Wenn Jaime Martínez über Palma de Mallorca spricht, klingt das nach einer Stadt, die gleichzeitig Hauptstadt, Tourismusmotor, Müllhalde und Spekulationsobjekt ist – und irgendwie trotzdem funktionieren muss. Im Interview mit der MM-Schwesterzeitung Ultima Hora zeichnet der Bürgermeister ein Bild vom Mallorca-Boom, der an keiner Stelle sichtbarer sei als in seiner Stadt:
„In zwanzig Jahren sind wir von 350.000 auf fast 500.000 Einwohner gewachsen. Dazu kommen jährlich bis zu drei Millionen Touristen.“ Und dann sagt Martínez einen Satz, der erklärt, was ihn eigentlich umtreibt: „Während die Regierung in Madrid ständig über das Problem der zunehmenden Landflucht unter der Bevölkerung spricht, ignoriert sie die Städte, die unter dem Gegenteil leiden – weil sie aus allen Nähten platzen.“
Martínez ist seit zwei Jahren im Amt. Jetzt will er zeigen, dass auf seine Ankündigungen Taten folgen. Vor allem bei der Ferienvermietung. Illegale Unterkünfte sollen verschwinden, am besten schnell. „Wir werden sehr hart vorgehen“, kündigt er an. Die Stadt hat dafür ein Abkommen mit dem Inselrat geschlossen. Künftig soll künstliche Intelligenz dabei helfen, verbotene Vermietungen aufzuspüren. Ein digitales Kontrollzentrum ist im Aufbau – man will in Echtzeit sehen, wo Gäste wohnen, ob legal oder nicht. Datenschützer dürfen dabei wohl nicht zimperlich sein.
Von Obachlosensiedlungen zum Luxusimage
Palmas Problem ist nicht nur die Masse, sondern auch die Mischung: günstiger Pauschaltourismus trifft auf Überbelegung, leer stehende Apartments – und Luxusprojekte mit Werbevideos aus der Drohnenperspektive. Martínez erklärt das mit der Politik seiner Vorgänger. „Die Zunahme von Obdachlosensiedlungen, Wohnmobilen und prekären Wohnverhältnissen ist ein Produkt der linken Politik“, sagt er. Auch die städtischen Herbergen seien ein Fehler gewesen. Man werde keine rückwirkenden Maßnahmen ergreifen – aber man prüfe, sie künftig in Wohnraum umzuwandeln.
Gleichzeitig träumt der Bürgermeister von Events mit internationalem Glamour. Die kürzliche Louis-Vuitton-Modenschau auf dem Castell de Bellver sei ein voller Erfolg gewesen: „Mehr als 700 Menschen mit hoher Kaufkraft und enormer Ausstrahlung – das war gut für Palma.“ Martínez will mehr davon. Und am liebsten gleich den Titel „Kulturhauptstadt Europas 2031“ mit dazu. Wie sich exklusive Events mit Massentourismus und Verkehrschaos vereinbaren lassen, bleibt offen.
Viel Hoffnung, wenig Zeit
Ein weiteres Problem sieht Martínez in der Finanzierung. Während Millionen Urlauber durch Palma strömen, zahlt die Stadt für die Reinigung, die Infrastruktur, den Müll. „Das sind nicht nur unsere Touristen – das sind Gäste der ganzen Insel“, sagt er. Das Hauptstadtgesetz, das eigentlich Ausgleichszahlungen garantieren sollte, greife nicht. Der Bürgermeister fordert ein neues Finanzierungsmodell – hofft aber auch hier auf den Staat.
Dass seine eigene Handschrift bisher nur zaghaft sichtbar ist, erklärt Martínez mit der Verwaltung. „Wenn ich einen zusätzlichen Polizisten auf die Straße schicken will, dauert das mehr als ein Jahr.“ Der erste Haushalt unter seiner Führung wurde erst dieses Jahr beschlossen. Immerhin: Über 100 neue Stadtbedienstete seien bereits eingestellt, bis Jahresende sollen es 170 sein. Auch bei den Wohnungen sei Bewegung drin: Mehr als 2000 neue Einheiten – sozial, preisgebunden oder frei finanziert – seien in Planung. Wenn alles gut laufe, könne man gegen Ende der Legislatur erste Ergebnisse sehen.
Bis dahin wird vor allem asphaltiert: der Paseo de Mallorca, die Avenidas, diverse Parks. Martínez spricht von „vielen kleinen Projekten“, die das große Stadtbild verbessern sollen. Doch die Proteste gegen Massentourismus, Wohnungsnot und Müllberge wachsen weiter – die nächste große Demo ist für den 15. Juni angekündigt.
Der Bürgermeister bleibt dennoch optimistisch: „Wir haben uns mit jedem einzelnen der durch die Politik der Linken verursachten Probleme auseinandergesetzt“, sagt er. Jetzt komme der zweite Schritt: das eigene Stadtmodell umzusetzen. Und wie so oft bei Martínez klingt auch das weniger nach Drohung – als nach einer freundlich gemeinten Aufräumaktion.