Es oinkt, quiekt und grunzt: Auf einer kleinen Finca mitten im ländlichen Nirgendwo bei Sineu tummeln sich rund 50 Schweine, wälzen sich wohlig im Schlamm oder suchen in der Erde nach Mandeln und Feigen. Der wenige Tage bis einige Monate alte Nachwuchs hüpft ausgelassen herum, beschnüffelt neugierig die Schuhe der Besucher. Wenn es zu wild zugeht, sorgt der einzige Eber mit bulliger Kraft für Disziplin. Die schwarzen Schweine, die hier ein Leben fern-ab beengter Ställe fristen, sind eine mallorquinische Besonderheit. Aus ihnen entstehen lokale Spezialitäten wie Sobrassada und Botifarró. Und mittendrin: Tomeu Torres, Schweinezüchter aus Leidenschaft.
Mittlerweile kommt der 69-Jährige nur noch zweimal am Tag in das geräumige Gehege, um nach dem Rechten zu sehen und seine Tiere mit Gerste zu füttern. Seit vier Jahren ist er im Ruhestand, doch ganz trennen konnte er sich von seinen tierischen Kompagnons noch nicht. Die Hälfte der ursprünglich 60 erwachsene Tiere umfassenden Herde hat er aber schon verkauft und die Schweinezucht ist für ihn zu einem entspannten Hobby geworden.
Wie meistens auf der Insel ist auch Torres' Zucht ein Familienbetrieb. Übernommen hat er ihn von seinem Vater, gegründet wurde er vom Großvater. „Als ich geboren wurde, gab es auf Mallorca ausschließlich schwarze Schweine“, erinnert er sich. Fast jede Familie besaß damals ein Exemplar. Anfang des Jahres wurde ein Schlachtfest gefeiert und alles verwertet, was das Tier hergab. Aus dem Fleisch wurde Wurst, aus der Haut Taschen und aus den Borsten wurden Haarbürsten gefertigt. Die Tradition verlor sich, als nach und nach die rosa Artgenossen die Insel eroberten. „Das lag an ihrem größeren Fettanteil aufgrund der Stallhaltung“, erklärt er.
Das ist nicht der einzige Unterschied. Neben der dunklen Farbe sind die großen Schlappohren das markanteste und vielleicht auch charmanteste Merkmal der dunkelborstigen Inselschweine. Auch sind ihr Rücken und ihre Beine gerader als beim Hausschwein mitteleuropäischer Provenienz. Einzigartig sind zwei lange zäpfchenartige Gebilde, die ihnen am Hals herunterhängen. Damit unterscheiden sie sich auch von den schwarzen Schweinen der iberischen Halbinsel, aus denen der berühmte Serrano-Schinken hergestellt wird.
Auf den Balearen ist das Klima zu feucht dazu, der Schinken verschimmelt schnell. Der Mallorquiner José Abellán wich darum kurzerhand aufs Festland aus. Seit einigen Jahren lässt er seine mallorquinische Schweine in der Region Guijuelo in der Provinz Salamanca schlachten und anschließend über viele Monate bei 14 Grad Temperatur und 60 Prozent Luftfeuchtigkeit an der Luft trocknen - ganz so, wie es beim iberischen Eichelschinken üblich ist. Damit ist er aber eine Ausnahme. „Unsere Züchter haben sich vor allem auf Botifarró und Sobrassada spezialisiert”, sagt Torres. 24 Euro kostet ein Kilo Sobrassada vom schwarzen Schwein, für die es mittlerweile eine geschützte Herkunftsbezeichnung gibt. Damit ist sie gut doppelt so teuer wie konventionell hergestellte Wurst. „Dafür hat man Qualität und weiß, was drin ist“, betont er.
Torres ist auch der erste und einzige Präsident des in den 1980er Jahren gegründeten mallorquinischen Schweinezüchterverbands und „herrscht” als solcher über 60 Mitglieder und rund 1200 Borstentiere. Damals setzte sich ein reicher Mallorquiner in den Kopf, Sobrassada wieder traditionsgemäß aus schwarzen Schweinen zu produzieren und sorgte damit innerhalb weniger Jahre für einen „Babyboom“ unter den fast vergessenen Tieren. „Alle glaubten, damit reich zu werden, weil die Tiere deutlich teurer waren als gewöhnliche Schweine“, berichtet Torres.
Er selbst war mit der Zucht der Inselschweine äußerst erfolgreich und heimste zahllose Preise ein, die Regale und Schränke in seinem Wohnzimmer bevölkern. „Ich esse zwar gerne Schweinefleisch, aber das Schlachten hat mir nie behagt“, erzählt er. Das überlässt er anderen, wenn er seine Schweine, meist Ferkel, noch lebend verkauft. Anderthalb bis zwei Monate sind sie dann alt, besonders an Weihnachten erfreuen sie sich auf der Insel großer Beliebtheit. „Wer sich ein fertig zubereitetes Ferkel liefern lassen will, kann sich an Can Company in Maria de la Salut wenden”, ergänzt er. Mit rund 200 Tieren ist dies der größte Zuchtbetrieb der Insel.
50 Euro nimmt Torres für ein kleines Borstentier. Reich wurde er damit nicht. „Früher konnte ich den Preis selbst bestimmen und Gewinn machen, heute erlaubt der Markt nur geringe Margen“, sagt er. Die rosa Artgenossen bringen mit Preise von unter 40 Euro noch weniger ein – ein Grund dafür, dass die meisten von ihnen mittlerweile von der Halbinsel importiert werden. „Das Leben als Züchter ist hart, man braucht einen Zweitjob, um zu überleben. Viele denken, dass man als Landwirt vor allem mit dem Traktor herumfährt und vergessen, dass man auch mal absteigen muss“, sagt Torres. Aus diesem Grund wollte er auch nicht, dass seine drei Kinder in seine Fußstapfen treten.
Doch es gibt auch gute Neuigkeiten. In den vergangenen Jahren ist die Nachfrage nach schwarzen Schweinen gestiegen. Verbraucher schätzen die Qualität des Fleischs. Anders als in der Massenhaltung müssen die Tiere nicht mit Antibiotika vollgepumpt werden, denn die Verbandsvorschriften verbieten die Stallhaltung. Statt Fertigprodukten futtern sie fast nur frisches Getreide und Früchte. „Außerdem ist der Boden sehr eisenhaltig“, ergänzt Torres. Zusätzlich kommt ein Tierarzt zu Gesundheits-Check-ups und Impfungen vorbei. Bei den Geburten bleiben die Borstenviecher allerdings unter sich. „8,5 Ferkel bringt eine Sau im Schnitt zur Welt, der Rekord liegt bei 16“, erzählt Torres. Doch nicht alle überleben, sie werden von ihren Artgenossen erdrückt oder ersticken in der Plazenta, wenn kein menschlicher Geburtshelfer anwesend ist.
Torres experimentiert zurzeit an einer neuen Züchtung. Er will seine schwarzen mit den rosa Hausschweinen des Nachbarn kreuzen. „Das wird eine gute Rasse”, ist er überzeugt.
INFO:
Die Insel der glücklichen Schweine. Fotos gesucht. Bauernmarkt in Sineu. Tomeu Torres ist mit seinen Ferkeln seit Jahrzehnten Stammgast auf dem Bauernmarkt von Sineu. Auch Königin Letizia und ihre Töchter Leonor und Sofía schauten schon vorbei. Für ein Erinnerungsalbum ist Torres auf der Suche nach Fotos von Touristen, die ihn dort besucht haben. Fotos an porcnegremallorqui@hotmail.com.
(aus MM 41/2018)