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Ozeanriesen

Geliebt und verteufelt: Wie in den Hafenstädten der Unmut über Kreuzfahrtschiffe wächst

Für die einen ist es der Inbegriff des Entspannungsurlaubs, für die anderen der Gipfel des Massentourismus: Während sich immer mehr Menschen den Traum vom Kreuzfahrturlaub erfüllen, wächst in vielen Hafenstädten der Unmut. Auch in Palma

Links: Anti-Kreuzfahrt-Protest an der Kathedrale in Palma. Rechts: Reiseführerin Alex Fraile verteidigt die Branche

| Palma, Mallorca |

Längst sind es nicht mehr nur Umweltschützer, Anwohnervereinigungen und Linksparteien, die die negativen Folgen des Kreuzfahrttourismus anprangern. Selbst Palmas Bürgermeister Jaime Martínez – als Vertreter der konservativen Volkspartei übermäßiger Tourismuskritik eigentlich unverdächtig – äußerte zuletzt wiederholt Bedenken. Man müsse über eine Begrenzung der Zahl der Kreuzfahrtschiffe nachdenken, um den Massenandrang in Palma zu reduzieren.

Auch eine Eintrittsgebühr für Kreuzfahrttouristen sowie ein Limit der Gruppengröße bei Stadtführungen brachte er ins Gespräch. Zuletzt schlug Martínez auch noch vor, eine Strategie mit anderen Kreuzfahrtdestinationen auf dem spanischen Festland abzustimmen, um bestimmte Beschränkungen und Auflagen für den Kreuzfahrtsektor leichter umsetzen zu können. Medien berichteten, im Rathaus sehe man diese Art Tourismus zunehmend kritisch: Er führe vor allem zur Überfüllung der Altstadt, während die Tagesausflügler nur wenig Geld an Land ausgäben.

Eine Anti-Kreuzfahrt-Demo in Palma de Mallorca während der Pandemie.

Selbst die Konservativen fordern mittlerweile Limits

Auch die Balearen-Regierung – ebenfalls konservativ geführt – macht sich zunehmend eine kritische Sichtweise zu eigen, wie es scheint. Zumindest legt dies das Fazit im Abschlussbericht des eigens von Ministerpräsidentin Marga Prohens einberufenen Runden Tisches für einen Nachhaltigkeitspakt nahe. In den sogenannten Bases de l’Agenda de Transició ist beim Thema Kreuzfahrt ebenfalls vor allem von Massifizierung die Rede.

„Diese Situation beeinträchtigt die Qualität der touristischen Dienstleistung und hat Folgen sowohl für die Gesellschaft, als auch für die Umwelt.” Deshalb müsse die Ankunft der Kreuzfahrtschiffe reguliert werden, um die Touristenströme besser lenken und die Überfüllung der Altstadt verhindern zu können. „Ohne eine Steuerung der Slots im Hafen droht die Lebensqualität der Anwohner zu leiden, außerdem macht sich das Gefühl der Massifizierung breit.”

Tatsächlich gibt es eine solche Regulierung bereits. Da es nicht möglich ist, Kreuzfahrtschiffen zu verbieten, in Palmas Hafen festzumachen, einigten sich die damals noch von einem Linksbündnis geführte Regionalregierung und der Kreuzfahrtverband Clia im Dezember 2021 auf eine freiwillige Selbstbeschränkung der Branche. Seitdem legen lediglich drei Kreuzfahrtschiffe gleichzeitig in Palmas Hafen an, wobei nur eines davon mehr als 5000 Passagiere an Bord haben darf. Das Abkommen hat zu einer deutlichen Reduzierung der Kreuzfahrtschiffe geführt.

Machten im Rekordjahr 2019 noch 590 in Palmas Hafen fest, waren es im vergangenen Jahr 494. Die Zahl der Passagiere sank von 2,2 auf 1,8 Millionen. Die Nachfrage nach dieser Reiseform ist derweil ungebrochen. Der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen zufolge lag der Umsatz in diesem Segment in Deutschland im vergangenen Jahr um acht Prozent über dem Vorjahreswert. Laut Clia wiederum gab es in Europa im Jahr 2023 8,2 Millionen Kreuzfahrtpassagiere, ein Plus von 6,5 Prozent im Vergleich zu 2019.

Abkommen läuft noch bis 2027

Wachstumspotenzial also scheint es reichlich zu geben. Ob das in Palma gültige Abkommen zur Selbstbeschränkung angesichts dessen auch in der Zukunft Bestand haben wird, ist ungewiss. Es läuft zwar noch bis 2027, sollte es verlängert werden, müssten die Verhandlungen aber bald abgeschlossen werden, da Reedereien und Hafenverwaltung jeweils langfristig im Voraus planen. Darauf weist nun die kreuzfahrtkritische Bürgervereinigung Plataforma contra els Megacreuers (Plattform gegen die Megakreuzfahrtschiffe) hin und fordert vom zuständigen balearischen Tourismusministerium einen transparenten Umgang mit dem Thema.

Rechts: Reiseführerin Alex Fraile verteidigt die Branche.

Außerdem habe sich die Beschränkung als nicht ausreichend erwiesen, beteuern die Aktivisten. Als Beleg ziehen sie Daten aus dem Frühjahr 2025 heran. Allein bis Ende Mai hätten 158 Kreuzfahrtschiffe in Palma Station gemacht, 18 mehr als im selben Vorjahreszeitraum. Hochgerechnet aufs ganze Jahr ergebe sich auf diese Weise eine Zahl von 546. „Das Wachstum geht also weiter”, heißt es in einer Pressemitteilung der Plattform. „Das ist ein Beleg für das Scheitern des Abkommens.” Die Aktivisten fordern eine Beschränkung auf maximal ein Kreuzfahrtschiff pro Tag. Laut Hafenbehörde werden nach derzeitigem Stand im laufenden Jahr 519 Kreuzfahrtschiffe in Palma anlegen.

Das balearische Tourismusministerium ist derweil entschlossen, eine Erneuerung des Abkommens zu denselben Konditionen zu erreichen. „Die Selbstbeschränkung ist der richtige Weg”, sagt eine Ministeriumssprecherin. Man sei sich im Klaren darüber, dass aufgrund der langfristigen Planungen eine baldige Entscheidung gefragt ist. „Am besten noch in diesem Jahr.” Dass es nicht zu einer Neuauflage der freiwilligen Selbstbeschränkung kommt, hofft derweil Alex Fraile. Sie ist Reiseführerin in Palma, arbeitet überwiegend mit Kreuzfahrttouristen, die während ihres Landganges etwas von der Stadt sehen wollen und engagiert sich in der Plattform Si a los Cruceros (Ja zu den Kreuzfahrtschiffen). „Wir werden Clia auffordern, das Abkommen nicht zu erneuern”, sagt Fraile.

"Einziger Sektor auf Mallorca, der sich selbst beschränkt"

„Wir sind der einzige Sektor im Tourismusbereich auf Mallorca, der mutig war und sich selbst beschränkt hat.” Andere Branchen dagegen, die Hoteliers, die Luftverkehrswirtschaft, hätten derweil weiterhin auf Wachstum gesetzt. „Und dennoch stehen vor allem wir im Zentrum der Kritik. Es gibt einfach keine Wertschätzung für das Geleistete.” Dazu gehörten auch die Bemühungen darum, die Urlauberströme so zu lenken, dass die Belastung möglichst gering ist. So steuerten die Busse mit den Kreuzfahrtpassagieren nicht nur die Alte Mole unterhalb der Kathedrale an, sondern auch den Parc de ses Estacions. „Wir sind nicht gegen Regulierung an sich”, sagt Fraile.

Eines der besonders umstrittenen Themen im Zusammenhang mit dem Kreuzfahrttourismus ist die Frage, wie groß der ökonomische Nutzen eigentlich ist. Seit 2022 erfasst das balearische Statistikamt Ibestat dazu Daten. Diesen zufolge gab in Palma jeder Kreuzfahrttourist im vergangenen Jahr im Schnitt lediglich 35,52 Euro aus – viel weniger als andere Urlauber. Kreuzfahrtkritiker werten das als Beleg dafür, dass diese Art Tourismus der Stadt wenig bringt. Alex Fraile widerspricht dem vehement.

„Der Kreuzfahrtsektor ernährt auf Mallorca viele Leute”, sagt sie: „Taxi- und Busfahrer, Gastronomen, Reiseführer, Einzel- und Souvenirhändler.” Sie verweist auf eine von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Studie aus dem Jahr 2022. Derzufolge sorgte die Kreuzfahrtbranche im Jahr 2019 auf den Balearen für eine ökonomische Wirkung in Höhe von 468,6 Millionen Euro, macht pro Passagier 213 Euro.

Ob man in Palma tatsächlich gewillt ist, auf das Geld der Kreuzfahrtpassagiere zu verzichten, muss sich erst noch zeigen. Als die Linkspartei Més im Mai einen Antrag in den Stadtrat einbrachte, der nahezu wortgleich die Ankündigungen des Bürgermeisters Jaime Martínez aufgriff, da stimmten die konservative PP und die Rechtspopulisten von Vox dagegen.

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