Die Szene aus einem mit dem Handy aufgenommenen Video ist erschreckend wie verstörend zugleich: Mit einem Golfschläger drischt ein scheinbar tobsüchtig gewordener Mann vor dem Eingang eines Vergnügungslokals an der Playa de Palma immer wieder auf seinen Gegner ein. Selbst als dieser schließlich zu Boden geht, hört der Mann nicht auf, sein mittlerweile wehrloses Opfer mit dem Eisenschläger zu malträtieren. Wenige Tage später wird ein ähnliches Handy-Video in den Medien publik: Eine Horde schwarz gekleideter Muskelmänner liefert sich vor den Türen eines bekannten Biergartens in Arenal eine handfeste Auseinandersetzung mit mehreren jugendlichen Besuchern und verfolgt diese anschließend unter Prügelschlägen durch die anliegenden Straßen.
In beiden, Anfang Juli publik gewordenen Übergriffen handelt es sich bei den Schlägern um sogenanntes Sicherheitspersonal, das von den Betreibern der jeweiligen Vergnügungslokale als Türsteher angeheuert wird, um betrunkene oder randalierende Urlauber im wahrsten Sinne des Wortes das Maul zu stopfen. „Unfassbar”, sagt Inés Ybarra, Präsidentin des balearischen Verbandes der Wach- und Schließgesellschaften beim Anblick der Videos. „Diese Leute sind eine echte Schande für unseren Berufsstand”, fügt die gebürtige Argentinierin wütend hinzu, die seit drei Jahren in Palma ein eigenes Ausbildungszentrum für Angestellte in der privaten Sicherheitsbranche betreibt. „Keiner dieser Leute, die auf den Videos zu sehen sind, dürfte eine Lizenz besitzen, um als Türsteher oder privater Wachmann zu arbeiten. Sie stellen vielmehr eine öffentliche Gefahr dar, wie man auf den Videos ja einwandfrei erkennen kann”, so Ybarra.
Ebenso wie in anderen europäischen Ländern ist das Berufsfeld der privaten Sicherheitsbranche gesetzlich streng reglementiert. Türsteher heißen hier „Controladores de acceso” und benötigen zum Ausüben ihrer Tätigkeit einen Ausbildungsnachweis. Der Kurs dauert 40 Stunden und umfasst neben Erste-Hilfe-Kenntnissen auch pädagogische Verhaltensregeln für den Umgang mit Menschen in betrunkenem oder aggressivem Zustand. Der Ausbildungsnachweis wird zusammen mit einer Lizenznehmer-Nummer von privaten Zentren ausgestellt. „Diese Lizenznummer muss als Identifizierungsnachweis am Körper getragen werden. Das ist Pflicht”, so Ybarra.
Das Tätigkeitsfeld eines Türstehers ist zudem stark begrenzt. Grundsätzlich ist er nur für die Einhaltung der maximal erlaubten Gästezahl eines Etablissements verantwortlich. Zudem kann er Leuten den Zugang verweigern, die aufgrund ihres Zustandes, beispielsweise unter Alkohol- oder Drogen-einfluss, eine Gefahr für die bereits eingelassenen Gäste darstellen. „Die Anwendung von Gewalt ist dabei absolutes Tabu und gesetzlich nur als Selbstverteidigung vertretbar. Droht die Auseinandersetzung zu entgleisen, stehen Türsteher in der Verantwortung, sofort die Polizei zu rufen. Die Verfolgung oder gar Festnahme einer Person ist ihnen untersagt”, erklärt Ybarra. Mit einem Golfschläger auf sie einzudreschen selbstverständlich auch.
Mehr Aktionsspielraum haben sogenannte „Vigilantes de seguridad privada”, also Angestellte von privaten Wach- und Schließgesellschaften, wie die auf Mallorca ansässigen Unternehmen Prosegur, Trablisa, Eulen oder Securitas. „Ihre Basisausbildung ist sehr viel umfassender und dauert rund 350 Stunden. Zusatzausbildungen, beispielsweise zum Tragen einer Schusswaffe oder für die Tätigkeit als Personenschützer sind Extras”, erkärt Ybarra.
Nach bestandener Prüfung erhalten die Wachleute einen von Mallorcas Inselrat ausgestellten Berufsnachweis, die Tarjeta de Identificación Profesional mit Lichtbild, den sie verpflichtend bei ihrer Tätigkeit gut sichtbar zu tragen haben. Privates Sicherheitspersonal untersteht der Nationalpolizei. Es darf im Notfall jemanden mit Handschellen vorläufig bewegungsunfähig machen, muss die Person jedoch anschließend unverzüglich der Polizei melden und überstellen. Die Anwendung von Gewalt ist ihnen, abgesehen in Form von Selbstverteidigung, verboten. So weit die Theorie.
„Tatsache ist, dass es an der Playa de Palma hinsichtlich der Einhaltung von gesetzlichen Bestimmungen für privates Sicherheitspersonal wie im Wilden Westen zugeht”, meint Inés Ybarra. Viele Vergnügungslokale engagierten breit gebaute Bodybuilder als hauseigene Sheriffs, die allein ihrer Statur wegen aufmüpfige Besucher einschüchtern sollen. „Eigentlich ist die Polizei dazu verpflichtet, Türsteher in regelmäßigen Abständen auf deren Legitimität zu kontrollieren. Doch sowohl Lokal- als auch Nationalpolizei scheinen kaum ein Interesse daran zu haben, die meist ausländischen "Gorillas" nach ihrer Lizenz zu fragen.
„Wir haben aktuell keine Anzeigen gegen private Sicherheitsangestellte wegen Körperverletzung oder gewalttätigem Handeln vorliegen”, erklärte ein Beamter der Lokalpolizei in Arenal auf MM-Anfrage. Noch bedeckter hielten sich die Betreiber des Vergnügungslokals in der Schinkenstraße, aus dem die in dem Video zu sehende Schlägertruppe stammen soll. „Alle unsere Mitarbeiter sind ordnungsgemäß bei der spanischen Sozialversicherung angemeldet”, erklärte einer der Türsteher. Eine Identifizierung als solcher trug er allerdings nicht. „In anderen Ferienorten wie Magaluf oder Ausgehvierteln von Palma wie Santa Catalina beschäftigen Lokalbetreiber ausgebildetes Sicherheitspersonal. An der Playa de Palma genießen Türsteher dagegen scheinbar absolute Immunität”, sagt Ybarra.