Es riecht nach Autoabgasen, verbranntem Gummi, altem Öl und 20 Jahren auf dem Meer, als wir auf einer der steilen Heck-Rampen mitten hinein in den brummenden Stahlbauch der Ciudad de Granada fahren. Seit zwei Jahrzehnten transportiert die Fähre Lastwagen, Privatfahrzeuge, Container und Palettenwaren jeglicher Art zwischen den Balearen und dem spanischen Festland. Sie ist eine von fünf Fähren der Trasmed-Flotte im westlichen Mittelmeer, die 2021 von der italienischen Transportreederei Grimaldi mit Sitz in Neapel aufgekauft wurde. Zusammen mit ihren vier Schwesterschiffen verbindet die Ciudad de Granada täglich auf unterschiedlichen Routen Valencia und Barcelona mit Palma und Ibiza. „Im vergangenen Jahr haben wir über eine Million Passagiere, Lastwagen und Pkw befördert”, sagt Reederei-Sprecher Miguel Pardo, rund 21 Prozent mehr als das Jahr zuvor.
Trotz dieser Wachstumszahl ist das Fähren-Business keinesfalls ein Selbstgänger, sagt er. Aufgrund steigender Kosten bei bleibenden Preisen sei eher das Gegenteil der Fall. Und noch schlimmer ist: 2024 treten die europäischen Gesetzesvorgaben zur drastischen Senkung umweltschädlicher Emissionen für die kommerzielle Schifffahrt in Kraft.
Will heißen: Wer beim Fahren auf dem Meer Dreck und Abgase in die Luft oder ins Wasser pustet, muss je nach Schweregrad sogenannte Emissionszertifikate kaufen, eine Art steuerliche Ablasszahlung für die begangene Umweltsünde. Aus diesem Grund greifen Fracht- und Fährgesellschaft aktuell tief in die Tasche, um ihre Schiffe für die in Zukunft vorgeschriebenen maximalen Emissionswerten umzurüsten, oder zumindest um die aktuellen Abgaswerte stufenweise zu reduzieren.
„Grimaldi hat nach dem Kauf der Trasmed-Flotten angefangen, alle unsere Schiffe zu modernisieren”, sagt Unternehmenssprecher Pardo. Die Ciudad de Granada sei hierfür ein gutes Beispiel. Rein äußerlich habe die Fähre bereits zwei Jahrzehnte auf dem Kiel, in ihrem Inneren komme jedoch zeitgemäße Schiffstechnik zum Einsatz.
Um den Schwefeloxidausstoß der Triebwerke um fast 90 Prozent zu senken, wurde das Schiff mit sogenannten „Scrubbern” ausgestattet, welche die Abgase mit Meerwasser reinigen. Zudem wurde eine Wasserwiederaufbereitungsanlage an Bord installiert, um Klärwasser nicht mehr ungefiltert ins Meer fließen zu lassen.
Doch von all diesen Neuerungen in Sachen Nachhaltigkeit bekommt der Normalo-Passagier nichts mit. Anders sieht es hinsichtlich der Unterkunft an Bord aus. So kann man auf der Ciudad de Granada die Überfahrt mittlerweile in sogenannten Deluxe-Kabinen verbringen, was insbesondere auf den Nachtfahrten zu empfehlen ist. Immerhin ist eine Festland-Autofähre zwischen sieben und neun Stunden unterwegs.
Mittlerweile hat uns Fährkapitän Alfredo García auf die Kommandobrücke geladen, um von dort aus das Ablegemanöver zu bestaunen. Der aus Asturien stammende Spanier hatte Schiffstechnik studiert und dann die Berufsausbildung als kommerzieller Schifffahrtskapitän eingeschlagen. Seit drei Jahren ist er für die Grimaldi-Gesellschaft tätig, solange hat er auch an Bord der Ciudad de Granada bereits das Sagen. „Das Ablegen im Hafen ist grundsätzlich einfacher als das Anlegen”, sagt García. Doch sowohl für das eine als auch das andere Manöver benötigt der Kapitän einen Lotsen, um ihn bei der Steuerung durch die Hafen nahen Gewässer zu begleiten. Schließlich handelt es sich bei der Ciudad de Granada nicht um eine Segeljolle. Über 172 Meter ist sie lang, knapp 26 Meter breit und fast doppelt so hoch, ein Koloss aus rund 27.000 Tonnen Stahl.
Kapitän Alfredo García lässt sich beim Ablegen davon nicht beeindrucken, mit ruhiger Hand bedient er die Hebel für die Seitenmotoren am Außensteuerstand, Zentimeter um Zentimeter entfernt sich die Fähre wie in Zeitlupe von der Mole, bis sie schließlich im freien Wasser mit etwa fünf Stundenkilometern aus dem Hafen läuft.
Sieben Decks unter García und seinen Offizieren auf der Brücke liegt das Reich von Maria Peña López. Die knapp 30-jährige Spanierin ist eine der jüngsten Maschinisten-Offiziere in der spanischen kommerziellen Seefahrt. In ihrem fensterlosen, immerhin klimatisierten Steuerraum überwacht sie anhand einer scheinbar unendlichen Zahl von Knöpfen, Reglern, Anzeigeinstrumenten und Computer-Monitoren die gesamte Triebwerktechnik. Die vier riesigen Dieselmaschinen mit insgesamt etwa 40.000 PS bringen die Fähre nämlich nicht nur auf Fahrt, sondern erzeugen auch den Strom für alle elektrischen Geräte und Apparaturen an Bord.
Ob wir mal kurz einen Blick in den Maschinenraum werfen dürfen? „Claro”, sagt Maria und drückt uns vor dem Öffnen der hydraulisch verriegelten Stahltür einen Hörschutz in die Hand. „Wer ohne ihn da hineingeht, ist nach zehn Minuten für immer taub”, erklärt sie lächelnd vor dem Aufsetzen. In totaler Stille betreten wird den mit Neonlicht beleuchteten Irrgarten aus Rohren, Schläuchen, Stahlblöcken und Kesseln. Bis zu 65 Grad Celsius herrschen hier im Hochsommer.
Die Ciudad de Granada legt den Großteil der Strecke aufs Festland mit 15 Knoten (etwa 28 Kilometer pro Stunde) zurück, bei Vollgas sind knapp 44 km/h drin, dann aber rauschen bis zu 4000 Liter Diesel pro Stunde durch die Einspritzdüsen, dank neuer Öko-Technik liegt der Verbrauch während der Normalfahrt aber bei der Hälfte.
Nach der Maschinenbesichtigung wird es Zeit für eine Stärkung im Bordrestaurant. Zum Preis von knapp 20 Euro erwartet uns dort ein Selbstbedienungsmenü, zur Auswahl stehen verschiedene Salate, Pizza, Nudel-, Huhn-, Fleisch und Fischgerichten, für Vegetarier gibt es Gemüse aus dem Ofen. Die Gerichte sind einfach gestrickt, wer Gourmet-Essen erwartet, wird hier eher enttäuscht.
Nach Kreuzfahrt-Ambiente sieht es dafür schon eher auf dem Sonnendeck aus, wo es sich eine Gruppe von Lastwagenfahrern rund um den kleinen Pool auf Liegestühlen gemütlich gemacht hat. Wir steuern aus diesem Grund die kleine Openair-Bar an, aus deren Boxen Salsa-Musik scheppert. Bei Sonnenschein dürfte dies der beste Platz an Bord sein, Chillen und in der Sonne relaxen klappt hier ganz hervorragend.
„Wer bei uns mitfährt, hat in der Regel ein Auto oder Sattelschlepper dabei”, erklärt Pressesprecher Miguel Pardo. Mit Residentenrabatt kostet eine Hin- und Rückfahrt mit Pkw keine 100 Euro. „Für jemanden, der von Mallorca aus, einen Kurztrip aufs Festland machen will, sind unsere Fähren erste Wahl. Es gibt keinen Stress beim Ein- und Auschecken, man kann sich an Bord frei bewegen und auch sein Haustier mitnehmen”. Für Hunde gibt es einen eigenen Bereich zum Auslauf, die Vierbeiner können nachts auch mit in die Kabine genommen werden.
Weiterer Vorteil: „Im Gegensatz zu Fluggesellschaften befördern wir unsere Passagiere direkt ins Herz der Stadt, also den Hafen. Mit dem Flugzeug muss man dafür erst ein Taxi nehmen”, sagt Pardo. Er selbst reist mit seiner Familie mehrmals im Jahr aufs Festland, um dann mit dem eigenen Pkw ins spanische Weinanbaugebiet La Rioja zu fahren. „Auf dem Heimweg habe ich stets mehrere Kisten Wein im Kofferraum. Versuchen Sie das mal mit einem Flugzeug”, fügt er hinzu. Wo er recht hat, hat er recht.