Was gibt es Schöneres, als mit Wohlgefallen etwas zu betrachten, das wie aus dem Ei gepellt aussieht? Im bei Deutschen traditionell beliebten Ferienort Cala Rajada sieht der vor ziemlich genau einem Jahr vom Wintersturm „Gloria” völlig zerstörte Uferweg vom Hafen zum lauschigen Ministrand Cala Gat inzwischen so unbefleckt aus, als wäre dort nie etwas Schlimmes passiert. Und topfeben liegt daneben das Mittelmeer, kaum ein Lüftchen bewegt sich, die Wintersonne brennt einem ins Gesicht.
Die formschönen Steine auf dem Uferweg beeindrucken die wenigen Passanten sichtlich, moderne, geradezu schnittige schwarze Lampen wurden alle paar Meter platziert. Die teils metergroßen Betonbrocken, die hier Anfang 2020 überall wild verstreut herumlagen, nachdem der Sturm „Gloria” die Wellen zu kleinen Bergen aufgepeitscht hatte, sind nur noch ein kaum vernehmbarer Widerhall im Gedächtnis.
Auch im schnuckelig-malerischen Hafen von Cala Rajada wurde alles ausgebessert, was letztendlich ausgebessert werden musste. Hier im äußersten Nordosten hatte „Gloria” ebenfalls gnadenlos zugeschlagen, im Hafenbecken war der Anlegebereich schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Ungeachtet von Kritik wegen der nur langsam voranschreitenden Wiederinstandsetzung ist der zuständigen Gemeinde Capdepera letztendlich ein großer Wurf gelungen. Die ersten Touristen, die irgendwann in diesem Jahr hereinschneien werden, erwartet eine durch und durch runderneuerte Ufergegend.
Auch wenige Kilometer entfernt, im schmucken Dörfchen Artà, wurde einiges bereinigt. Aber das, was hier gemacht wurde, stieß auf breite Ablehnung: Die seit Jahrzehnten zum Orts-Inventar gehörenden vielen alten, schattigen und auffallend hohen Kiefern an der Durchfahrtstraße Avenida Costa i Llobera sind weg, der Charme dieser unweit vom Bahnhofsgebäude gelegenen Zone ist einem kahlen Zustand gewichen.
Die immerhin 38 beeindruckenden Bäume waren im Oktober 2020 abgeholzt worden, die Gemeinde begründete die drei Wochen dauernde Aktion damit, dass herabfallende Äste Fußgänger hätten verletzen können. Einige der Bäume seien so wackelig gewesen, dass sie jederzeit ganz umstürzen hätten können, hieß es damals. Bereits im Jahr 2018 waren in der Gegend die ersten 75 Kiefern abgeholzt worden.
Weiter oben in Artà, auf dem von alten Burgmauern umgebenen Pilgerhügel Santuari de Sant Salvador, sieht dagegen alles so wie immer aus, nur dass es coronabedingt erheblich leerer als ehedem ist: Kaum ein Mensch blickt von den steinernen Zinnen in die Ferne in die Mittelmeerlandschaft, an der fast unendlich langen Treppe nach oben schneiden einige einsame Mitarbeiter der Gemeinde Sträucher zurecht.
Was die verwinkelte mittelalterliche Burganlage angeht, so entschied jüngst das höchste balearische Gericht, das Tribunal Supremo, einen ewigen Streit zwischen Kirche und Gemeinde um die Besitzrechte. Die auf etwa 2000 Quadratmeter liegenden Innenhöfe, Wege und Mauern sind jetzt ganz offiziell öffentliches Land. Diese Entscheidung habe Signalwirkung auf ganz Spanien, freute sich Artàs Bürgermeister Manolo Galán nach der Bekanntgabe des historisch wichtigen Urteils vor einigen Tagen.
Der sozialistische Lokalpolitiker setzte sich auch mit seinem Bestreben durch, einen von der Balearen-Regierung in den vergangenen Jahren mit Nachdruck vorangetriebenen Campingplatz auf der nahegelegenen öffentlichen Finca Es Canons zu verhindern. Nach Protesten von Seiten der Umweltschützer und des Rathauses von Artà ging man in Palma zähneknirschend auf Abstand zu dem zuvor mit Leidenschaft propagierten Projekt in lauschig-stiller Umgebung. Dort sollten Camper die Möglichkeit bekommen, in einem teils bewaldeten Areal sogar auf das weite Meer hinauszublicken. Tot ist das Vorhaben laut dem balearischen Umweltministerium allerdings nicht, es wurde lediglich „geparkt”. Ursprünglich war sogar ein großflächiger Parkplatz auf dem für acht Millionen Euro gekauften Gelände vorgesehen gewesen, was besonders Umweltschützer zur Weißglut trieb.
Die Veränderungen im Insel-Nordosten dürften die coronabedingt lange abwesenden Fans dieser Insel-Ecke teils negativ und teils positiv überraschen. Dennoch: Die ganz eigene urtümliche Seele dieser grünen und schön hügeligen Gegend blieb unverändert.
(aus MM 6/2021)