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Cafés, blitzsaubere Geschäfte: Die erstaunliche Entwicklung des Deutschen-Hotspots Santanyí

Die Beliebtheit des Ortes hat ihren Preis, es kommen immer mehr Besucher

Blick auf das Zentrum von Santanyí. | Ultima Hora

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Goldgelbe Fassaden, blauer Himmel, Sonnenschein – Santanyí im Südosten der Insel präsentiert sich von seiner schönsten Seite am Tag des MM-Besuchs. Menschen sitzen auf der Plaça Major und genießen in den Außenbereichen der zahlreichen Cafés oder Restaurants ihr Heißgetränk oder ihr Mittagessen. Die Geschäfte haben auf der Straße ihre Produkte ausgestellt und Passanten schlendern langsam durch die Gassen. Sehr idyllisch. Doch der freundliche Eindruck kann mitunter täuschen. An manchen Tagen, insbesondere wenn Markt ist, scheint der Ort regelrecht überrannt zu werden. Das Dorf hat in den zurückliegenden Jahren eine rasante Entwicklung durchgemacht.

"Die Geschäftswelt in Santanyí mit seinen etwa 5000 Einwohnern ist in den vergangenen 15 Jahren geradezu explodiert", sagt Ingrid Flohr. Die Deutsche lebt seit 18 Jahren in dem Dorf und veranstaltet inselweit Kunst- und Kulturführungen, weswegen sie sich gut auskennt. "Inzwischen befinden sich im Ortskern gut 80 Geschäfte, und es ist kein Ende in Sicht", so Flohr weiter. Hinzu kommt: Die meisten Läden sind in deutscher Hand. Was lässt sich das erklären?

"Der Massentourismus macht sich eben auch hier im Südosten bemerkbar", so Flohr. An Markttagen füllten bis zu 700 Personen den Marktplatz. Es gebe mitunter ein riesiges Gedränge, in den Lokalen sei kaum noch ein freier Platz zu ergattern. Das sei auch ein Ärgernis für die Mallorquiner in dem Ort, insbesondere für deren ältere Generation. "Das Dorf platzt dann aus allen Nähten", erzählt Flohr. Hinzu kommt: Die Stände würden immer größer, auch Restaurants vergrößerten ihre Außenbereiche, und die Gassen seien teils kaum passierbar.

Tatsächlich hat sich Santanyí zu einem erfolgreichen Einkaufs- und Erlebnisdorf gewandelt. Schon vor Corona war der Samstagsmarkt in den Sommermonaten regelrecht überfüllt. Das hatten auch schon andere Mallorca-Kenner beobachtet.

"Hier befindet sich alle paar Meter ein weiteres Geschäft", sagt auch Birgit Toboll. Die Hamburgerin betreibt die Second-Hand-Boutique "bí second love" in der Straße Des Centre 3. Alleinstellungsmerkmal ihres Geschäfts für hochwertige Damen- und Herrenkleidung aus zweiter Hand ist neben dem ausgewählten Angebot der sogenannte "Männerhort" im Hinterhof des Ladens: Dabei handelt es sich um eine lauschig eingerichtete Ecke, in der Kundinnen ihre Gefährten parken können, um in Ruhe durch die Kleiderständer zu stöbern. Die männlichen Begleitpersonen wiederum finden hier eine Gelegenheit zum Gespräch und vertreiben sich die Wartezeit.

"Der entscheidende Punkt war Corona", sagen Toboll und ihr Mann Gerd. "Nach hierher hat eine Geldflucht stattgefunden. Es wurden unheimlich viele Häuser gekauft und renoviert." Offensichtlich entwickele sich Santanyí zu einer Konkurrenz zu Andratx, was die Beliebtheit bei Bundesbürgern angehe. Ingrid Flohr ergänzt: "Hier findet sich eine absolute Konzentration wohlhabender Deutscher und viel Prominenz undercover."

Doch nicht nur der Handel, auch das Kulturangebot lockt Besucher nach Santanyí. "Es hat sich viel entwickelt, was man hier in Form von Ausstellungen oder Konzerten erleben kann", sagen die Tobolls – auch dank Ingrid Flohr und ihrem Wirken. Am Anfang seien es nur Deutsche gewesen, die hier eingekauft haben, so Birgit Toboll. "Mittlerweile sind es auch Mallorquinerinnen und Kundinnen, die extra aus Palma angefahren kommen." Ungeachtet der zeitweise überbordenden Nachfrage sieht Toboll die Entwicklung insgesamt positiv. Sie berichtet von einer "sehr großen" Hilfsbereitschaft und einem "tollen Miteinander" in der Nachbarschaft.

Die hat mit María Ferrer auch eine einheimische Redeführerin. Die Mallorquinerin aus Sóller verkauft in Santanyí seit dem Jahr 2000 Mode, erst auf dem Wochenmarkt und seit acht Jahren in ihrer Boutique "La Magnona".

"Santanyí hat sich sehr verändert", sagt Ferrer. Es sei extrem gewachsen. Früher habe es nur sehr wenige Geschäfte und viel weniger Restaurants gegeben. "Meiner Meinung nach ist es zurzeit zu viel", was auch eine Gefahr darstelle. Viele Gewerbetreibende würden nur wegen des Geschäfts nach Santanyí kommen. "Santanyí wurde überflutet!", so Ferrer. Andererseits sei es gut, dass die Leute kommen, um in Santanyí zu kaufen. Es kommen viele Menschen aus der ganzen Welt, weil Santanyí schön und gepflegt sei. "Santanyí lebt auch von diesem Handel."

Allerdings gebe es wiederum auch viele Kunden, so Ferrer weiter, die wegen der Menschenmassen die Markttage in den Hochsaison-Monaten Juli und August meiden würden. "Sie sind des Rummels überdrüssig", sagt Ferrer. Was nach ihrer Ansicht helfen könnte, wäre ein Mehr an Kontrolle durch die Behörden, etwa, was die Genehmigung von neuen Angeboten betreffe. "Es muss bloß ein bisschen mehr Kontrolle geben", wünscht sich Ferrer, "um die Essenz zu bewahren und die Qualität zu halten." Schließlich sei Santanyí weiterhin ein schönes Fleckchen Erde.

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