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Wohnungsnot

Obdachlosenlager in Can Pastilla: Wie Mallorca seine Probleme versteckt

Zwischen Müllbergen und verfallenen Häusern entstehen hinter Ferienorten wilde Behausungen. Die Behörden schauen weg – aus Angst vor Bildern, die Touristen vertreiben könnten.

Nur wenige hundert Meter vom Strand entfernt, steht eine Barackensiedlung | Foto: Fernando Fernández

| Mallorca |

Wer in Can Pastilla auf Mallorca Urlaub macht, blickt in der Regel auf ruhiges Wasser, Promenaden mit Eiscafés und gefegte Gehwege. Doch nur ein paar Schritte hinter der Strandlinie beginnt eine andere Realität – eine, die Reisekataloge verschweigen. Rund um ein ehemaliges Restaurant, das schräg gegenüber eines bekannten Hotels und einer öffentlichen Schule liegt, türmt sich der Müll. Davor: Zelte, Planen, Bretterverschläge und ausrangierte Wohnmobilde. Dort ist ein Baracken-Camp entstanden, das offiziell nicht existiert – aber stetig wächst.

Die improvisierten Behausungen gedeihen im Windschatten des Massentourismus – ohne Bad, ohne Strom, ohne Rechtssicherheit. Wer hier lebt, hat keinen Mietvertrag, keine Perspektive – und für viele Passanten scheinbar auch keine Existenzberechtigung. Die Behörden sind sich des Problems bewusst, aber schweigen oder verweisen auf "komplizierte soziale Lagen".

Wohnen im Schatten der Wohlstandsoase

Dabei ist das Camp von Can Pastilla kein Einzelfall. Überall auf der Insel entstehen derzeit Siedlungen – in leerstehenden Fincas, alten Landgütern oder Ruinen, oft fernab der touristischen Routen, manchmal jedoch mittendrin. Manche dieser Besetzungen bestehen bereits seit Jahren. Sie wurden stillschweigend geduldet oder schlicht ignoriert. Doch die Mischung aus Wohnungsnot, Sozialabbau und Tourismusboom sorgt dafür, dass die Camps größer und sichtbarer werden.

Für viele Bewohner ist das Leben im Zelt keine Entscheidung aus Bequemlichkeit. Es sind Menschen, die durch das soziale Raster gefallen sind: Saisonarbeiter ohne Vertrag, Migranten ohne Papiere, Einheimische, die sich das Leben auf ihrer eigenen Insel nicht mehr leisten können. Während Luxuswohnungen für Urlauber entstehen, bleiben für andere nur Planen und Sperrholz. Palma wird so zum Abbild eines gespaltenen Systems: Oben glitzert der Wohlstand – unten zerbröckelt die Wirklichkeit.

Verdrängung und Verleugnung

Offiziell heißt es aus den Rathäusern, man prüfe Einzelfälle und sei um eine "menschenwürdige Lösung" bemüht. Tatsächlich jedoch scheint das Hauptziel, Skandale zu vermeiden. Denn was nicht fotografiert wird, existiert nicht – zumindest nicht auf Instagram. Eine Räumung der wilden Camps würde Debatten über soziale Missstände provozieren, eine Duldung wiederum könnte als Einladung verstanden werden. Also passiert: nichts. Nur die Müllberge wachsen.

Derweil nimmt das Unbehagen auch bei Einheimischen zu. Eltern sorgen sich um die Sicherheit ihrer Kinder auf dem Schulweg, Anwohner berichten von zunehmender Verwahrlosung. Und Touristen? Bemerken meist wenig. Denn zwischen All-inclusive-Buffet und Beach-Club bleibt kaum Platz für die Realität hinter der Postkarte. Doch die Frage stellt sich: Wie lange noch?

Die Insel steckt in einem Verdrängungskonflikt. Einerseits das internationale Sehnsuchtsziel mit jährlich Millionen Gästen, andererseits eine fragile soziale Struktur, die immer mehr Menschen an den Rand drängt – und darüber hinaus. Die Zeltlager von Can Pastilla sind mehr als ein lokales Ärgernis. Sie sind ein stiller Protest gegen ein System, das Tourismus über Teilhabe stellt. Noch gelingt es den Behörden, die Fassade zu wahren. Doch wer durch Palmas Hinterhöfe geht, erkennt schnell: Mallorca ist längst mehr als sein Urlaubsversprechen.

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