Wer dauerhaft auf Mallorca oder den Nachbarinseln lebt, fliegt deutlich günstiger. Dank eines großzügigen Zuschusses der spanischen Zentralregierung erhalten Residenten auf Flug- und Fährtickets zwischen den Inseln und spanischem Territorium einen Rabatt von satten 75 Prozent. Eine Maßnahme, die verhindern soll, dass Mallorca, Menorca, Ibiza und Formentera zu teuren Gefängnissen im Mittelmeer werden. Doch was als soziale Ausgleichshilfe gedacht ist, entwickelt sich zunehmend zum Einfallstor für Missbrauch – mit ungewollter Hilfe schlecht informierter Ausländer, überforderter Beamter und technischer Lücken.
Denn der Rabatt ist nicht für alle da, die auf den Inseln wohnen oder sich dort "irgendwie" gemeldet haben. Anspruch haben nur Spanier, EU-Bürger mit festem Wohnsitz in Spanien und Nicht-EU-Ausländer mit langfristiger Aufenthaltserlaubnis. Wer hingegen lediglich über eine provisorische NIE (Ausländeridentifikationsnummer) verfügt, gehört nicht zum Kreis der Begünstigten – darf sich aber dank fehlerhafter digitaler Prozesse, wenig geschulter Schalterkräfte und großzügig ausgestellter Bescheinigungen trotzdem über Schnäppchenpreise freuen. Ein Paradebeispiel für das Motto: Gut gemeint ist oft das Gegenteil von gut gemacht.
Versehentlich betrogen – oder bewusst umgangen?
Der Präsident des balearischen Reisebüroverbandes Aviba, Pedro Fiol, bringt es auf den Punkt: „Viele wissen schlicht nicht, dass sie keinen Anspruch auf den Rabatt haben. Andere wiederum bekommen fälschlich ausgestellte Bescheinigungen von öffentlichen Angestellten in den Rathäusern, die selbst nicht genau wissen, wie die Regeln funktionieren.“ Das Resultat: Eine wachsende Zahl von Ausländern, vor allem aus Lateinamerika, reist mit einem Bonus, der ihnen eigentlich nicht zusteht – und bringt damit Fluggesellschaften, Reisebüros und Steuerzahler gleichermaßen in Bedrängnis.
„Wir stellen die entsprechenden Zertifikate nur für gemeldete Einwohner mit unbefristeter Aufenthaltsgenehmigung aus“, erklärte eine Sprecherin im Rathaus von Llucmajor auf MM-Anfrage. Sie habe aber auch von Fällen gehört, in denen Angestellte in anderen Gemeinden aus Unwissenheit Reise-Rabatt-Zertifikate an Ausländern ohne Aufenthaltsgenehmigung oder mit temporärer NIE ausgestellt haben. Nicht aus Absicht, sondern aus Unwissenheit.
Die Folgen sind erheblich: Reisebüros müssen sich oft weigern, die Ermäßigung zu gewähren – auch wenn der Kunde eine augenscheinlich gültige Bescheinigung vorlegt. Tun sie es trotzdem, riskieren sie Sanktionen durch die Airlines. Diese wiederum bleiben auf dem Fehlbetrag sitzen, wenn beim Boarding auffällt, dass der Fluggast gar kein Anrecht auf den Rabatt hatte – was aus Zeitmangel allerdings oft zu spät erkannt wird. Kontrolliert wird häufig nur oberflächlich, vor allem an den Gates, wenn es schnell gehen muss. „Im schlimmsten Fall verlieren Fluggesellschaften gleich den gesamten Subventionsanteil für mehrere Tickets“, warnt Fiol.
Verwirrung auf Amtswegen – und eine politische Forderung
Fiol appelliert deshalb eindringlich an die Gemeinden: Die Beamten müssten besser geschult werden, um die Voraussetzungen korrekt zu prüfen. Außerdem fordert er die Airlines auf, nicht nur auf die Bescheinigung zu schauen, sondern auch die dazugehörige NIE-Nummer zu kontrollieren. Im Idealfall, so sein Vorschlag, dürften Bordkarten nur noch dann ausgestellt werden, wenn der Abgleich mit dem zentralen Melderegister (SARA-System) erfolgreich war – was Passagiere zwingt, zum Schalter zu gehen und dort überprüft zu werden. Eine Maßnahme, die den Missbrauch zumindest erschweren würde.
Doch Fiol denkt noch weiter: Angesichts der hohen Lebens- und Reisekosten auf den Inseln sei es vielleicht an der Zeit, den Rabatt auf alle auszuweiten, die hier leben und arbeiten – auch wenn sie keinen langfristigen Aufenthaltsstatus haben. „Diese Menschen zahlen Steuern, leisten ihren Beitrag und sitzen auf unseren Inseln wie in einer Mausefalle. Ohne die Ermäßigung können sie sie kaum verlassen“, sagt er. Was als Eingeständnis an eine komplizierte Realität gedacht ist, dürfte in Madrid allerdings kaum für Begeisterung sorgen: Denn mehr Anspruchsberechtigte bedeuten auch höhere Kosten für den Staat – und mehr Bürokratie für alle Beteiligten.