Die Grafik zeigt, wie 2030 die ersten blauen Flecken auf die Insel schwappen. In der Bucht von Alcúdia, im Albufera-Nationalpark, in dem es zahlreiche Kanäle und Seen gibt, steigt der Meeresspiegel bis zu diesem Jahr deutlich an. In der Animation kommt es zu Überschwemmungen, die sich auf angrenzende Felder ausweiten. 2020 war in dieser Gegend noch deutlich weniger blau zu sehen, genauso wenig wie auf dem Kartenmaterial von 2010 bis 2000. Doch in den kommenden neun Jahren könnte viel mehr Meerwasser als üblich ins Landesinnere im Norden Mallorcas gelangen.
Das ist eine Prognose, wohlgemerkt. Das mallorquinische Unternehmen Trueworld stellt sie auf seiner Internetseite dar. Besucher können sich an jeden Ort der Welt scrollen und für diese Klimadaten wie Luftqualität, Temperatur, CO2-Ausstoß oder eben die Höhe des Meeresspiegels abrufen. Trueworld wertet dafür Daten des Weltklimarats, Aufnahmen von Satelliten und Wetterdiensten aus. Die Firma stellt das Material kostenfrei zur Verfügung: Jeder soll sich anschauen können, wie die Welt bis 2100 aussehen könnte. Und verstehen, was der Klimawandel voraussichtlich anrichten wird.
Denn die Auswirkungen sind diesen Sommer präsenter denn je: In Griechenland und Italien brannten Wälder, an der Westküste der Vereinigten Staaten herrschten Temperaturen um 50 Grad, in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz riss die Jahrhundertflut ganze Siedlungen weg, hunderte Menschen starben. Sie zählen wohl zu den 150.000 Toten jährlich, die Trueworld mit Verweis auf den Klimawandel angibt.
Nicht nur im Mittelmeer sondern in allen Gewässern steigt der Pegel, schreibt Trueworld neben der Grafik. Die Faktoren sind: Wenn es immer wärmer wird, schmilzt das Eis an den Polen sowie den Gletschern und das Wasser gelangt in die Meere. Das mache das Leben an Küsten gefährlicher, weil Stürme Überflutungen verursachen und Zerstörungen anrichten könnten. Zudem könne der höhere Meeresspiegel das Ökosystem aus dem Gleichgewicht bringen.
Was Mallorca betrifft, bleibt der Albufera-Naturpark nicht der einzige Ort der Insel, an dem Überschwemmungen wahrscheinlicher werden. 2050 sind auch die Bucht von Pollença und Port de Pollença mit einem blauen Streifen überzogen: Dort könnten die Küstenstraße und das Hinterland überspült werden. Auch die Playa de Palma ist von Mitte des Jahrhunderts an in Blau getunkt.
15 Mitarbeiter sind bei Trueworld fest tätig, bis zu 25 weitere arbeiten der Firma zu. Sie sind Biologen, Ingenieure, Marketingstrategen. Manche pflegen Daten ein, andere designen die Weltkugel, die der von Google Earth gleicht. Erst seit Oktober vergangenen Jahres gibt es Trueworld. Es gilt als Start-up, also ein junges Unternehmen, das aufgrund seiner Geschäftsidee gute Aussichten auf Wachstum hat.
Das Ziel der Mallorquinern ist, Firmen zu beraten, wie sie nachhaltiger werden können, etwa wie sie weniger Energie verbrauchen. Manche Unternehmen müssen gewisse Normen einhalten und sind auf genaue Auswertungen angewiesen. Wer ein Gebäude bauen will, egal ob als privater oder öffentlicher Investor, kann Trueworld zurate ziehen, welcher Standort geeignet sei. Wie sind Luftqualität und Temperatur? Drohen dort in den nächsten Jahren Überschwemmungen?
Einer der beiden Gründer von Trueworld heißt Marco Mendoza. Er ist Geograf, Mallorquiner, 45 Jahre alt und arbeitete zuvor 15 Jahre im Tourismus für verschiedene internationale Firmen. Für den Sitz des Start-ups suchte sich Mendoza das Zentrum von Palma aus. An dem Carrer Catalunya bezog Trueworld in einem Gebäudekomplex eine Etage mit einer Größe von 200 Quadratmetern.
Im Eingangsbereich steht ein Bildschirm, der die Weltkugel auf der Homepage von Trueworld, das übersetzt „wahre Welt” heißt, zeigt. An einer Tafel steht: „Keep it simple”, „Halt es einfach”. An großflächigen Schreibtischen tippen die Mitarbeiter auf ihren Laptops. Gerade geht es darum, Daten des neuen Berichts des Weltklimarats, der im August veröffentlicht wurde, einzupflegen. Auch im Parc Bit, in der Nähe der Universität der Balearen, hat Trueworld ein Büro.
Das Unternehmen benötigt bald mehr Mitarbeiter, sagt Sandra Christiansen, halb Mallorquinerin, halb Dänin und 41 Jahre alt. Sie ist unter anderem für die Pressearbeit der Firma zuständig und postet Neuigkeiten rund um den Klimawandel auf dem Linkedin-Profil. Aber irgendwie mache sie wie die anderen auch von allem ein bisschen.
Um eine Aufgabe muss sich bei Trueworld allerdings niemand kümmern: Auf der Homepage gibt es eine Uhr, die anzeigt, wie viel Zeit noch bleibt, bis sich die Erde um 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter um 1850 erwärmt hat. Zahlreiche Länder haben sich darauf verständigt, dass 1,5 Grad als Obergrenze eingehalten werden. Trueworld zufolge sind es noch elf Jahre und vier Monate, die Uhr tickt von alleine runter. Sie zählt jede Sekunde.