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Streifzug durch Palmas Gerreria-Viertel

Ein Quartier sucht seinen Platz

Wie so oft in Palma: Stets eine Kirche im Blick. | Foto: cze

| Sa Gerreria, Palma de Mallorca |

"Nur noch Deutsche und Engländer", beklagt sich José Maria López, "nur noch Deutsche und Engländer!" Auf die Frage, wer denn so in seinem Viertel "Sa Gerreria" lebe, reagiert er nicht mit großer Begeisterung.

Dabei, so gibt er zu, ist er selbst Einwanderer. Vor 15 Jahren aus Argentinien gekommen, betreibt er heute eines der wohl kleinsten Geschäfte in Palma. Auf knapp zehn Quadratmeter Fläche verkauft er Obst, Gemüse, Getränke und Süßigkeiten im Carrer del Socors. "Ich war mal ein wohlhabender Mann, habe wegen der Inflation in meinem Heimatland alles verloren, nun stehe ich hier und verkaufe Obst", erzählt er. Auf seinen Laden ist er trotzdem stolz, vor allem auf den schmalen Eingang. "Das ist schon kurios, so etwas sieht man nicht allzu oft. Viel mehr als drei Personen passen nicht in mein Geschäft", erklärt er lachend.

Sa Gerreria, das ist Palmas ehemaliges Rotlichtviertel, war lange ein Umschlagplatz für Drogen und Schauplatz von Verbrechen. Dank großer Investitionen verwandelte es sich in den vergangenen Jahren in ein bürgerliches "Barrio", offenbar ganz zur Freude ausländischer Immobilienkäufer.

Direkt gegenüber von López' Laden liegt das Restaurant "Es Pes de sa Palla" der Stiftung Amadip-Esment, wo Behinderte gemeinsam mit Nichtbehinderten im Service arbeiten. Maria macht das Kellnern sichtlich Spaß. Ihr Viertel mag die junge Frau mit dem Down-Syndrom gerne, weil es, wie sie sagt, so lebhaft sei. Mit Stolz präsentiert sie die Sammlung bunter Ensaimada-Kartons an der Wand. Kulinarisches wird zu Kunst.

Vom "Pes de sa Palla" führt der "Carrer del Socors" hinauf bis zur Kirche Nuestra Señora del Socorro mit ihrem charakteristischen Turm und der davor gelegenen Plaça Llorenç Bisbal. In der "Bar Rita" sitzen junge Frauen und Männer unter den Platanen und trinken eine Caña, ein Glas Bier. José-Maria López' Unkenrufen zum Trotz hört man hier, im Herzen des Viertels, nur Mallorquín und Spanisch, weder Deutsch noch Englisch. "Sa Gerreria, das sind wir", sagt ein junger Mann mit Vollbart.

In den Straßen, die die Plaça Bisbal mit der Plaça Quadrado verbinden, mischt sich die alte Bausubstanz mit moderner Architektur. Ein wilder Stilmix dominiert den Carrer Sa Gerreria in weiten Teilen. Hier ein alter Fensterladen und der Blick durch die Balkontür auf eine Stuckdecke, dort Beton, Stahl und Glas. Auf der einen Seite der Straße eine alte Frau in Kittelschürze mit Einkaufstüten in der Hand, auf der anderen Seite ein junger Mann im Anzug. Es ist ein "Barrio" im Umbruch, ohne Zweifel.

Unzählige Baustellen hinter provisorischen Mauern säumen die Gassen. An der Plaça Quadrado erlaubt ein abgerissener Gebäudekomplex einen Blick ins Innenleben des dahinterliegenden Hauses. Im Schatten von Palmen sitzen alte Menschen auf den Bänken, Autofahrer versuchen vergeblich einen Parkplatz zu finden und hupen vor Wut.

Über die Plaça de l'Artesania und den Carrer dels Desemparats, wo Stahlstützen Balkone vor dem Herabstürzen schützen und unzählige schmale und schmalste Türen den Eingang zu steilen und engen Treppenhäusern bilden, führt der Weg zurück in den Carrer del Socors. In einer Werkstatt brennt Licht. An einer langen Werkbank sitzen ein Dutzend Menschen und arbeiten. Es ist die Schmuckwerkstatt "S'Estellera." Toña Díez, eine kleine lockige Frau in Schürze, die die "Taller" betreibt, erklärt: "Wir bieten Kurse im Schmuckmachen an, jeder kann sich anmelden."

Es staubt, es wird gesägt, gehämmert, gehobelt, gemeißelt und geschliffen. José Luis Forteza, ein "alter Hase", wie Toña Díez sagt, hat sich auf eine typisch mallorquinische Technik spezialisiert, den "Granet." Er setzt winzig kleine, glitzernde Granitsteinchen aufwendig zu Armbändern zusammen. Mariantonia Arbona mag es etwas größer und hämmert auf einem Stück Gold herum, das später zu einem Ohrring werden soll. Nach getaner Arbeit sitzt man noch zusammen und plaudert. Sa Gerreria, das ist auch ein geselliges Viertel. Wer sich davon überzeugen möchte, braucht nur am Wochenende die Plaça Llorenç Bisbal besuchen und eine Caña unter den Platanen trinken. Salud!

(aus MM 48/2014)

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