Ob der "böse Graf" die Pläne der Gemeinde Calvià für die Finca Galatzó wohl gutheißt? Zur ersten öffentlichen Öko-Finca der Insel soll sie werden, mit einer bewirteten Wanderherberge. Der "böse Graf" ist ein früherer Gutsherr. Er hieß Ramón Burguès-Safortesa und lebte im 17. Jahrhundert.
"Er war kein guter Mensch", erzählt die Gemeinderätin Francisca Muñoz. Kaltblütig soll er gewesen sein, die Bevölkerung schlecht behandelt haben. Deshalb sei er als Comte Mal ("Graf Böse") in Erinnerung geblieben, und dem Volksmund nach spuke er seit seinem Tod in der Finca herum.
Die Gegend um den Galatzó, den die Mallorquiner den magischen Berg nennen, ist reich an Legenden und zieht seit jeher Menschen an. Das zeigen zahlreiche Fundstätten aus der Vorgeschichte. Das herrschaftliche Gut, die Possessió Galatzó, wird 1283 zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Mit 14 Quadratkilometern gehört es zu den größten Landgütern Mallorcas. Jahrhundertelang hatte es große Bedeutung für die Wirtschaft der Region. Getreidemühlen, Kohleöfen, Dreschplätze, Terrassenanlagen und eine imposante Ölmühle, die bis Mitte des 20. Jahrhunderts in Betrieb war, erinnern daran.
Immer wieder hat das Gut den Eigentümer gewechselt. Seit 2006 gehört es der Gemeinde Calvià und ist öffentlich zugänglich. Vier Wanderwege zwischen sechs und zwölf Kilometer Länge, auf denen man Geschichte und Natur erkunden kann, hat die Gemeinde auf dem Gelände angelegt. Außerdem läuft der Trockensteinmauerweg GR-211 (Variante C Es Capdellà - Estellenç) hindurch.
Wanderer machen gerne Jause am Picknickplatz neben dem Herrenhaus, besichtigen die Ölmühle, die Kapelle oder das "Herz" des bösen Grafen. Damit ist in Wirklichkeit ein herzförmiger Felsbrocken gemeint. Nach dem Tod des Grafen soll er in einer Wand aufgetaucht sein. Wer ihn berührt, spürt einer Überlieferung zufolge den Herzschlag des ungeliebten Gutsherren.
Auf den Feldern grasen Schafe, ein paar Kühe und Esel. Ein Verein für autistische Menschen kümmert sich um einen kleinen Garten. Workshops und Besichtigungen finden statt. Dennoch wirkt die Finca ein bisschen verlassen. Das will das Rathaus von Calvià jetzt ändern. "Dinamització" heißt das Stichwort - Belebung.
In Kürze wird ein neuer Gutsverwalter ins Herrenhaus einziehen. Es ist der 31-jährige Landwirt Carlos Salvà aus Calvià. Er wird die Finca nach ökologischen Prinzipien bewirtschaften und in Zusammenarbeit mit der Samenbank von Sóller einheimische Getreide- und Gemüsesorten anbauen. Auch die Tierhaltung soll ausgebaut werden mit einheimischen Schafen, Eseln, Kühen, Stieren, Hühnern, Enten und Kaninchen.
Der junge Gutsherr erhält ein Jahresgehalt von 15.000 Euro vom Rathaus, außerdem kommt ihm jeglicher Gewinn aus der Landwirtschaft zugute. Der Ausbau zur Öko-Finca wird vom Verein für ökologischen Landbau Apaema betreut. "Unser Ziel ist es, das Ökosiegel zu erhalten und unsere Produkte zu verkaufen", sagt Gemeinderätin Muñoz.
Auch für Besucher gibt es Neuigkeiten. Bald wird neben der Kapelle, der Ölmühle und dem Herzen des Grafen auch die alte Gutsküche zu besichtigen sein, die gerade restauriert wird. Vier neue Wanderwege werden angelegt. Kulturelle Aktivitäten sind geplant. Mitte Februar öffnet ein Informationsbüro in der Finca.
Demnächst soll auch der Umbau des ehemaligen Schweinestalls in eine Wanderherberge mit Übernachtungsmöglichkeiten für 50 Personen, Gemeinschaftssaal und Bewirtung beginnen. Zwei Jahre Bauzeit seien veranschlagt, doch man rechne mit weniger, meint Francisca Muñoz. Das Projekt erfolgt in Kooperation mit dem Inselrat, der die Kosten in Höhe von einer Million Euro übernimmt. Mittel aus der Ökosteuer sollen einfließen.
"Es ist uns wichtig, am Beginn des Fernwanderwegs GR-221 eine so große Herberge anbieten zu können", sagt Nùria Felip vom Inselrat. Die Finca Galatzó sei ein hervorragender Standort. Damit Wanderer den Trockensteinmauerweg von Hütte zu Hütte laufen können, hat sich der Inselrat für diese Legislaturperiode vorgenommen, das Herbergsnetz auszubauen. Erst im Dezember eröffnete er das neue Refugio Coma d'en Vidal bei Estellenç.
Die Belebung der Finca Galatzó sei Teil der Bemühungen, die Insel ganzjährig für Touristen interessant zu machen, bestätigt Francisca Muñoz. Aber der Gemeinde gehe es um mehr. "Wir haben ein großes historisches, kulturelles und natürliches Erbe, das wir würdigen wollen. Selbst viele Einheimische kennen es kaum."
Wer nun Lust hat, auf den Spuren des bösen Grafen zu wandeln, muss eins noch wissen: Nur wer an die Legende glaubt, kann auch seinen Herzschlag fühlen.
(aus MM 6/2017)