Sie sehen behäbig aus, sind aber erstaunlich gut zu handhaben: Auf Mallorca sieht man immer mehr Fatbikes in den verschiedensten Versionen. Nicht jedermann fährt darauf ab, aber MM hat sie getestet.
Erstaunlich leicht hebt sich dieses stylishe Elektrofahrrad mit dem ausladenden Lenker in Motorradoptik. Schwingt man sich einmal auf den breiten, weich gepolsterten Sattel, stellt sich umgehend ein wohliges Fahrgefühl ein. Man kann das knapp 15 Kilo schwere Gefährt allein mit den Pedalen vorwärtsbewegen, noch mehr Spaß macht es allerdings mit dem E-Motor, der beim Treten in verschiedenen Stärken zugeschaltet werden kann.
Der besondere Gag ist aber die mehr als zehn Zentimeter breite Bereifung, die das E-Bike zu einem so genannten Fatbike macht. Neben dem lauteren Fahrgeräusch auf dem Kopfsteinpflaster der Altstadtgassen haben die dicken Räder einen Sinn, weil sie Unebenheiten geradezu aufsaugen. Zügig geht es um die Ecken, bewundert von den Passanten, die ihren Blick nur schwer vom breitreifigen Retro-Bike abwenden können. Der Fahrrad-Chopper ist einem tiefliegenden Cafe-Racer nachempfunden, der Serienversion von Rennmaschinen, die in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in England Teil einer Rocker-Kultur waren und bis heute in limitierten Sondereditionen ihre Fans haben. Noch kann man beim federführenden Unternehmen Spyder Mallorca das Gefährt nicht mieten, zurzeit wird es noch produziert. Aber im Laufe dieses Jahres soll es auf die Insel kommen und in die Vermietung gehen.
Die "Dick-Reifer" eignen sich auch bestens für Fahrten auf dem Sand. Sebastian Böhm vom E-Bike-Vertrieb Greenstorm in Son Veri Nou schwört darauf. "Ich lasse einfach ein bisschen Luft ab und habe dadurch noch mehr Auflagefläche. Die Fahrräder waren ursprünglich für Fahrten auf Schnee gedacht", sagt er. Dieser Anwendungsbereich ist auf Mallorca eher zu vernachlässigen, Sand gibt es hingegen genug. Der 500-Watt-Akku könnte das Gefährt theoretisch auf 70 Stundenkilometer bringen, ist aber gedrosselt. Rund 3400 Euro kostet das Rad der Tiroler-Firma Fantic. Greenstorm arbeitet vor allem mit Hotels zusammen, stellt diesen die Bikes kostenlos zur Verfügung, bekommt im Gegenzug Übernachtungsgutscheine oder verpachtet die Räder an Fahrradverleihe. An der Playa de Palma sind diese aber noch eher selten zu sehen. Viele Kunden schrecken vor den Breitreifen zurück, sagt ein Verleiher gegenüber MM, der das Fatbike wieder aus dem Programm genommen hat.
Ähnlich erging es auch Rafaella Wieschollek, die statt Sand steiniges Off-road-Gelände als optimales Einsatzgebiet für die Bikes sieht, auch ohne E-Antrieb. Wieschollek, auf Mallorca besser unter dem Namen "Roxy" bekannt, bietet auf der Insel Mountain-Bike-Touren an, seit vergangenem Jahr auch mit Fatbikes, wird diese aber wieder aus dem Programm nehmen. "Sie sind nicht so gut angekommen wie gedacht", sagt sie. Viele ließen sich von der Optik irreleiten und gingen von einem hohen Gewicht aus. "Dabei fahren sich die Räder fantastisch im Gelände", sagt sie. Entsprechend gebe es auch einige eingefleischte Fans, aber deren Zahl ist gering. Fatbike-Profis pumpen die 4,4 Zoll breiten Schlappen mit nur einem Bar Reifendruck auf: So fahren sie gut gefedert über Stock und Stein. "Wäre ein normales Mountainbike ein VW Golf, so könnte man das Fatbike als Traktor oder besser noch als Panzer bezeichnen", heißt es auf Spiegel Online.
Nach diesem Prinzip verfahren auch die Erfinder des "Moke" von Urban Drivestyle Mallorca in Palmas Altstadt. Auf die Dickreifen haben sie einen mopedähnlichen Rahmen ohne Stoßdämpfer mit einem lang gezogenen Sattel gesetzt. "Die Reifen absorbieren Unebenheiten und können ein höheres Gewicht tragen", sagt Thorsten School, einer der Gründer von Urban Drivestyle. Bislang haben die Tüftler weltweit 150 Stück verkauft, die Batterieleistung reicht bis zu 60 Kilometer. Für 28 Euro pro Tag kann man es an der Station in Palmas Carrer Sant Francesc mieten.
"'For Fun, Work and Family' lautet unser Slogan", sagt School. Im Gegensatz zu üblichen Fahrrädern mit E-Motor seien die Mokes vielseitig einsetzbar - auch als Arbeitsgerät - und sähen vor allem nicht so langweilig wie die meisten Fahrräder aus, fügt er hinzu. Und in der Tat sind sie durch die Breitreifen in der Altstadt erstaunlich gut zu manövrieren. Gerade für innerstädtische Transporte mit überschaubarem Volumen stellt das "Moke" eine echte Alternative zum Auto dar. Hier macht jeder Pflasterstein Spaß, dem man normalerweise mit dem City-Bike auszuweichen versucht. In Hamburg haben die Urbandrive-Styler bereits eine Filiale eröffnet. Die Erfolgsstory der dicken Reifen ist bei diesem Start-Up noch nicht zu Ende geschrieben. Im MM-Autor hat das Fat-Bike jedenfalls in jeglicher Version einen neuen Fan gewonnen.