Nach dem Anschalten des TM7 gerät eine echter "Thermomix-Fan" genauso in Ekstase, wie ein Autoliebhaber, der bei seinem Sportwagen den Schlüssel umdreht. Nur ist es hier die Stille im "ersten Gang", die viele so begeistert. Der "Neue" macht schließlich nicht mehr so einen Lärm wie sein Vorgänger, der TM6. Seit dem ersten Erscheinen in den 1960er Jahren vertreibt die Firma Vorwerk das Gerät, das ständig weiterentwickelt wird und mit jeder neuen Version mehr bietet.
Als das Unternehmen in Berlin in den vergangenen Tagen die neue Version des Küchen-Porsches vorstellte, hallte feierliche Musik aus den Lautsprechern. Vertreter filmten das Spektakel mit dem Handy, jubelten, lagen sich theatralisch in den Armen. Ist die Show gespielt? Wohl kaum!
Ein Thermomix für die Küche ist mittlerweile ein echtes Statussymbol. Ähnlich wie ein Smartphone oder ein Sportwagen – der Hype ist der gleiche. So sieht das etwa Marketingprofessor Martin Fastnacht an der WHU Düsseldorf. Im Gespräch mit dem Stuttgarter Nachrichtenportal stn.de erklärte er: „Thermomix hat einen ikonischen Status. Starke Marken polarisieren, Leute lieben oder hassen sie.”
Für Fans hat das Küchengerät einen Statussymbol wie ein Ferrari
Die Hater lassen tatsächlich nicht lange auf sich warten. In den Kommentaren auf TikTok machten sich zahlreiche Leute über den Auftritt lustig und verglichen die Liebhaber mit gehirngewaschenen Sektenmitgliedern, oder Teenagern in der ersten Reihe eines Backstreet Boys Konzerts. Haben oder nicht haben? Das ist jetzt die Frage. Wieso hat der „Thermi” so einen Kultstatus erreichen können? (Ganz recht – er hat sogar einen Kosenamen!).
"Thermi"-Vertreterin auf Mallorca, Sandra Backwinkel, erklärte MM, wie das Geschäft läuft. Das Gerät kann nicht im Geschäft erstanden werden. Nur bei Vorwerk-Verkäufern. "Die meisten Käufer sind Frauen aus Deutschland, die einen zweiten Apparat für ihren Haushalt auf Mallorca haben möchten", sagt sie. Und deutschsprachige Vertreter gibt es auf dem Eiland nicht wie Sand am Meer. "Also kommen viele Interessanten gezielt zu mir".
Wer den scherzhaft "schwarzer Lord" genannten TM7 haben möchte, muss sich also bemühen. Laut Marketing-Experten Peter Henning entsteht so ein emotionaler Wert, der einen Besitz noch verlockender macht. Und wie es sich mit einem Statussymbol so auf sich hat, kann nicht jeder satte 1549 Euro auf den Tisch legen. Sandra Backwinkel braucht keine direkte Werbung zu schalten. Sie postet Rezepte auf ihrer Homepage kinderleichtkochen.de. Interessenten und Follower auf Instagram sind gute Multiplikatoren und sorgen so für noch glaubwürdigeres Marketing.
Und was kann der elektrische, urnenähnliche Topf alles? "Es ist ein ‚All-in-one-Gerät" und ersetzt unter anderem Mixer, Pürierstab, Eismaschine, Kaffee- oder Getreidemühle, Waage, Reis-, Wasser-, und Eierkocher, Dampfgarer, den Herd, die Küchenreibe, und macht perfekte Teige", sagt die 42-jährige Mutter. Die verschiedenen Kochmodi und das digitale Rezeptbuch „Cookidoo” sorgen mit genauen Anleitungen und Timer für eine Gelinggarantie. Selbst die Herstellung einer Sauce hollandaise wird zum Kinderspiel. Backwinkel spricht aus eigener Erfahrung. Kochen konnte sie früher nicht. "Und jetzt kann ich viel gesünder kochen, Gewürzmischungen herstellen und sogar mein eigenes Brot backen."
Der "alte" Thermomix TM6 (l.) und das neue Modell TM7 (r.), das noch in diesem Jahr erhältlich sein wird.
Selbst bei Profiköchen hat sich der „Thermi” einen Namen gemacht. Deutschlands TV-Koch Johann Lafer sagte im Stern-Interview: "Der Thermomix ist wie Kochen nach Zahlen”, und spielt damit auf die Anwendung „Malen nach Zahlen" an. Die Kreativität bleibe allerdings auf der Strecke. Das Würzen und die Details, die die Gerichte der Küchenprofis ausmachten, könne der „Thermi” nicht ersetzen. Dennoch: Lafer kenne keinen Gastronomen, der nicht einen Thermomix besitze.
Auf der Insel sieht der Zuspruch kaum anders aus. MM fragte den mallorquinischen Michelin-Sterne-Koch Andreu Genestra, wie er zu dem Gerät steht: "Natürlich habe ich einen Thermomix in der Küche! Und zwar in jedem meiner Restaurants", – gerade zum Pürieren und zum Schlagen von Cremes eigne sich die Maschine hervorragend.
Aber es gibt auch Gastronomen, die anderer Meinung sind. Michael Falkenhain aus dem Restaurant UMI in Palma kann den Hype nicht verstehen. "Das ist was für Hausfrauen, aber nichts für die Gastronomie", ist er überzeugt. Die spanischen Betreiber des Traditionslokals Los Rafaeles im Paseo de Mallorca sehen das genauso. "Wir legen mehr Wert auf das traditionelle Handwerk und machen alles selbst." Wer kochen könne, brauche keinen Thermomix.