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Tod auf der Autobahn

Mordprozess um toten Ballermann-Urlauber Tim V.: Die Angeklagten brechen in Tränen aus

Zuletzt machten die mutmaßlichen Täter von ihrem Schweigerecht Gebrauch und viele Fragen blieben vor Gericht unbeantwortet. So lief der sechste Verhandlungstag

Die beiden Angeklagten vor dem Geschworenengericht in Palma. | M.A. Cañellas

| Palma, Mallorca |

Ein verregneter Morgen am Obersten Gerichtshof der Balearen, dem Tribunal Superior de Justicia de Baleares. Im oberen Stockwerk des Gebäudes warten vier Angehörige des mutmaßlich ermordeten 20-jährigen Deutschen Tim V. Sie werden von der renommierten spanischen Rechtsanwältin María Barbancho, bekannt aus dem „Kegelbrüder“-Fall, empfangen. Barbancho vertritt die Familie des Opfers und begleitet sie in den Gerichtssaal.

Es ist der sechste Verhandlungstag eines Prozesses, der sowohl in Spanien als auch in Deutschland großes Aufsehen erregt. Heute stehen die Aussagen der beiden Angeklagten, Francisco Jesús J. G. und José David R. S., im Mittelpunkt. Die Angeklagten werden unter Polizeibegleitung in den Saal geführt.

Die Anordnung im Saal ist klar strukturiert: Links sitzen elf Geschworene, die dem Fall akribisch folgen. Auf den vorderen Plätzen haben drei Richter Platz genommen, während sich auf der rechten Seite fünf Anwälte befinden, darunter die Verteidiger der Angeklagten und die Anwältin der Opferfamilie. Die Atmosphäre ist angespannt.

Die Aussage von Francisco Jesús J.G.

Um 9.45 Uhr wird der erste Angeklagte, Francisco Jesús J.G., aufgerufen. Die Richterin liest dem 36-Jährigen seine Rechte vor. Er erscheint nervös, trägt ein weißes Hemd und eine weiße Hose, seine dunklen Haare sind kurz geschoren. Francisco Jesús J.G. war der Fahrer des Kleintransporters, aus dem Tim V. am Abend des 8. Oktober 2022 gegen 22.30 Uhr herausgefallen beziehungsweise herausgeworfen worden sein soll. Nur wenige Minuten nachdem der deutsche Tourist in das Fahrzeug gestiegen war, kam er auf der Autobahn ums Leben – so zumindest die aktuelle Rekonstruktion der Tatnacht.

"Ich habe eine Familie und kämpfe hier um mein Überleben", sagt der Angeklagte mit Nachdruck und beteuert immer wieder seine Unschuld. In jener Nacht sei die Straße stockfinster gewesen. Tim V., der laut Gerichtsakten einen Blutalkoholwert von 2,41 Promille gehabt haben soll, habe kein einziges Wort gesprochen. "Es gab keinen Moment, in dem ich bemerkt hätte, dass Tim aus dem Auto gefallen ist."

Die Eltern des Angeklagten sitzen in der hinteren Reihe des Saals. Als Francisco Jesús J. G. seine Aussage fortsetzt, bricht seine Mutter plötzlich in Tränen aus. "Ich habe keine Vorstrafen und war noch nie im Gefängnis", betont er. Doch um 10.05 Uhr beginnt er zu stottern, unterbricht seine Sätze und bricht selbst in Tränen aus. Unter dem Druck der Fragen und dem Nachhaken der Anwälte kommen belastende Details ans Licht: Der Angeklagte hatte Kontakte in ein Milieu, das von Drogenkonsum und Prostitution geprägt war.

Die Anwältin der Opferfamilie, María Barbancho, nickt zustimmend, als der Angeklagte sich in Widersprüche verstrickt. "Ich wollte Tim keinen Schaden zufügen", betont Francisco Jesús J.G. mehrfach auf Spanisch. Dennoch bleiben viele Fragen offen, etwa warum der Angeklagte nach dem Sturz von Tim V. weiterfuhr und warum er immer wieder verschiedene Handys nutzte.

Die Aussage von José David R.S.

Um 10.26 Uhr wird der zweite Angeklagte, José David R. S., zur Aussage aufgerufen. Der 44-Jährige trägt eine weiße Hose, einen blauen Pullover und Turnschuhe. Seine Hände sind tätowiert. "Ich trinke keinen Alkohol, konsumiere keine Drogen und war niemals gewalttätig", erklärt er gleich zu Beginn. Am Abend des 8. Oktober war er der Beifahrer im Transporter.

Laut seiner Aussage war Tim V. in der Nähe eines geparkten Taxis gestanden, als er den Vorschlag machte: "Fran, lass uns den Jungen ein Stück mitnehmen." Tim V. habe während der Fahrt nur drei oder vier Mal das Wort "Palma" gesagt.

"Ich drehte mich zu Tim um, der hinter dem Fahrer saß, aber wir konnten uns nicht verständigen, da wir nicht die gleiche Sprache sprachen", so José David R.S. Laut – manchmal etwas ungehobelt –schildert er den Abend weiter. "Ich habe kein Motiv, jemanden zu verletzen oder gar das Recht, jemandem das Leben zu nehmen", betont er.

Gegen 10.55 Uhr bricht auch er in Tränen aus. Sichtlich errötet erklärt er: "Seit elf Monaten habe ich meinen Sohn nicht gesehen. Ich bin hier allein, niemand besucht mich." Dennoch bleiben zentrale Fragen unbeantwortet, etwa ob die Tür des Transporters offen war, als Tim V. aus dem Fahrzeug fiel, oder welche genaue Beziehung zwischen den Angeklagten bestand.

Forderungen der Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft und die Anwältin der Familie plädieren auf Mord und fordern jeweils 25 Jahre Haft. Das letzte Prozesstag wird am Montag, 9. Dezember 2024, erwartet. Anschließend soll das Urteil gefällt werden.

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