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Deutsche Azubis zieht es nach Süden

Auszubildener Tobias Huth (M.) aus Eckernförde mit seinen "Gastausbildern" Bernd Zieten (l.) und Markus Zebrowski (r.).

| Palma, Mallorca |

Es war der erste Flug seines Lebens, der Christoph Wienke vor knapp zwei Wochen nach Mallorca brachte. Der 20-Jährige ist jedoch nicht als Urlauber auf die Insel gekommen, sondern als Praktikant einer Autowerkstatt. Insgesamt drei Wochen wird er bei Vicente Martí im Polígono Son Castelló in Palma lernen, wie es in einer spanischen Werkstatt zugeht.

Der Blondschopf ist angehender Kfz-Mechatroniker im norddeutschen Schleswig und verbringt derzeit ein dreiwöchiges Praktikum auf Mallorca. Er habe einfach mal etwas Neues kennenlernen wollen, sagt Wienke. "Hier wird mehr instand gesetzt. In Deutschland wird eine verbeulte Stoßstange ausgetauscht, hier wird ein Heißluftfön genommen, das Material warmgemacht und versucht, die Delle rauszudrücken."

Genau solche Erfahrungen sollen die deutschen Azubis mitnehmen, die über das Berufsbildungszentrum am Nord-Ostsee-Kanal in Rendsburg im Rahmen eines sogenannten Mobilitätspraktikums nach Mallorca gekommen sind. Auch die teilnehmenden Betriebe sind angetan. "Die Leute, die kommen, sind sehr interessiert und gut vorbereitet", schwärmt Vicente Martí.

"Das ist für uns eine neue Erfahrung. Hier in Spanien unterrichten die Ausbildungszentren vor allem Theorie und die Schüler machen 15 Tage Praxis. In der Zeit ist es unmöglich, etwas zu lernen. Das ist ja ein Handwerk, was wir machen", sagt Martí.

Entstanden ist die Idee dieses deutsch-mallorquinischen Azubi-Transfers vor etwa sieben Jahren. Projektleiter Marko Krahmer vom Berufsbildungszentrum war auf einer Konferenz in Thessaloniki mit Vertretern des balearischen Erziehungsministeriums in Kontakt gekommen.

Dadurch nahm er 2010 an einer Konferenz auf Mallorca teil und begann, auf der Insel ein Netzwerk zu knüpfen, um Azubis aus Deutschland Auslandspraktika auf Mallorca zu ermöglichen. Seitdem gibt es einen Austausch in beide Richtungen, denn auch balearische Schüler, unter anderem von der IES Politècnic in Palma oder der IES Pau Casesnoves aus Inca, kommen regelmäßig für mehrwöchige Praktika nach Rendsburg.

In dem deutschen Friseur Stefan Werner, der im Santa Catalina-Viertel die Peluquería Estefan führt, fand Krahmer einen begeisterten Verbündeten, der ihm viele Kontakte auf der Insel verschaffte und sich selbst stark einbrachte. "Wenn ein Inselinsider bei Behörden oder Betrieben anruft, ist das natürlich einfacher", sagt Krahmer.

Freilich musste er sich auch manche Frotzeleien im Kollegenkreis anhören, als "Reiseminister" der regelmäßig nach Mallorca fährt. "Soft Skills sind nicht messbar", sagt er. Aber die Reaktionen der Schüler seien sehr positiv und auch die Ausbilder bemerken einen neuen Motivationsschub und mehr Selbstbewusstsein bei ihren Auszubildenden. Den Sinn dieser Auslandspraktika stellt heute niemand mehr in Frage.

Alles sei EU-zertifiziert und entsprechend aufwändig. "Die Anträge umfassen 60 Seiten", sagt er. Das mache er aber gerne. "Was wir mit dem Praktikum unseren Schülern und den teilnehmenden Betrieben bieten, können sonst nur große Unternehmen. Deswegen machen wir das mit viel Idealismus." Zu den "Leuchtturmprojekten" gehört die Übernahme eines deutschen Azubis, der ab 1. Oktober in einer Tischlerei in Inca anfängt. "Das sind natürlich Ausnahmen", sagt Krahmer. Die Idee des Projektes sei keineswegs, Arbeitskräfte vom deutschen Arbeitsmarkt abzuziehen. Aber wenn so etwas mal vorkomme, sei das eine schöne Sache.

Für die 18-jährige Lena Turner wäre ein Umzug auf die Insel keine Option. Sie ist ebenfalls zum ersten Mal geflogen, überhaupt zum ersten Mal im Ausland, und glaubt, dass der Rückflug nach Deutschland ihr letzter sein wird. Die Erfahrung in Palma will sie aber nicht missen. Die Friseur-Auszubildende lernt drei Wochen bei Stefan Werner in dessen Salon in Santa Catalina. "Mich hat die Ruhe bei der Arbeit überrascht", sagt sie.

Dafür war die Betreuung und Einweisung für sie und ihren Mitstreiter Felix Diehl umso intensiver. In Rendsburg arbeiten beide im Großsalon einer Friseurkette, intensive Betreuung mit Stehen und Zuhören gibt es dort eher selten. Auch außerhalb der Arbeit ist vieles ungewohnt. "Auf dem Weg zur WG in Palmas Zentrum verlaufe ich mich immer wieder, lerne dadurch die Stadt kennen", sagt sie. Sogar einen mallorquinischen Verehrer hat sie seit einer Party, auch diese Erfahrungen gehören dazu.

Azubi-Kollege Felix Diehl könnte sich sogar vorstellen, wieder zurückzukommen. In Palma hat er bereits einen Barber-Shop entdeckt. "Bei so einem Laden möchte ich später mal arbeiten", sagt er. Ihn habe vor allem beeindruckt, wie viele Nationalitäten in Palma leben.

Zu den Themen Steuernummern, Versicherungen und Unterkunft mussten sich die Schüler keine Gedanken machen, das hat alles die Schule in Zusammenarbeit mit dem balearischen Bildungsministerium geregelt. "Das ist auch für die teilnehmenden Betriebe wichtig", sagt Marko Krahmer. Für die würden keinerlei Kosten anfallen, die Schüler zahlten lediglich 70 Euro.

Der Rest wird aus EU-Mitteln bestritten, wobei die Lehrkräfte auch ihren Anteil mit einbringen. "Wir wollen das Geld so effektiv wie möglich einsetzen", sagt Krahmer. Mindestens ein Lehrer sei trotzdem immer als Ansprechpartner vor Ort.

Die Ergebnisse seien durchweg positiv, keiner der Betriebe sei bislang abgesprungen, sagt er. Insgesamt 27 Schüler aus 14 Berufen hat er in diesem Jahr nach Palma geholt, 25 sind in Finnlands Hauptstadt Helsinki gelandet. Die Achse Rendsburg-Palma liegt Krahmer aber besonders am Herzen und das nicht nur, weil er ein Inselfan ist. "Wir haben viele Azubis aus Schiffsbetrieben wie der Lürssenwerft.

Die sehen hier in Palma die Boote wieder, die sie selbst mitgebaut haben", sagt er. Wie Industriemechaniker Tobias Huth, der in Eckernförde bei einem Betrieb für Lüftungsanlagen lernt, und in Palmas Yachthafen bei Bernd Zietens Firma Marine Quality Yachten instand setzt. "Hier habe ich schon einige unserer Produkte entdeckt", sagt er. Die Idee, ins Ausland zu gehen, fand er "spannend". Der größte Unterschied bei der Arbeit seien die Zeiten: "In Deutschland arbeite ich von 6 bis 15 Uhr, hier geht es um 9 Uhr los aber dafür mit Open End. Denn hier geht es um Kundenservice".

In Deutschland will er nach seiner Ausbildung ein Jahr Fachhochschulreife dranhängen und dann studieren. Die erste Auslandserfahrung hat er nun auch schon.

(aus MM 40)

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