Kein Stau im Berufsverkehr, bequeme Jogginghose statt Anzug, kein dauerndes Gequatsche im Großraumbüro – auf den ersten Blick wirkt das Arbeiten zu Hause wie die deutlich entspanntere Alternative zum Büroalltag. Doch viele unterschätzen, dass die Umstellung auch Herausforderungen mit sich bringt und Disziplin erfordert. MM verrät, was Sie übers Homeoffice wissen müssen.
Am besten ist es natürlich, wenn in der eigenen Wohnung ein eigenes Arbeitszimmer zur Verfügung steht, dessen Tür man nach getanem Job hinter sich schließen kann. Ansonsten sollte man sich zu Hause zumindest eine gesonderte Arbeitsecke einrichten. Theoretisch muss der Arbeitgeber für angemessene Arbeitsmittel sorgen. In der Praxis dürfte das nicht immer klappen. „Im Homeoffice fehlt oft geeignetes Mobiliar“, warnt Alicia Chanca, Vizechefin des spanischen Verbands für Gesundheit am Arbeitsplatz, in einer Pressemitteilung. Nur die wenigsten verfügen zu Hause wohl über einen entspiegelten Monitor, Fußstützen oder einen ergonomischen Stuhl.
Laut einer Stanford-Studie des Wirtschaftswissenschaftlers Nicholas Bloom aus dem Jahr 2015 steigen Arbeitsmotivation und Produktivität im Homeoffice enorm. Viele arbeiten demnach freiwillig länger, sind konzentrierter bei der Sache und wesentlich zufriedener mit ihrem Job. Ein weiterer positiver Nebeneffekt sind laut Studie weniger Krankheitstage durch Büroviren. Davon abgesehen kann sich die Arbeit zu Hause auch auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf günstig auswirken. „El País“ sieht noch einen weiteren Vorteil: Telearbeit könne den Berufsverkehr reduzieren und sei daher angesichts des Klimawandels eine sinnvolle Alternative zum Firmenbüro, schreibt die Zeitung.
Nicht jeder kommt problemlos damit klar, dass Strukturen wegfallen, die sonst der Büroalltag automatisch vorgibt. Wer nicht gewohnt ist, sich einen eigenen Arbeitsrhythmus zu kreieren, fühlt sich womöglich überfordert und verbringt seinen Tag im Schlafanzug vor dem PC oder erliegt den Ablenkungen durch Kühlschrank und Netflix. „Es sind keine Ferien. Daher ist es wichtig, sich genauso auf den Job vorzubereiten, als wenn man ins Büro geht und sich an feste Abläufe und Pausen zu halten“, rät Alicia Chanca. Gerade wenn Kinder im Haus sind, entstehe sonst schnell das Gefühl, nichts wirklich zufriedenstellend erledigen zu können. Wer von zu Hause arbeitet, muss außerdem auf den täglichen Kaffeeplausch mit Kollegen verzichten. Ohne dieses soziale Schmieröl befällt manch einen in der heimatlichen Isolation nach einiger Zeit ein Lagerkoller. Auch der berufliche Kontakt beschränkt sich meist auf Mails und knappe Telefonate. „Es fehlt die persönliche Kommunikation mit Chef und Kollegen, die Mitarbeit an Projekten wird schwieriger und es gibt weniger positives Feedback“, erläutert Chanca. Und dies kann sich langfristig sogar negativ auf die Karriere auswirken, wie Jochen Mai im Berufsportal „Karrierebibel“ schreibt. So würden Chefs die deutlich bessere Leistung der Heimarbeiter oft nicht wahrnehmen. Die Folge: Sie bekommen seltener eine Gehaltserhöhung und werden weniger oft befördert als ihre Kollegen vor Ort.
Auch wer nach Abwägung aller Vor- und Nachteile überzeugt ist, dass die Telearbeit die bessere Alternative für ihn persönlich wäre – ein Anrecht darauf gibt es nicht. Der hiesige Gesetzgeber empfiehlt in Coronazeiten lediglich, zu Hause zu arbeiten, um Angestellte vor Ansteckung zu schützen und Unternehmen am Laufen zu halten.
Sowohl das spanische als auch das deutsche Arbeitsrecht beinhalten generell kein Recht auf Heimarbeit. Auf der anderen Seite darf ein Arbeitgeber einen Mitarbeiter aber auch nicht gegen dessen Willen nach Hause versetzen. Der Angestellte müsse seine Zustimmung geben, schreibt die spanische Zeitung „La Vanguardia“.