Der Vorwurf ist ungeheuerlich: Bootseigner, Kapitäne und Yachturlauber sollen regelmäßig Dreckwasser in Küstennähe illegal ins Meer leiten. In der Redaktion des Mallorca Magazins landeten in den vergangenen Wochen mehrere E-Mails, in denen sich Leser über Fäkalien im Wasser ihrer Badebucht beschweren – und dafür die Boote verantwortlich machen.
Wer versucht, Licht in die Angelegenheit zu bringen, der merkt bald, dass es sich um ein heikles Thema handelt. Offen sprechen will kaum jemand, was die Glaubwürdigkeit der Aussagen zumindest infrage stellt.
Da ist zum Beispiel der Kapitän, der seit Jahren im Nautiksektor arbeitet und mehrere Saisons lang auch eines der Ausflugsboote steuerte, gegen die sich nun die Vorwürfe häufen. "Ich habe das damals immer so gemacht: Abends haben wir das Abwasser ins Meer fließen lassen", gibt er gegenüber dem Mallorca Magazin zu. "Ich war nicht der Einzige. Meine Kollegen haben das alle so gemacht."
Empört reagiert dagegen der Pressebeauftragte einer Firma, die Bootsausflüge vor Mallorcas Küste anbietet. "Wer behauptet, wir würden so etwas tun, den verklagen wir wegen Rufschädigung." Man halte sich strengstens an die Vorschriften zur Abwasserentsorgung. "Schließlich sind wir die Ersten, die ein Interesse daran haben, dass das Meer rund um Mallorca sauber ist." Der Name seiner Firma dürfe in diesem Zusammenhang auf keinen Fall in der Zeitung erscheinen, fordert er.
Aber nicht nur Anbieter kommerzieller Bootstouren stehen im Verdacht, es mit den Regeln nicht immer ganz genau zu nehmen, sondern auch Eigner kleiner Boote und Yachttouristen. So beklagte die Umweltschutzgruppe GEN aus Ibiza im Sommer, lediglich 100 von mehreren Zehntausend Booten hätten die in den Häfen vorhandenen Einrichtungen zum Abpumpen von Dreckwasser genutzt.
Dies habe eine Umfrage bei den Hafenbetreibern ergeben. Das mallorquinische Pendant des GEN, der GOB, hat eine ähnliche Erhebung bisher nicht durchgeführt. "Es ist einfach nicht effektiv kontrollierbar, was auf all den Booten geschieht", sagt ein GOB-Sprecher.
Der Direktor eines mallorquinischen Sporthafens will nicht glauben, dass Bootseigner ihr Dreckwasser in Küstennähe ins Meer laufen lassen. "Ich kann es mir nicht vorstellen", sagt er. Alle Häfen seien gesetzlich verpflichtet, eine Abwasserentsorgungsanlage bereitzustellen, viele böten diese sogar gratis an, um die Bootsbesitzer zur Benutzung zu animieren. Auf die Frage, wie stark nachgefragt diese legale Methode, sein Abwasser loszuwerden denn sei, druckst der Hafendirektor etwas herum. Dann sagt er: "Sie wird weniger genutzt, als sie eigentlich genutzt werden sollte." Seinen Namen möchte er nicht in der Zeitung lesen.
Lieber anonym bleiben will auch der zuständige Beamte in der Seefahrtsbehörde (Capitanía Marítima), der die aktuelle Rechtslage wie folgt beschreibt: In Küstennähe darf Dreckwasser aus dem Bordklo überhaupt nicht ins Meer geleitet werden. In bis zu drei Seemeilen Entfernung nur nach spezieller Behandlung durch eine geeignete Kläranlage, über die allerdings nur die allerwenigsten Boote verfügen. Zwischen drei und zwölf Seemeilen Entfernung von der Küste nur, wenn es desinfiziert wurde und größere Teile zerkleinert sind.
Das Boot muss mit einer Geschwindigkeit von mehr als vier Knoten unterwegs sein, während die Tanks entleert werden. Das gilt auch bei einer Entfernung von mehr als zwölf Seemeilen (mehr als 22 Kilometer) - dort darf Abwasser aus dem Klo völlig unbehandelt ins Meer geleitet werden. Für die Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften ist laut Seefahrtsbehörde die Küstenwache der Guardia Civil zuständig.
Isabel Teruel ist Vizevorsitzende des Verbands der balearischen Nautikeinrichtungen und verteidigt die Branche vehement. Wie viel Abwasser in Mallorcas Sporthäfen auf legale Weise entsorgt werde, kann sie aber nicht sagen. Das sei nie untersucht worden. "Auch unter den Bootsbesitzern gibt es Leute, die die Umwelt nicht respektieren, genau wie in allen anderen Bereichen. Sie sind aber ganz gewiss die Ausnahme, nicht die Regel."