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Zwischen Not und Neubeginn: Warum Sóller Auswanderer anzieht

Wenn das Zuhause auf vier Rädern steht – Wohnmobile als letzte Zuflucht in der Wohnungsnot

Selina R. hatte ihr Auto zwei Wochen zu ihrem Wohn- und Schlafplatz gemacht. Jetzt lebt die deutsche Köchin in einer WG | Foto: privat

| Mallorca |

Strand, Meer und drumherum das Tramuntana-Gebirge: Sóller ist ein Ort, der viele Auswanderer anzieht, um sich auch langfristig niederzulassen. Allerdings gibt es ein Problem: der aktuelle Wohnungsmarkt. Trotz fester Arbeit ist es für viele schwer, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Immer häufiger sieht man daher vor allem in der Küstenregion Wohnmobile stehen. Was zunächst nach Abenteuer, Freiheit und "Hippie-Lifestyle" klingt, ist für viele die letzte Option, ein Dach über dem Kopf zu haben.

Viele Spanier haben trotz festem Job keine Chance auf eine Wohnung

Einige Beispiele: Alex, ein 30-jähriger Argentinier aus Buenos Aires, lebt mittlerweile seit fünf Jahren auf Mallorca, seit wenigen Monaten hat er Sóller zu seinem Ort der Wahl gemacht. Tagsüber arbeitet er als Taxifahrer, nach einem harten Arbeitstag, der während der Hochsaison nicht selten zwölf Stunden dauert, ruht er sich in seinem Wohnmobil aus. "Es gibt einfach keine Apartments." In dem Wohnmobil lebt der Südamerikaner gemeinsam mit seinem Hund. Abgestellt hat er seine fahrbare Wohnung vor dem öffentlichen Fitnessstudio und Schwimmbad „Son Angelats”. Dabei schlägt er zwei Fliegen mit einer Klappe: „Ich habe mich dort angemeldet, gehe tagsüber trainieren und dusche mich anschließend dort", erklärt er.

Alex ist mit seinem neuen Leben im Wohnmobil nicht immer zufrieden, macht aber das Beste aus der Situation. "Ich fühle mich frei und unabhängig, zahle keine Miete – außerdem habe ich einen Schlafplatz. Es könnte zwar schlimmer sein, aber manchmal fehlt mir ein bisschen mehr Platz, um mich auszubreiten und meine Sachen zu verstauen." Sollte er in naher Zukunft eine bezahlbare Wohnung finden, ist Alex daher nicht abgeneigt, wieder einen festen Wohnsitz zu haben. "Das hier ist für mich keine Dauerlösung."

Auch Pilar (56), die vor kurzem vom spanischen Festland auf die Insel gezogen ist, wohnt in einem Wohnmobil. "Ich habe wochenlang nach einem Apartment gesucht, habe auf dem Sofa von Bekannten geschlafen, es gibt hier einfach nichts Bezahlbares, und aus dem WG-Alter bin ich einfach raus. Ich brauche meinen Raum, meine Privatsphäre."

Eine ähnliche Situation erlebte auch die deutsche Auswanderin und Köchin Selina R. (33). Trotz festem Job hatte sie zunächst keine Wohnung. "Ich habe in den ersten zwei Wochen erstmal im Auto geschlafen, hin und wieder kam ich bei einer Freundin unter. Das war schon hart, vor allem nach einem anstrengenden Arbeitstag im Restaurant." Die Gastronomin hatte aber Glück und lebt mittlerweile in einer Wohngemeinschaft. "Es war eine Erfahrung, die für einen kurzen Zeitraum in Ordnung war, aber dauerhaft so zu leben, das kommt für mich nicht in Frage." Die Not macht eben erfinderisch.

Die Autorin ist 
seit 2017 Residentin 
in Sóller und arbeitet 
als Yoga-Lehrerin.

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