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MASSENTOURISMUS UND URBANISTIK

Brisantes Forschungsergebnis: Einheimische Bevölkerung droht vom Tourismus an den sozialen Rand gedrängt zu werden

Das ist die Kernthese einer Masterarbeit, die der Jurist und Politikwissenschaftler Miquel Rosselló jetzt vorlegte. Von der Politik wünscht er sich ein beherzteres Gegensteuern.

Urlauber kommen im Hafen von Palma an (Symbolfoto). | Julián Aguirre

| | Palma, Mallorca |

Glaubt man der These des Urbanistikforschers Miquel Rosselló, steht Mallorca schon bald die vierte Tourismuswelle bevor. Für seine Masterarbeit am Instituto Metropolis in Barcelona nahm der in Port de Pollença geborene Jurist und Politikwissenschaftler die Stadtentwicklung auf seiner Heimatinsel, insbesondere in Palma, genau unter die Lupe. Demnach, so schreibt an diesem Donnerstag die MM-Schwesterzeitung "Ultima Hora" über Rossellós Forschungsergebnis, seien die Aussichten für Normalsterbliche mit Durchschnittseinkommen nicht gerade verlockend.

Nach Rossellós Lesart bringt der Tourismus in Sachen Stadtentwicklung nicht Gutes. Das treffe sowohl für den Urlauber mit eher magerem Budget ("Unter dessen oft rücksichtslosem Verhalten leiden die Anwohner") als auch für den Edelgast mit prall gefüllter Brieftasche ("Der kauft sich auf der Insel einen Zweitwohnsitz, wodurch nicht nur die Bodenpreise, sondern auch die allgemeinen Lebenshaltungskosten steigen") zu.

Der Urbanistikforscher spricht von Wellen, wenn das Thema Tourismusentwicklung ins Spiel kommt. Die erste sei bereits vor vielen Jahren durch Ortschaften wie Arenal und Magaluf gerauscht. Mit der Folge, dass diese Kernbereiche des klassischen Massentourismus außerhalb der Hochsaison "an Geisterstädte erinnern", sagt Rosselló. Aber zumindest seien die Nutzer dieser Urlauberghettos an ihren ihnen zugeteilten Orten geblieben. In der zweiten Welle hätte sich der Tourismus über die Innenstadt von Palma hergemacht. Und gegenwärtig, im Rahmen der dritten Welle, "hat er die Ortschaften der Serra Tramuntana im Visier".

Mit der vierten Welle, die der Urbanistikforscher mit dem Begriff "Tourismus der Postmoderne" schmückt, gehe es dann endgültig dem Rest Mallorcas an den Kragen. "Dann stehen Villen in versteckten Buchten und an einsamen Stränden, an denen Sonnenuntergänge wie in der Werbung zu bestaunen sind, auf der Wunschliste von Investoren", sagte Rosselló. Das Wirtschaftsmodell der Balearen, wonach dem Fremdenverkehr so ziemlich alles unterzuordnen sei, ziehe längst einen tiefen Strukturwandel nach sich. In seinem Geburtsort Port de Pollença habe die Ferienvermietung die Immobilienpreise in den zurückliegenden Jahren derart explodieren lassen, dass "es für mich und meine Generation unmöglich wurde, in unserem Heimatort zu leben".

In jüngster Vergangenheit bemüht sich die Politik zuweilen, den Anschein zu erwecken, die negativen Folgen des ungezügelten Massentourismus auf die Agenda zu setzen. Immer öfter ist von Gentrifizierung die Rede. So trat das im Mai abgewählte Mitte-Links-Bündnis im balearischen Landtag vehement dafür ein, auswärtigen Investoren den Kauf eines Eigenheimes auf Mallorca und den Nachbarinseln zumindest zu erschweren. Dieser Idee stand Juristen zufolge vor allem der europäische Gedanke der Niederlassungsfreiheit entgegen.

Nach Ansicht von Rosselló führt an einer solchen Einschränkung für Auswärtige aber kein Weg vorbei, wenn verhindert werden soll, dass die einheimische Bevölkerung gegenüber Gästen und neuen Mitbürgern das Nachsehen habe. Weiter plädiert er für eine vom Staat festgelegte Deckelung der (Miet-)Preise und eine "aktive Unterstützung der Stadtviertel sowie eine Förderung der inhabergeführten Geschäfte". Sollte Palmas Stadtentwicklung weiterhin dem freien Markt überlassen werden, werde die einheimische Bevölkerung zunehmend an den sozialen Rand gedrängt werden. "Die muss sich dann entweder unsichtbar machen oder in den Kellern verstecken."

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