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Die ganz alltägliche Blechlawine: So leidet Mallorca unter dem massiven Autoverkehr

Mallorcas Verkehrsprobleme nehmen zu: Überfüllte Innenstädte, Staus und Parkplatzmangel sind längst nicht mehr nur Phänomene der Hochsaison. Mit Lösungen tun sich Inselrat und Balearen-Regierung aber schwer

Palmas Ringautobahn Via de Cintura ist chronisch überlastet. | Jonas Martiny

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Was man sonst nur aus den ganz großen Ballungszentren mit Millionen Einwohnern und riesigem Einzugsgebiet kennt, gehört auf Mallorca zum Alltag: Sowohl am Morgen, als auch am Abend kollabiert der Verkehr rund um die Inselhauptstadt. Vor allem auf der Ringautobahn Via de Cintura und den wichtigsten Zufahrtsstraßen geht dann zeitweilig überhaupt nichts mehr. Kilometerlange Staus und stockender Verkehr bringen tausende Pendler und Berufsfahrer zur Verzweiflung, noch bevor sie sich in Palma auf die schier aussichtslose Suche nach einem Parkplatz gemacht haben. Die Nutzer des öffentlichen Personennahverkehrs sind nicht viel besser dran: Tag für Tag quälen sich die Busse verspätet und überfüllt durch die verstopften Straßen.

„Wir erleben derzeit Staus, wie man sie in Palma noch nie gesehen hat”, zitierte die Tageszeitung „Ultima Hora” kürzlich einen Vertreter der Verkehrspolizei. Den befragten Mobilitätsexperten zufolge ist die Situation besorgniserregend: „Nichts deutet darauf hin, dass sich die Lage verbessern wird. Im Gegenteil, es gibt immer mehr Autos, und das bedeutet eine zunehmende Überlastung des überalterten Straßennetzes. Ohne eine schnelle und entschlossene Reaktion kann sich diese Situation nur verschlimmern“, so ein ranghoher Verkehrspolizist, der einen „Sommer der Rekorde” vorhersagt, was die Staus auf den Inselstraßen angeht.

Inselrat will gegensteuern

Beim für den Verkehr zuständigen Inselrat beteuert man, die Zeichen der Zeit erkannt zu haben. „Das Verkehrsproblem ist eine der größten Herausforderungen der Gegenwart”, sagte Inselratspräsident Llorenç Galmés kürzlich. Der konservative Politiker verfolgt dabei eine eher autofreundliche Politik. Ein Beleg dafür ist zum Beispiel der Streit um die erste Sonderfahrspur, die die Linksregierung auf der Flughafenautobahn eingerichtet hatte. Dort durften neben Taxen, Bussen und Elektro-Fahrzeugen nur Autos fahren, in denen mehr als eine Person saß. Auf diese Weise sollten Autofahrer animiert werden, auf den öffentlichen Nahverkehr umzusteigen oder sich mit anderen Pendlern zusammenzutun. Seit Beginn der Legislaturperiode versuchte der konservativ geführte Inselrat, die Sonderspur wieder abzuschaffen – mit dem Hinweis, diese habe sich negativ auf den Verkehrsfluss ausgewirkt. Seit dem vergangenen Herbst ist die Nutzung der Sonderspur mit dem Verweis auf dringende Bauarbeiten wieder für den gesamten Verkehr freigegeben.

Ein weiteres Ärgernis war den verantwortlichen Personen im Inselrat die vom Linkspakt eingeführte Begrenzung der Geschwindigkeit auf Palmas Ringautobahn. Statt 120 waren dort nur noch 80 Stundenkilometer erlaubt. Vor allem der CO2-Ausstoß und die Lärmbelästigung sollten so reduziert werden. Transportunternehmer und Taxifahrer aber wetterten gegen diese Maßnahme. Also ist nun seit einiger Zeit wieder ein höheres Limit in Kraft: 100 Stundenkilometer.

Statt auf Restriktionen setzt man beim Inselrat auf den Ausbau der Infrastruktur für den Individualverkehr. Das Vorzeigeprojekt in Sachen Verkehr ist das Maßnahmenpaket zur punktuellen Verbesserung der Zufahrtswege nach Palma. Dieses sieht optimierte Autobahnauf- und -abfahrten vor, neue Fahrspuren und Kreisverkehre. Einige der Projekte sind bereits abgeschlossen, andere noch in der Planungsphase. Das größte Vorhaben ist dabei die Komplettierung der zweiten Ringautobahn, die die Via de Cintura entlasten soll. Das Projekt liegt seit Jahren auf dem Tisch, das erste Teilstück am Einkaufszentrum in Coll d’en Rebassa aber fehlt noch immer. Die Kosten belaufen sich auf 110 Millionen Euro, Baubeginn ist nicht vor 2027. Insgesamt steckt der Inselrat 164 Millionen Euro in den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur.

Stadtplaner sehen zusätzliche Spuren als Problem

Ob das der richtige Weg ist, das Verkehrsaufkommen unter Kontrolle zu bekommen, ist jedoch umstritten. So zitierte „Ultima Hora” kürzlich den international renommierten Stadtplaner Carlos Moreno folgendermaßen: „Fahrspuren hinzuzufügen, um das Verkehrsproblem zu lösen, ist in etwa so, wie den Gürtel zu lockern, um das Gewichtsproblem in den Griff zu kriegen.” In Zeiten des Klimawandels könne die Lösung für verstopfte Straßen nicht sein, diese zu verbreitern. Kurzfristig könne sich die Lage dadurch zwar verbessern, sagt Moreno. „Mit der Zeit aber werden nur noch mehr Menschen animiert, das Auto zu nutzen.” So führe jeder Ausbau der Verkehrsinfrastruktur letztendlich wieder zur Überlastung.

Ursachen für die ganz alltägliche Blechlawine sind unbestritten die wachsende Bevölkerung und die schiere Zahl der Fahrzeuge auf der Insel. Schon lange gilt Mallorca als eine ausgesprochene Autofahrerinsel und eine der Weltgegenden mit der höchsten Fahrzeugdichte. Konkrete Daten lieferte eine im Herbst präsentierte Studie, die das Verkehrsdezernat des Inselrats in Auftrag gegeben hatte. Der zufolge waren auf der Insel im Jahr 2023 genau 837.240 Fahrzeuge zugelassen. Macht bei 929.950 Einwohnern 899 Fahrzeuge pro 1000 Einwohner – ein Wert, der deutlich über dem nationalen Wert von 750 Fahrzeugen pro 1000 Einwohnern liegt. Noch gar nicht mitgerechnet sind dabei zehntausende Mietwagen, die im Sommer auf den Inselstraßen unterwegs sind. Die Studie hatte der Inselrat in Auftrag gegeben, um eine solide Datengrundlage für seine Verkehrspolitik zu haben.

Auch ohne Studien und aufwendige Datensammlungen offensichtlich ist die Vernachlässigung des öffentlichen Nahverkehrs auf Mallorca. Im Alltag erweisen sich Bus und Bahn immer wieder als nicht praxistauglich. Und kurzfristige Besserung ist nicht in Sicht. So hat die zuständige Balearen-Regierung das Projekt der Flughafenstraßenbahn des bis 2023 regierenden Linkspaktes wieder in der Schublade verschwinden lassen, obwohl die Finanzierung bereits stand. Stattdessen will man nun die historische Zuglinie nach Llucmajor wieder in Betrieb nehmen. Wo die 690 Millionen Euro herkommen sollen, die die Verwirklichung wohl kosten wird, ist allerdings völlig unklar. Mit einem Baubeginn ist denn auch nicht vor 2028 zu rechnen, mit der Inbetriebnahme frühestens im Jahr 2032.

Sonderabgabe wird geprüft

Zwischenzeitlich sah es tatsächlich so aus, als sei die Balearen-Regierung bereit, Maßnahmen gegen den Verkehrskollaps zu ergreifen. So kündigte Vizepräsident Antoni Costa im März an, man prüfe die Einführung einer Sonderabgabe für Fahrzeuge, die zwar auf den Straßen der Insel unterwegs, nicht aber hier zugelassen sind. Das hätte in erster Linie Mietwagen und Autos von Zweitwohnungsbesitzern betroffen. Wegen fehlender Mehrheiten im Parlament gab die Regierung den Plan jedoch rasch wieder auf.

Ähnlich halbherzig ist die Verkehrspolitik der Stadtverwaltung von Palma. Das belegt etwa die Einführung der Emissionszone in Palmas Altstadt. Das Verbot, ohne entsprechende Umweltplakette ins Zentrum Palmas zu fahren, beinhaltet so viele Ausnahmen, dass davon kaum etwas übrig bleibt. Obendrein gewährt die Stadt eine großzügige Übergangsregelung, in der überhaupt keine Geldstrafen verhängt werden. Diese soll noch bis mindestens Juli dauern. Auch die Ausweitung der sogenannten Ora-Zone in Palma, in der man sein Auto nur mit Parkticket abstellen darf, kommt nicht so recht voran und wurde immer wieder verschoben. Zuletzt hieß es, Ende des Jahres werde es so weit sein.

Entschlossener als auf Mallorca gehen die Verantwortlichen derweil auf der Nachbarinsel Ibiza vor. Dort greift in diesem Sommer zum ersten Mal eine Neuregelung, die das Balearen-Parlament im Herbst beschlossen hatte. Vorgesehen ist ein Limit für nicht auf Ibiza zugelassene Fahrzeuge, die von Juni bis September gleichzeitig auf der Insel unterwegs sein dürfen. Die Zahl ist in dem Zeitraum auf 20.168 begrenzt. 16.000 davon sind für den Mietwagensektor reserviert, der Rest für den Individualverkehr. Wer also sein Auto nach Ibiza mitbringen möchte, muss vorab reservieren und einen Euro pro Tag zahlen. Auf der kleineren Nachbarinsel Formentera gibt es bereits seit 2019 ein ähnliches System zu Begrenzung des Autoverkehrs.

Ob es auch auf Mallorca dazu kommen wird, ist derzeit noch ungewiss. Der Inselrat arbeitet zwar an einem Gesetz für nachhaltige Mobilität und prüft Medienberichten zufolge auch, ob in diesem Zusammenhang eine Begrenzung der Zahl der Fahrzeuge auf der Insel umsetzbar wäre. Angesichts der jüngsten Entscheidungen auf allen Ebenen aber scheint es fraglich, ob der politische Wille für solch einschneidende Maßnahmen tatsächlich ausreicht. In jedem Fall ist mit einem Inkrafttreten des Gesetzes nicht vor Sommer 2026 zu rechnen. Es dürfte also auch in den kommenden Monaten einiges Gedränge herrschen auf den Straßen der Insel.

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