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Palmas Stadtviertel

"Mallorquiner sterben aus": Diesem Palma-Viertel droht jetzt die Gentrifizierung

Die Calle Sindicat steht exemplarisch für die Entwicklung vieler Altstadtviertel im Süden Europas: Der Reiz des Historischen zieht Investoren und Neuzuzügler an – auf Kosten gewachsener Strukturen

Die Calle Sindicat im Herzen von Palma ist eine beliebte Einkaufsmeile. | F. F.

| Palma, Mallorca |

Gentrifizierungs-Alarm in Palma de Mallorca! Die Calle Sindicat ist mehr als nur eine Straße – sie ist eine der pulsierenden Lebensadern im Herzen der Inselhauptstadt. Historisch gewachsen als Einkaufs- und Flaniermeile, war sie eine der ersten Straßen der Stadt, die zur Fußgängerzone wurde. Doch der Charakter des Viertels verändert sich zunehmend – alteingesessene Bewohner sprechen inzwischen von einem drohenden Identitätsverlust. Die Gentrifizierung hat längst begonnen!

Wandel im Schatten historischer Mauern

Die Calle Sindicat verbindet den Altstadtring Avenidas über die Porta de Sant Antoni mit dem Herzen der Altstadt. Einst war sie das Symbol für den mallorquinischen Einzelhandel. Heute zeigt sie die Spuren eines tiefgreifenden Wandels: Traditionsgeschäfte verschwinden, neue Geschäftskonzepte und Immobilienbüros prägen das Straßenbild – viele davon orientieren sich nicht mehr an den Bedürfnissen der einheimischen Bevölkerung, sondern an einer neuen, international geprägten Klientel.

Die Plaça del Banc de s'Oli zählt ebenfalls zu der Gegend rund um den Carrer Sindicat.

Insbesondere wohlhabende ausländische Zuzügler entdecken die engen, kulturträchtigen Gassen für sich. In Straßen wie der Sindicat oder auf Plätzen wie Raimundo Clar, Ferreria oder der Plaça d’en Coll stoßen Spielplätze und Bars zunehmend mit den Interessen der langjährigen Anwohner zusammen. Die einstige Nachbarschaft droht zu zerbröckeln.

"Mallorquiner im Zentrum – eine aussterbende Spezies"

Der Wohnraum im Viertel ist knapp – und teuer. Laut Immobilienanalysen gehört das Umfeld der Calle Sindicat mittlerweile zu den teuersten Wohngegenden Spaniens. Für viele Mallorquiner wird der Traum von einem Leben im Herzen ihrer Hauptstadt damit unerreichbar. "Der Mallorquiner ist im Zentrum von Palma eine aussterbende Spezies", sagt ein Bewohner, der hier seit über 40 Jahren lebt.

Einfahrt von den Avenidas über die Porta de Sant Antoni zum Carrer Sindicat.

Zwar gibt es noch Widerstand gegen die Entwicklung. Einige traditionsreiche Geschäfte trotzen dem Wandel: Das Bar Flexas, die Mimbrería Vidal, die Llibreria Quart Creixent oder das Elektronikgeschäft Eléctrica Ibero Americana sind Symbole eines kulturellen Erbes, das droht, unter dem Druck von Luxussanierungen und Investoreninteressen unterzugehen.

Alltag zwischen Tourismus, Polizei und Party

Die städtische Präsenz ist hoch: Die Stadtwerke Emaya kümmern sich um die mobile Mülltrennung, Polizisten sind regelmäßig vor Ort. Und dennoch klagen viele Anwohner über zunehmenden Vandalismus, illegale Graffiti und ein Gefühl des Kontrollverlusts.

Hinzu kommt das Problem des nächtlichen Lärms. In den Sommermonaten verwandeln sich die Plätze rund um die Calle Sindicat in Hotspots des Nachtlebens – nicht selten zum Ärger der Anwohner. Bars und Gastronomiebetriebe nehmen immer mehr öffentlichen Raum in Beschlag und lassen wenig Platz für alltägliche Begegnungen oder spontane Gespräche am Straßenrand.

Die Plaça d'en Coll mit ihren vielen Kneipen ist bei Urlaubern beliebt.

Zwischen Aufbruch und Abschied

Doch das Viertel ist nicht nur ein Ort des Umbruchs, sondern auch ein Ort des "Widerstands" der Einheimischen gegen diese Entwicklung. Einrichtungen wie das Centre Flassaders oder das städtische Hallenbad S'Estel bieten einen sozialen Gegenpol zur Luxussanierung der Umgebung. Sie sind für viele Bewohner letzte Ankerpunkte in einem sich rasant verändernden Palma.

Die Calle Sindicat steht damit exemplarisch für die Entwicklung vieler Altstadtviertel im Süden Europas: Der Reiz des Historischen zieht Investoren und Neuzuzügler an – auf Kosten gewachsener Strukturen. Ob es gelingt, die Balance zwischen Weltoffenheit und Bewahrung lokaler Identität zu halten, bleibt offen.

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