Ein Schwarm weißer Kuhreiher flattert aufgeregt übers Feld, als Lars Ranzenberger mit seinem Ultraleichtfluggerät in Richtung Startbahn rollt. Wenig später landen die Vögel wieder, während Ranzenberger mit seinem Trike abhebt. Bis zu 300 Meter über Grund darf der 52-Jährige aus Cala Santanyí mit dem motorisierten, 125 Kilo leichten, Drachen fliegen. „Das ist das Tolle an so einem ‚Skycruiser’, man ist nah genug über dem Boden, um die Geheimnisse der Insel mit bloßem Augen zu entdecken“, schwärmt Ranzenberger, der der einzige Deutsche auf der Insel ist, der ein derartiges Ultraleichtflugzeug sein Eigen nennt. Neben der Schönheit der Küste und den wilden Formationen des Tramuntanagebirges, faszinieren ihn vor allem sogenannte „Lost Places“, verlassene Orte, die die Natur langsam zurückerobert. „Man glaubt gar nicht, wie viele Fincas in bester Lage einfach verfallen! Das sieht man durch die meist hohen Mauern und die einsame Lage von unten nicht. Oder ein anderes Beispiel: Die ehemalige Stierkampfarena von Felanitx! Von oben entdeckt man, dass mitten in der Arena heute Bäume gen Himmel wachsen“, erzählt Ranzenberger. Dank seiner Leidenschaft für die Fotografie kommen auch die am Boden Gebliebenen in den Genuss seiner Aufnahmen von oben. Viele davon veröffentlicht er auf seinem Facebook- Profil.
Für Lars Ranzenberger ist das Fliegen jedoch mehr als nur ein Hobby. „Es ist auch meine Inspiration“, sagt er, denn sein Geld verdient er mit seiner Firma „InterLED“ als Lichtdesigner. Ob Innenräume, Gärten, Fassaden oder Pools – Ranzenbergers Mission ist es, die Objekte seiner Kunden ins optimale Licht zu setzen. Um ein besseres Gefühl für das zu beleuchtende Anwesen zu bekommen, überfliegt der Designer zunächst einmal gerne sein Arbeitsfeld und macht von oben Aufnahmen in Weitwinkelperspektive. Sein neuester Clou in der Beleuchtung: „StarUp“, Pools, die aussehen, als würden Sterne darin funkeln. „Mithilfe von Glasfaser-Lichtwellenleitern projizieren wir Hunderte Lichtpunkte vom Poolboden an die Wasseroberfläche. Wenn man nachts in den Pool eintaucht, hat man die Sterne unter sich und über sich – näher kann man dem Universum nicht kommen“, findet Ranzenberger. Tagsüber sehe es dagegen aus, als würden Diamanten am Poolboden liegen.
Die Reflexionen des Lichts auf dem Meer, die Ranzenberger beim Fliegen beobachtet, inspirieren den Wahlmallorquiner, der eigentlich aus Sandhausen bei Heidelberg stammt, immer wieder neu. „Und die Musik! Von Neil Diamond bis Heavy Metal höre ich beim Fliegen alles Mögliche“, sagt er. Heavy Metal kommt dabei nicht von ungefähr: Bis 2011 war Ranzenberger unter dem Künstlernamen „Lars Ratz“ als Profimusiker weltweit unterwegs. Unter anderem hat er dreimal mit seiner Heavy-Metal-Band „Metalium“ auf dem berühmten Wacken Open Air gespielt.
„Tatsächlich ist der kreative Prozess bei der Gestaltung eines Pools mit Sternenlicht-Effekten ähnlich wie in der Musik. Wie bei Noten ergibt nur das Zusammenspiel aller Punkte ein Gesamtkunstwerk“, weiß Ranzenberger. Um dieses Ziel zu erreichen, müsse er selbst absolut in seiner Mitte und durch und durch positiv gestimmt sein. Eine tägliche Meditation sowie der Blick in die Sterne helfen ihm dabei; und wenn es um die Gestaltung eines neuen Sterne-Pools geht, sitzt Ranzenberger schon einmal auf dem Boden inmitten des leeren Beckens, um mit erhobenen Armen Kontakt zum Universum aufzunehmen. „Wenn ich dann weiß, an welcher Stelle ein Lichtpunkt entstehen soll, werden kleine schwarze Halter aus Plastik im Fundament einbetoniert. Später lassen sich daran die Lichtwellenleiter befestigten. Ein Projektor schickt letztlich das Licht durch die Stäbe, wodurch der Sternenfunkel-Effekt entsteht“, erklärt Ranzenberger.
Und nach getaner Arbeit hebt der Lichtdesigner, der seinen Lebensmittelpunkt 2006 nach Mallorca verlegte, ab. Fast jedes Wochenende holt er sein Trike aus dem Hangar am Rande des Flugfeldes Es Cruce im Osten der Insel, gleich neben der Schnellstraße, die Manacor und Villafranca verbindet. Staus bei Start und Landung seien unbekannt. „Es gibt nur wenige Ultraleichtflieger auf Mallorca. Und die verteilen sich auf drei Flugplätzen auf der Insel. Im Moment sind es insgesamt vielleicht 40 oder 50, aber nur vier fliegen so ein Trike wie ich“, sagt er.
Und während eine Gruppe Flieger aus Binissalem, die zum Kaffeetrinken auf dem Flugplatz vorbeigeschaut hat, wieder abhebt, blickt Ranzenberger glücklich und friedvoll in den Himmel: „Manchmal segeln sogar Milane im Wind mit uns“, sagt er, als die Flieger langsam in der Ferne verschwinden. Die Greifvögel seien sehr neugierig und guckten mit geringer Entfernung gerne, welche wundersamen Flugobjekte in ihren Lebensraum eindringen. Aggressiv seien die Tiere nicht. Wer weiß: Vielleicht haben sie sogar Verständnis für jeden, der die Schönheit Mallorcas auch mal aus der Vogelperspektive erleben will.