Die Aufsichtsbehörde auf Mallorca, die dem balearischen Umweltministerium angegliedert ist, hat die Betreiber der Kläranlage von Palma jahrelang Abwasser ins Meer einleiten lassen ohne jemals Strafen zu erheben, wie sie von Rechts wegen angebracht gewesen wären. Zu diesem Ergebnis kommt ein umfangreiches Polizeigutachten der Naturschutzabteilung der Guardia Civil (Seprona), das nach einem Bericht der spanischen MM-Schwesterzeitung Ultima Hora vom Sonntag nun dem Ermittlungsgericht vorgelegt wurde.
Darin bringen die Zivilgardisten massive Kritik an der balearischen Umweltbehörde vor. Obgleich sie nachweislich sei Jahren Kenntnis von den Vorfällen hatte, sei sie nicht eingeschritten.
Auf Mallorca ist es kein Geheimnis, dass die Kläranlage an der Bucht von Palma nach Regenfällen überläuft und daraufhin ungeklärtes Abwasser ins Meer gelangt. Auch im Falle von Betriebshavarien ist es zu solchen Vorkommnissen im westlichen Bereich der Playa de Palma beim Mündungsgebiet des Torrente Gros gekommen. Die Stadt Palma lässt daraufhin stets für ein bis mehrere Tage die Strände absperren, bis sich der eingetragene Dreck im Meer so weit verdünnt hat, dass die Wasserproben wieder die Unbedenklichkeit des Badens ausweisen.
Es ist auf Mallorca ebenso bekannt, dass die Kläranlage, die von Palmas städtischen Entsorgerbetrieb Emaya geleitet wird, mit den Jahren veraltet und zu klein ist. Derzeit wird dort ein Auffangbecken für die Straßenkanalisation errichtet, um bei Niederschlägen das Regenwasser aufzufangen und so ein Überlaufen der Kläranlage zu unterbinden.
In dem Bericht der Guardia Civil heißt es: "Aus den Aufzeichnungen von Emaya geht hervor, dass zwischen 2003 und 2014 mehr als tausend Einleitungen von unbehandeltem Wasser vorgenommen wurden, und zwischen 2014 und 2018 kamen weitere 220 Episoden hinzu, wodurch die Gefahr einer ernsthaften Schädigung der Wasserqualität im Meer, der menschlichen Gesundheit potenzieller Badegäste und des Ökosystems, das die die Bucht beherbergt, besteht."
Die Folgen: Zwischen 1989 und 2012 haben sich die für die Fauna lebenswichtigen Posidonia-Seegraswiesen um 205 Hektar verringert. Die Einleitung von Fäkalienwasser, Kleinstplastikabfällen und Reinigungsmitteln ins Meer haben den unter Naturschutz stehenden Pflanzenteppich verwüstet, wie die Seprona-Mitarbeiter durch zahlreiche Tauchgänge und Messungen unter Wasser feststellen konnten. Ihre abschließende Schlussfolgerung fällt verheerend aus: Die Aufsichtsbehörde im Umweltministerium habe sich absolut passiv verhalten.
Dies gilt dem Bericht zufolge aber nur für Palma. Denn die ministeriellen Mitarbeiter haben andernsorts auf der Insel sowie auf Menorca und Ibiza sehr wohl Sanktionen und Geldstrafen verhängt, wenn es bei anderen Kläranlagen zu Einleitungen von Fäkalgewässern kam.
Das Umweltministerium argumentierte dem Gutachten zufolge seinerseits, es habe nicht den Konflikt unter den Institutionen durch Geldbußen verschärfen wollen, sondern auf Zusammnarbeit gesetzt, um für die Problematik zu Lösungen zu gelangen.
Die wiederholten Einleitungen und Strandschließungen hatten zuletzt zu Anzeigen von Anwohnervereinen gegen Emaya und das Rathaus von Palma geführt. Auch der Verband der Freizeitsegler hatte im Mai 2019 geklagt, weil die Bootsbesitzer sich zu Unrecht als die Schuldigen für das Posidonia-Sterben an den Pranger gestellt gesehen hatten. Ihnen wurde vorgeworfen, mit ihren Ankerketten das empfindliche Seegras samt Wurzeln aus dem Boden zu reißen. "Das ist nun der Beweis, das die Aufsichtsbehörde sich gar nicht für das Seegras interssiert", konstatierte der Sprecher des Segelverbandes Gabriel Dolç.
Die Klage des Verbandes hatte letztlich die Ermittlungen der Seprona-Polizeieinheit angestoßen. Das Gerichtsverfahren um die Fäkalwassereinleitungen geht weiter seinen Gang.
Protest von Playa-Anwohnern im Jahr 2018 vor dem Rathaus von Palma gegen die immer wieder vorkommende Einleitung von Fäkalgewässern in der Bucht von Palma. Foto: Jaume Morey