Es ist hier nicht so, wie manch einer denken mag: Anders als etwa in der deutschen Bankenstadt Frankfurt/Main, wo einem das Elend mancherorts geradezu ins Auge springt, kommt das Bahnhofs-„Barrio” von Palma ruhig, gemütlich und sicher daher. Es fehlen herumlungernde Gestalten, in die Antlitze von Kriminellen oder Halbkriminellen blickt man hier so gut wie nicht.
Stattdessen geht es hier bodenständig zu: Im Café Barroco, wo Betreiberin Cati Bonet zusammen mit einem kreativen Koch den Löffel schwingt, gibt man sich an Vintage-Tischen auf einem über 100 Jahre alten Fußboden in einem Haus von 1912 seit mehr als 30 Jahren Brettspielen aller Art hin. Ob Klassiker wie Halma, Mensch ärgere dich nicht, Schach, Scrabble, Domino, Trivial Pursuit oder wenig bekannte Neuigkeiten – die quirlige Mallorquinerin hat alles auf Lager. „Hier kommen so gut wie nur Spanier hin, junge Leute, aber auch etliche Rentner”, so die Gastwirtin beim MM-Besuch.
In einem Wohnzimmerambiente wie bei Großmuttern werden den immer zahlreich erscheinenden Gästen in dem Kult-Café vor allem kreativ angerichtete Pa amb Olis serviert, auch Trampó-Salat wird hier angerichtet. Einmal pro Monat an einem Dienstag steigt eine Zauber- oder Hypnose- oder sonstwie ungewöhnliche Ein-Mann-Show. „Auch Comic-Besprechungen und dichterische Darbierungen werden geboten”, so Cati Bonet. Zur Aufheiterung der teils schrägen Klientel platziert man bei Instagram und Facebook zuweilen ulkige Kurzvideos.
Jenseits des Café Barroco fühlt man sich wie in einer Verlängerung des auf sympathische Art trutschigen Vintage-Wohnzimmers: Alte Gebäude befinden sich neben neueren, die Straßen sind eng, nicht von Touristenmassen heimgesuchte „Normalo”-Bars, -Cafés und -Restaurants stechen ins Auge. Kultcharakter genießt etwa seit Jahrzehnten die Pizzeria Angela, in welcher nicht nur zu Kampfpreisen die italienischen Fladen kredenzt werden, sondern auch Paellas, die Kenner mit der Zunge schnalzen lassen. Einen stilechten „Cortado” gibt es im Café Koala.
Das Viertel neben dem Ses-Estacions-Park, wo ehedem die Schienen oberirdisch verliefen, ist durch und durch unmondän und versprüht damit eine urspanische Gemütlichkeit. Flippig gekleidete Hipster sieht man hier nicht, „Schickimickis” erst recht nicht. Das Café Barroco nebst Umgebung steht für eine gewisse Echtheit mit etwas Patina, die vielerorts – etwa im Lonja-Viertel oder in Santa Catalina – verloren gegangen ist. Da schmeckt das Aioli mit schwarzer Schokolade – die gewagteste Kreation des Kochs – beim Würfelspiel besonders gut.