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So erfinden sich Deutsche und Einheimische während der Corona-Krise neu auf Mallorca

Thomas und Heike Niemeier begegneten der Pandemie kreativ mit Streaming und Pilates im Freien. Die in heutigen Zeiten so wichtigen Abstände werden durch feste Trainingsbereiche genau eingehalten.

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Die Pandemie hat etliche Lebenspläne durchkreuzt, viele Menschen kämpfen um ihre wirtschaftliche Existenz, besonders auf Mallorca. Jede Krise bietet auch Chancen, heißt es. Im Internet findet man dazu Tipps und Strategien. Aber wie setzt man diese in die Praxis um?

Der Plan von Joana Llull war, nach Deutschland zu ihrem Freund zu ziehen, ihr Deutsch zu verbessern und dann im Bereich Personalrecht zu arbeiten. Die Mallorquinerin ist Juristin. Im Januar 2020 kam sie in Hamburg an. Sie belegte einen Deutschkurs und begann, in einer Cafeteria zu jobben. Alles lief prima, bis Corona kam und Kurzarbeit. „Wir waren viel zu Hause und schauten aus dem Fenster”, erzählt die 28-Jährige. Im Hauseingang gegenüber sahen sie eine Gemüsebox mit der Aufschrift „Hello Fresh” stehen. „Neugierig googelten wir und sahen, dass es ein Lieferdienst für Lebensmittel nach Rezept ist. Es gibt verschiedene Rezepte zur Auswahl. Man sucht sich aus, was man mag, und erhält dazu die passenden Zutaten.” Sie probierten es aus und waren begeistert. „Plötzlich kam uns eine Idee: Würde so etwas auch auf Mallorca funktionieren?” Sie machten eine Marktanalyse, entschieden: Ja. Und sie kehrten zurück auf die Insel, um ihre eigene Firma „Medifresco” zu starten. „Wir wollen noch nachhaltiger arbeiten, ohne Plastik in der Verpackung, und so weit wie möglich mit lokalen Produkten”, betont Joana Llull. Zum Team gehört auch Pere Rotger, Küchenchef eines Restaurants in Alcúdia. Er stellt die Rezepte zusammen. Pro Saison werde es 80 Rezepte geben, mallorquinische und spanische, aber auch türkische, orientalische und südamerikanische. „Pere ist viel gereist.” Jetzt arbeiten sie daran, ihr Eigenkapital mit Fördermitteln für junge Unternehmer aufzustocken. In zwei Monaten soll es losgehen.

Ohne die Pandemie wäre sie nicht auf die Idee gekommen, sich selbstständig zu machen, meint Joana Llull. „Ich wollte als Anwältin arbeiten, aber durch Corona war das sehr schwer.” Umsonst sei das Jurastudium jedoch nicht gewesen. Sie kümmere sich um alles Rechtliche. Die Gesellschaft gründe sie ganz alleine. Alles, was sie gelernt habe, könne sie einbringen. Leicht werde es nicht werden. Ihre Geschäftsidee sei auf der Insel neu. Aber sie hoffe, dass sie gut ankomme. „Unsere Gerichte sind sehr lecker.”

Als letzten März die Ausgangssperre kam, habe er gedacht, dass nach ein paar Wochen alles wieder vorbei sein würde, erinnert sich Thomas Niemeier, der mit seiner Frau Heike das Pilates-Studio „Via Vitale” in Peguera führt. „Aber Heike hat gleich gespürt, was auf uns zukommt. Und da haben wir ganz schnell reagiert und innerhalb von ein paar Tagen Pilates-Livestreams vom Wohnzimmer aus gemacht.” Die soziale Komponente sei auch wichtig gewesen, nicht nur das Training, fügt Heike hinzu. Man habe die Kunden regelmäßig über Zoom gesehen und ihnen gesagt: „Ihr seid nicht allein. Wir sind alle im selben Boot.” Thomas stellte Links mit Installationsanweisungen bereit für diejenigen, die mit der Technik nicht vertraut waren, und wies sie ein. Parallel begannen sie mit Einzeltraining über Skype und luden Trainingsvideos auf ihre Webseite, damit jeder auch nach eigenem Zeitplan trainieren konnte. „Wir waren überrascht, wie gut man online Unterricht geben kann”, meint Heike. Bei Pilates komme es auf Kleinigkeiten an. Deshalb hätten sie nicht gedacht, dass man auch online jeden korrigieren könne, aber es funktioniere prima. Und das war nicht die einzige Entdeckung. Als der Lockdown im Mai gelockert wurde, richteten die Pilateslehrer neben ihrem Studio eine Außentrainingsfläche mit festen Trainingsplätzen ein. Das sichere den Abstand zwischen den Teilnehmern, betont Heike. Jede Stunde wurde live gestreamt. „Wir haben gemerkt, wie schön es ist, im Freien Pilates zu machen.” Früher wären sie gar nicht auf den Gedanken gekommen, draußen zu unterrichten. Jetzt täten sie es ausschließlich und es komme sehr gut an. Auch wenn Corona hoffentlich irgendwann einmal vorbei sei, werden sie die Veränderungen beibehalten, meint Thomas. „Wir haben unser Angebot erweitert.” Seine Lektion aus der Pandemie ist: „Schau’ nicht so weit in die Zukunft. Wir wissen nicht, was in sechs Monaten sein wird. Überlege, was Du jetzt tun kannst. Und setze Dir neue Ziele.”

18 Jahre lang leitete Ania Bellver ein Restaurant in Portocolóm. Genuss und Lebensfreude durch leckeres Essen mit Blick aufs Meer, Livemusik und Tanz, dafür zu arbeiten habe ihr selbst immer viel Freude bereitet, sagt die Mallorquinerin. Dann kam Corona, der Lockdown und die neue Normalität. Kaum staatliche Hilfe bei gleichbleibenden Kosten und Einnahmeausfall. Sie hätte den Pachtvertrag noch um ein Jahr verlängern können, aber Ende des Sommers habe sie die Schlüssel abgegeben. Ihr neues Leben dreht sich um die Natur und die Musik. „Das sind die beiden wichtigsten Dinge für mich”. An Ideen fehlt es nicht. Bei Felanitx hat Ania Bellver eine 5000 Quadratmeter große Finca gekauft. Darauf steht ein kleines Häuschen. Sie sei auch Schreinerin und werde es ökologisch renovieren mit Naturmaterialien, Solarenergie und Komposttoilette und als Showroom nutzen. Denn sie wolle ihre Dienste Menschen anbieten, die ein Häuschen auf dem Land als Feriendomizil oder zum Wohnen nutzen wollten, aber nicht so viel Geld hätten. Ein kleines Haus spare Energie, natürliche Ressourcen und Geld. Eine Domain habe sie schon, tinyhousemallorca.com. „Man braucht keine 600-Quadratmeter-Villa, um glücklich zu sein. Der Kontakt mit der Natur ist das Wertvolle.” Das wolle sie den Menschen vermitteln. Und sie hat noch zwei weitere Ideen: So gestalte sie einen Kleinbus um, damit darin vier Personen übernachten können. Damit wolle sie Touren für Kletterer anbieten. Verpflegung inklusive. Ihr Mann sei Kletterer und kenne die schönsten Stellen auf der Insel. Das dritte Projekt: Ania Bellver hat 150 Kopfhörer gekauft. Damit wolle sie, sobald es erlaubt ist, in der Natur „Silent Discos” organisieren. Das sind Veranstaltungen, bei denen die Musik nicht über Lautsprecher, sondern über Funkkopfhörer angehört wird. Musik werde immer öfter als Krach angesehen und verboten. „Mit den Kopfhörern können wir Abstand halten, stören die Umwelt nicht und haben wieder Freude.”

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