Ja, was ist das denn? Angesichts der vielen vollen bis übervollen Stadtbusse in Palma fühlt man sich in der Linie 1 alles andere als bedrängt. Aus unerfindlichen Gründen sind die Passagiere in den Gefährten, die nur einmal pro Stunde von der Straße Sindicat zum Einkaufszentrum Porto Pi fahren, eher dünn gesät. Dabei bewegen sich die Busse parallel zu denen der famosen Linie 4, und das auch noch auf einem schöneren Terrain, dem allseits bekannten Paseo Marítimo.
Den erreicht der Fahrer, der den MM-Emissär am Montag, 17. Januar, bei stahlblauem Himmel mitnimmt, schon wenige Minuten nach der Abfahrt an der Plaça d’Espanya. Der Innenstadtring Avenidas, der Passeig de Mallorca, die Avenida Argentina, und schon glänzt das Hafenwasser unter der Wintersonne. Während eine Passagierin unerwartet gewählt in ein Handy spricht („buen día, estimado señor...”), macht sich ein Geschäftsmann in einem Block irgendwelche Notizen.
Es sind eher gesittete Gäste, die sich in dem Bus aufhalten. Was auch nicht verwundert: Die Linie 1 durchfährt kein einziges Problemviertel, sondern streift anders als die Parallellinie 4 nur gute Gegenden. Santa Catalina, das „Barrio” links und rechts von der Prachtmeile „Jaume III.”, die von Mitgliedern höherer sozialer Schichten bewohnten Mehrfamilienhäuser mit bezauberndem Blick auf den Hafen.
Ganz früher wäre man hier gar nicht durchgekommen, denn den Uferboulevard gab es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gar nicht. Schroffe rötliche und grauschwarze Felsen fielen von Wohngegenden wie El Terreno ins Meer herab, ungehindert klatschten die Wellen an die Küste. Mit dem Bau der Straße ging es 1944 los, in etwa parallel dazu wurde der Hafen ausgebaut. Dabei wurden dem Meer große Flächen abgetrotzt. Ein erstes, zunächst einspuriges Stück zwischen dem Riera-Sturzbach und der Mündung des Torrent Sant Magí weiter westlich wurde bis 1947 fertiggestellt. Stückweise ging es dann über die Jahre weiter, und am 12. Juli 1957 wurde die Straße eingeweiht. Zweispurig wurde der Paseo 1972. Den Bauarbeiten zum Opfer fiel eine kleine Bucht, Can Barbara. Unterhalb des schon vor fast 100 Jahren existierenden Hotel Majorica (heute Catalonia Majorica) stürzten sich früher die Palmesaner in die Fluten, heute schnürt der Paseo den seinerzeit idyllischen Ort ab.
Auch die vielen Wohnhäuser gab es hier ehedem nicht, das Konzerthaus „Auditorium Palma” steht hier ebenfalls erst seit 1969. Letzteres war unter niemand geringerem als dem Stardirigenten Herbert von Karajan eröffnet worden, es bietet 1739 Sitzplätze.
Der Bus rauscht leise auch an diesem vom Unternehmer Marc Ferragut einst finanzierten Bau vorbei, kaum jemand ist auf der relativ kurzen, allemal in 15 Minuten absolvierten Strecke hinzugestiegen. Er soll hier auch gondeln, wenn die Straße, wie vom regierenden Linksbündnis vorgesehen, bald verkehrsberuhigt wird. Nach den stufenförmigen Nazareth-Gärten und den mit hässlichen Graffiti beschmierten Überresten der ehemaligen Diskothek Pacha nähert man sich einem weiteren Etappenziel, dem deutschen Konsulat. Hinter dem Bundesadler kann man in einem gläsernen Bau Pässe beantragen und anderen Bürokratiekram erledigen.
Einige Minuten entfernt davon findet sich das kürzlich renovierte Einkaufzentrum Porto Pi, eine Glitzerwelt mit vielen Geschäften. Es ist die Endstation der Linie-1-Busse.