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Der deutsche Architekt, der Mallorca seinen Stempel aufdrückte

Der Entwurf des Gebäudes der Schule Rei Jaume I. in Palma stammt von Carl Hakh. | jm

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Es gehört zu den wenig bekannten Tatsachen aus der mallorquinischen Geschichte, dass ein deutscher Architekt in den 1930er Jahren großen Anteil an der damals regen Bautätigkeit auf der Insel hatte. Der Name Carl Hakh ist weitgehend in Vergessenheit geraten. Genauer gesagt: So richtig gewürdigt wurde sein Beitrag eigentlich noch nie. Lediglich einen knappen Hinweis gibt es auf der Internetseite der Grundschule Rei Jaume I, die in Palma an der Plaça Sa Feixina liegt und im Jahr 1935 eingeweiht wurde. Auch in der Mallorca-Enzyklopädie ist erwähnt, dass er Mitarbeiter von Guillem Forteza war – dem wohl aktivsten Architekten auf der Insel in jenen Jahren. Von Forteza stammen neben dem Marivent-Palast und dem Gebäude der Wein-Kooperative in Felanitx auch die Entwürfe Dutzender Schulgebäude auf der Insel. Es gilt allerdings als erwiesen, dass viele der Pläne, nach denen diese während der republikanischen Jahre errichtet wurden, nicht aus Fortezas Feder stammten, sondern von Carl Hakh.

Denn viele der Projekte unterscheiden sich architektonisch deutlich von früheren Bauwerken Fortezas, die eher dem Regionalisme zuzuordnen sind. Ein radikaler Wandel ist zu beobachten, hin zur modernen, funktionalistischen Architektur nach internationalem Vorbild, zum Rationalismus. Die treibende Kraft dabei aber war nicht Forteza selbst, wie sich herausgestellt hat. Denn dieser war in jener Zeit krankheitsbedingt schon nicht mehr in der Lage, das alltägliche Geschäft in seinem Büro zu führen. Jemand anders muss dahinter gesteckt haben – Carl Hakh, wie viele meinen. Tatsächlich tauchen damals in den Entwürfen aus dem Architekturbüro neue Zeichentechniken auf. Auch ist nicht mehr ausschließlich Fortezas Unterschrift auf den Plänen zu finden, sondern immer häufiger das Kürzel CH. Einflüsse von Architekten aus fernen Ländern sind unübersehbar. Hakh soll es gewesen sein, der die moderne Architektur bei Forteza einführte.

Ganz so, wie es in den wenigen architekturhistorischen Arbeiten, die sich mit dem Thema befassen, dargestellt ist, kann es allerdings nicht gewesen sein. Denn das Ankunftsdatum von Carl Hakh auf Mallorca passt nicht zum Auftauchen der ersten modernen Entwürfe in Fortezas Büro im Laufe des Jahres 1931. So ist im Stadtarchiv Ulm ein Brief von Hakh erhalten, der auf den 6. November 1932 datiert ist und in Palma aufgegeben wurde. Darin berichtet er von seiner kürzlichen Ankunft auf Mallorca und seiner Beschäftigung als „Volontär” bei Forteza. Aus anderen Dokumenten geht hervor, das Hakh noch im Dezember 1931 im Tiefbauamt der Stadt Ulm tätig war. Den Anstoß zur Modernisierung im Schaffen Fortezas muss also jemand anderes gegeben haben. Wer, ist ungewiss. Hakh kann erst im Laufe des Jahres 1932 dazugestoßen sein, vermutlich im September.

Was Hakh dazu bewogen haben mag, im Alter von 41 Jahren seine Heimat zu verlassen und auf Mallorca einen Neuanfang zu wagen, ist nicht zweifelsfrei zu klären. Immerhin war er zuvor jahrelang Gemeinderatsmitglied in seiner Heimatstadt Ulm gewesen und hatte dort auch ein Architekturbüro unterhalten. Zunächst einmal liegt ein politisches Motiv nahe: Hakh war Mitglied der Kommunistischen Partei und könnte schlicht und einfach angesichts der sich zuspitzenden Lage in Deutschland geflohen sein – wie viele seiner Landsleute, die damals auf Mallorca eine neue Heimat suchten. Dazu allerdings passt nicht so recht die Tatsache, dass Hakh auch nach Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges noch mehrere Jahre lang offenbar unbehelligt auf der Insel lebte – ganz im Gegensatz zu vielen seiner Landsleute, die Mallorca nach dem Putsch der franquistischen Truppen Hals über Kopf verlassen mussten. Im Rahmen seiner Entnazifizierung jedenfalls wird Hakh später wegen seiner Mitgliedschaft in der KPD als unbelastet eingestuft.

Denkbar ist auch, dass Hakh schlicht und einfach einen Neuanfang wagen wollte. Seine Ehe war offenbar kurz zuvor gescheitert, wie aus seiner Scheidungsakte hervorgeht. Derzufolge warf ihm seine Frau vor, eine Affäre mit einer Kellnerin angefangen zu haben, die er dann auch nach Mallorca nachkommen ließ, wie es heißt. Hakh selbst schreibt dazu im November 1932: „Ich habe das Ziel vor Augen, mir eine neue Existenz zu schaffen – auch, wenn es in meinem Alter nicht mehr so einfach ist, sich zu verpflanzen.”

Offenbar gelingt es ihm aber ohne große Probleme, auf der Insel beruflich Fuß zu fassen. Zwischen 1933 und 1942 ist Hakh ununterbrochen bei Guillem Forteza angestellt, verdient dort zunächst 3600 Peseten jährlich – bis 1941 steigt sein Gehalt dann auf 9500 Peseten. Offenbar ist Hakh einer von zwei Angestellten des Architekturbüros, die dafür sorgen, dass die Arbeit trotz der nur eingeschränkten Leistungsfähigkeit Fortezas erledigt wird. Hakh ist unstrittigerweise der Autor zahlreicher Pläne, die im Gegensatz zu den vorherigen Gepflogenheiten drei Dimensionen wiedergeben und mit Aquarellfarben ausgestaltet sind. Neben zahlreichen Schulgebäuden auf der ganzen Insel entsteht damals auch die Plaça Francesc Garcia Orell in Palma, auch bekannt als Plaça de les Columnes. Welchen Anteil Hakh nun genau an diesen Bauwerken hatte, lässt sich allerdings nicht mehr rekonstruieren.

Klar ist dagegen, dass er die Insel Ende 1941 relativ unvermittelt verlässt. Offenbar aufgrund persönlicher Beziehungen zum damaligen Rüstungsminister Fritz Todt wird er als Sonderbeauftragter bei der Operation Todt in Frankreich beschäftigt, deren Aufgabe der Bau von Verteidigungsanlagen an der Atlantikküste ist. Dabei kommen auch Tausende spanische Zwangsarbeiter zum Einsatz. Für deren „soziale Betreuung” sei er zuständig gewesen, erinnert sich Hakh später, da er „die spanische Sprache vollkommen beherrschte und die Mentalität dieser Leute kannte”. Dass Hakh Mallorca so abrupt den Rücken zukehrt, mag auch mit einem anderen Ereignis zusammenhängen: Unter ungeklärten Umständen stirbt am 11. Dezember 1941 mit 21 Jahren in Eckernförde Hanns-Dieter, sein einziger Sohn, der dort damals als Marineartillerist eingesetzt war.

Nach dem Krieg kehrt Hakh in seine Heimat zurück und lässt sich in Biberach nieder. Dort engagiert er sich erneut politisch, gründet eine KPD-Ortsgruppe, wird wenig später in den Gemeinderat gewählt und arbeitet als Lehrkraft in der Meisterschule für das Bauhandwerk. Hakh stirbt am 12. April 1950. Nach Mallorca ist er nie zurückgekehrt.

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