schützendes Riff und mildere den Wellengang. "Und im Winter schwemmen die abgefallenen Blätter der Posidonie an den Strand und bilden einen schützenden Teppich, ohne den die Winterstürme Sand abtragen."

Zum Wachsen brauche die Posidonia klares Wasser und viel Licht. Abwasser und Schiffsabgase hätten das Meer jedoch vielerorts getrübt und die Anker von Privatyachten Löcher in die Posidonienfelder gerissen. Zwar sei die Posidonia geschützt, doch die Kontrolle sei nicht immer effektiv. "Sie wächst auch ganz langsam, nur zwei Millimeter pro Jahr, was ihre Regeneration erschwert", sagt Fornós. Wo die Posidonienfelder zerstört worden seien, gebe es kaum Zufuhr von neuem Sand und der Strand erodiere.

Zur Stranderosion habe auch die Zerstörung von Dünenlandschaften beigetragen sowie die Bebauung in unmittelbarer Strandnähe. Die Dünen glichen einem Sparkonto, erläutert der Biologe Dr. Guillém Pons. "Die feinsten Sandteilchen weht der Wind vom Strand in die Dünen, wo sie von den Dünenpflanzen aufgefangen werden und sich ansammeln." So könne sich der Strand allmählich ins Landesinnere verschieben. Das sei ein natürlicher Prozess, der jedoch durch den Anstieg des Meeresspiegels im Zuge der Erderwärmung erheblich verstärkt werde. Gebe es keine Dünen mehr, könne sich der Strand nicht verschieben und erodiere, sagt Pons. Der Bau von Sporthäfen habe die Erosion beschleunigt, da dadurch die Meeresströmung geändert worden sei.

Um der Erosion entgegenzuwirken - und neue oder breitere Strände für die Touristen zu schaffen - ist an vielen Stränden Sand aufgeschüttet worden. Die meisten Strände seien inzwischen künstlich, sagt Fornós. "Neben kleinen Buchten sind nur noch die Strände von Es Trenc, Muro und an der Bucht von Alcúdia natürlich." Zum Aufschütten eignet sich nicht jeder Sand. Festlandsand hat eine andere Beschaffenheit. Deshalb ist hauptsächlich aus dem Meer Sand geholt worden, was erhebliche Proteste von Umweltorganisation wie dem GOB ausgelöst hat, weil dadurch Lebensräume im Wasser zerstört wurden. "Das nützt auch gar nichts", meint Fornós. Das Meer stelle immer wieder das Gleichgewicht her: "Wenn du künstlich Sand zuführst, sorgen die Wellen dafür, dass er abgetragen und ins Meer zurückgeführt wird. Das ist nur eine Frage der Zeit."

Um das Meer auszutricksen und die Strömungsrichtung zu ändern, sind vielerorts Dämme gebaut worden. Dadurch hat sich an einigen Stellen vermehrt Sand angesammelt, während andere ausgedünnt sind. Seit einigen Jahren stellt man deshalb im Winter an einigen Stränden Barrieren auf, die wie Dünenpflanzen den ins Landesinnere wehenden Sand auffangen. An diesen Stränden habe man keinen Sand mehr zuführen müssen, sagt Fornós.

"Der Strand ist ein mächtiges dynamisches System, das immer das Gleichgewicht mit dem Meer herstellt", betont der Geologe. Wenn die Naturgesetze nicht respektiert werden, hat Mallorcas Tourismusindustrie doch auf Sand gebaut.

Als Folge des Klimawandels ist in den kommenden Jahrzehnten mit einem Schrumpfen der Strände auf Mallorca um mehrere Meter zu rechnen. Wegen der Erderwärmung werde der Meeresspiegel bis zum Ende des Jahrhunderts um bis zu 60 Zentimeter steigen, erklären Experten des Meeresforschungsinstituts Imedea. Die Wassertemperatur werde im selben Zeitraum um etwa vier Grad steigen.

Eine Studie über die Folgen des Klimawandels in Calvià ergab kürzlich, dass der Meeresspiegel bis zur Mitte des Jahrhunderts um etwa 20 Zentimeter steigen werde. Dies könne zu einem Schrumpfen der Strände der Gemeinde um zehn bis 15 Meter führen. Manche Strände würden gar ganz verschwinden. Die Auswirkungen auf den Tourismus wären enorm, so die Experten weiter. Calvià ist bislang die einzige Gemeinde der Insel, die die Folgen des Klimawandels auf lokaler Ebene untersucht hat.

Entgegen weitläufigen Meinungen ist für den Anstieg des Meeresspiegels nicht in erster Linie das Abschmelzen von Gletschern verantwortlich, sondern die höheren Temperaturen im Meer: Warmes Wasser hat eine größere Ausdehnung als kaltes Wasser.

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