Als das Balearen-Parlament auf Mallorca im Februar 2019 das groß angekündigte Abfallgesetz der damaligen Linksregierung beschloss, da sollte dieses eine neue Ära auf den Inseln einleiten: das Ende des Einwegplastiks. Eine ganze Reihe von Wegwerfprodukten wurden verboten und sollten nach und nach aus dem Alltag der Inselbewohner verbannt werden. Außerdem wollte der Linkspakt endlich die Wiederverwertung von Bioabfall voranbringen und so die enormen Mengen Restmüll reduzieren, die auf den Inseln jährlich anfallen.
„Das Gesetz hat damals eine klare Richtung vorgegeben”, sagt Rosa García, Generaldirektorin der Umweltschutzvereinigung Rezero, die sich dem Thema Müllvermeidung widmet. García verfolgt die Entwicklung auf den Balearen seit vielen Jahren und betont, dass es sich damals um eine Pioniertat gehandelt habe. Die Balearen seien dadurch europaweit zum Vorreiter geworden. Mittlerweile hat die spanische Zentralregierung mit einem eigenen Abfallgesetz nachgezogen, ebenso die EU.
Dennoch habe das balearische Gesetz nicht den durchschlagenden Erfolg gebracht, den man sich erhofft hatte, sagt García. Viele Dinge, die dort festgeschrieben sind, seien bis heute nicht umgesetzt. „Das Problem ist, dass die Einzelhandelsunternehmen bremsen, wo sie nur können.” Die Kunststoffindustrie erfinde permanent neue Produkte. So gebe es etwa seit einiger Zeit vermehrt Mineralwasser im Tetrapack. „Das ist reines Greenwashing”, sagt García, weil das Image der Getränkekartons zwar gut, deren Wiederverwertung aber noch schwieriger sei, als bei herkömmlichen Plastikflaschen. Ohnehin erfüllen lediglich 65 bis 70 Prozent des Verpackungsmülls überhaupt die Mindestanforderungen für ein späteres Recycling. Alles andere landet gleich in der Verbrennungsanlage.
Manch Kunststoffhersteller versuche auch, das Gesetz durch Tricksereien zu umgehen. So hätten manche Supermärkte nun statt Einweggeschirr solches aus Plastik im Sortiment, das man „bis zu dreimal verwenden kann”, wie auf den Verpackungen zu lesen sei. Die Behörden kontrollierten die Einhaltung der Vorschriften viel zu wenig. Kurzum: „Zu einer Reduzierung des Plastikmülls, die man messen könnte, hat das Gesetz nicht geführt”, sagt García.
Das bestätigt der Blick auf die nackten Zahlen. So landeten in Mallorcas Abfallverwertungsanlage Son Reus im Jahr 2019 etwas mehr als 22.000 Tonnen Verpackungsmüll. Im vergangenen Jahr waren es dagegen schon 27.000 Tonnen. Der Anstieg müsse allerdings kein Hinweis auf vermehrten Verbrauch bedeuten, gibt Joan Mateu zu bedenken, Pressesprecher des Betreiberunternehmens Tirme. Man könne die Zahlen auch als Hinweis darauf werten, dass die Mülltrennung besser funktioniere. Da es auf der Insel keine Recyclinganlage für Plastik gibt, wird dieses anschließend aufs Festland gebracht. Immerhin ist es gelungen, die Gesamtmüllmenge auf Mallorca etwas zu reduzieren. Fielen im Jahr 2019 noch knapp 580.000 Tonnen Abfall an, waren es im vergangenen Jahr noch 565.000 Tonnen. Spanienweiter Spitzenreiter ist die Insel damit allerdings immer noch: Nirgendwo sonst fällt pro Einwohner so viel Müll an.
Das liegt auch am Tourismus. In der Hauptsaison schießen die Zahlen stets in die Höhe. Und so nimmt das Abfallgesetz neben dem Einzelhandel besonders Hoteliers und Gastronomen in die Pflicht, die daher in den vergangenen Jahren einiges getan haben, um die Mülltrennung zu verbessern und Kunststoffartikel durch solche aus umweltfreundlicheren Materialien zu ersetzen. Der mallorquinische Hotelkonzern Iberostar etwa wirbt damit, bereits seit dem Jahr 2020 überhaupt kein Einwegplastik mehr zu verwenden. Auch dabei dürfte das balearische Abfallgesetz eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben.