Gut 200 Quadratmeter, bodentiefe Fenster, Meerblick, Rundum-Terrasse. Dazu 24/7-Roomservice, eine gutbestückte Bar und stylisches Publikum. Der Sänger Clueso (bürgerlich Thomas Hübner, geboren 1980 in Erfurt) lebt im Bikini Hotel an Mallorcas Ostküste den Rockstar-Traum. Im Interview mit dem Mallorca Magazin offenbart der vielfach preisgekrönte Pop-Poet (zwei Millionen verkaufte Tonträger) und TV-Schnuffel (Sing meinen Song, The Voice Kids) aus Erfurt seinen neuen Insel-Lifestyle, was ihn aus emotionalen Tiefs herausholt und wie er auch als Penthouse-Bewohner am Boden bleibt.
MM: Wie kommen Sie zu dieser coolen Bude?
Clueso: Vor vier Jahren saß ich beim Geburtstag meines Freundes Benjamin von Stuckrad-Barre mit dem Eigentümer Christoph Hoffmann zusammen und habe ihm meine Idee vom Künstlerhotel mit Studio ausgebreitet. Er hat dafür Köln vorgeschlagen, aber ich sagte, das ist mir zu weit. Als er mit Mallorca kam, habe ich sofort eingeschlagen, das liegt für mich gefühlt näher an Erfurt (lacht). Damals sah hier alles ganz anders aus. Ich durfte mich in den Umbau mit einbringen, habe viele Ideen mit den Designern bequasselt und gebe bis heute meine Ideen rein. Das ist ein Ort für Meetings, um andere Musiker zu versammeln, zum Schrabbeln, Komponieren, kreativ sein. Zwischendurch ab ins Meer und mit nassen Haaren was einsingen. Dann das Zeug mitnehmen und in Deutschland vergeilern. Wenn man auch nur einen Tag mit Udo Lindenberg abhängt, merkt man sofort, es macht durchaus Sinn, als Musiker im Hotel zu wohnen. Hier musst du dich um nichts kümmern, fühlst dich nie alleine, findest immer jemanden zum Labern, kannst dich mit jedem treffen, ohne weg zu müssen. Aus meinen privaten Räumen halte ich das lieber raus und in einem Haus ist man immer ein bisschen eingesperrt. Ich hab hier keine Anteile, aber finde es geil, dass Artists sich einmieten und Mucke machen.
MM: Fühlen Sie sich hier schon heimisch?
Clueso: Ja, für mich ist das ein Zuhause, ich komme hierher und bin sofort zu Hause. Es ist so eine gute Base, weil auch alle gerne hierherkommen, Freunde, Management, Plattenfirma. Durch das Reisen und Business bin ich mit supervielen Leuten connected, mein Backstage-Bereich ist immer voll mit 200 Leuten, die ich sehen will, aber die Zeit ist viel zu kurz. Jetzt kommen die einfach rüber. Gerade war Teddy Teclebrhan zu Besuch, sonst hätten wir es erst in 100 Jahren geschafft, uns mal zu treffen, aber jetzt hier chillen wir einfach zwei, drei Tage. Alles fühlt sich leicht an und man ist dennoch produktiv. Allein letzte Woche hatte ich meinen Freund Emra zu Gast, der für Filme castet, habe ein Tag ein Schreibcamp mit Kolleg*Innen besucht, habe einen Song mit meinem Freund Chapo102 geschrieben, und mit ihm noch unsere Weihnachtssingle eingesungen.
MM: Können Sie sich hier freier bewegen
Clueso: Es sind ja nur Deutsche überall (lacht) . Aber auch wenn sie mich erkennen, sind die Leute anders drauf, gechillter, nicht so hyperventilierend. Oder vielleicht bin ich auch entspannter. Neulich habe ich mir ein kleines Boot ausgeliehen, und bin zu einem der schönsten Naturstrände gefahren, wo kaum jemand ist. Da hast du weißen Sand und türkisblaues Wasser. So habe ich den Boots-Chef kennengelernt, Simonelli. Er baut den Winter über Gitarren. Ich habe ihn in seiner Werkstatt besucht und er hat mir diese handgemachte Gitarre geschenkt. Dann habe ich alle kennengelernt, seinen Bruder, Neffen, Restaurantbesitzer – jetzt bin ich connected. Und einen Künstler habe ich getroffen, er macht Bilder aus Bootslack. Ich habe eines gekauft, das hänge ich mir ins Studio.
MM: Ihre beiden neuen Songs sind persönlicher denn je. Ist das der Einfluss hier?
Clueso: Die Tage mit Sonnenuntergang und Blick aufs Meer sind förderlich. Viele meiner Songs sind sehr sonnig, aber die Lyrics viel tiefer. Auch bei traurigen Themen, es ist immer noch Sonne da. Das liegt an Orten wie Mallorca. Hier hat man keine Angst vor Dur, die Musik darf hell, fröhlich und stabil klingen. Man kann sich reinfallen lassen. Morgens spring ich als erstes von der Klippe sechs Meter tief ins Wasser, noch vorm ersten Kaffee. Dann gehts los mit Arbeit. Auch wenn ich es easy angehe, ich bin kein Typ, den es lange auf der Liege hält, brauche eine Idee vom Tag. Ich hänge sauviel am Telefon, organisiere, beantworte Anfragen und zwischendurch immer wieder Schwimmen, Sauna, Dampfbad. Natürlich kann ich mich auch gut ablenken lassen und voller Energie Dinge tun, die ich nicht hätte machen sollen (lacht) .
MM: In „Deja Vu” besingen Sie eine Ex-Liebe. Eine wahre Geschichte? Und sind Sie von ihr geheilt?
Clueso: „Deja Vu” habe ich vor zwei Jahren schon auf Mallorca geschrieben und ewig für mich behalten, es fühlte sich zu persönlich an, weil es sich um eine schmerzhafte Trennung handelt. Mich hat der Song selber berührt, ich dachte „autsch”, und das auch noch auf der Bühne zu performen und mit den Emotionen dealen. Aber jetzt, weil das Publikum mitmacht, hat es sich mit Leben aufgeladen und die Leute tragen mich gut durch. Wenn einem ein Song was bedeutet und die Leute ihn auch feiern, ist es das Schönste!
MM: In „Minimum” geht es um Seelen-Tiefs und Selbstzweifel. Treibt Sie so etwas um?
Clueso: Den Song habe ich mit dem Autor Max Richard Leßmann geschrieben. Geiler Typ, ist ein super Freund geworden. Das kam, weil er auch mit Depressionen zu kämpfen hat, die erste Zeile „beim ‚Hallo wie geht’s dir‘ bin ich schon überfragt” ist ein Gefühl, das wir beide kennen. Ich bin oft eher der, der sich im Hintergrund aufhält. Aber auch, der am Schluss auf dem Tisch tanzt.
MM: Ist hier zwischen Urlaubern, die Versuchung groß, zu versacken?
Clueso: Es geht immer um die richtige Balance. Neulich, vor meinem Konzert-Event zum Hoteljubiläum, hatte ich anderthalb Wochen das Handy aus und war nur am Produzieren. Keine Chance, an mich ranzukommen. Leute waren teilweise sauer, weil sie denken, du bist in der Sonne, hast mal Zeit zu telefonieren, aber ich muss auch was schaffen und dafür so richtig in die Musik reinkrabbeln. Um was zu kreieren, brauche ich ein Open End. Ich kann nicht kreativ sein, wenn ich weiß, um 20 Uhr ist Essen. Es kann sein, dass ich die Gitarre packe und rausgehe für sechs Stunden. Wer sich mit mir treffen will, muss sein Ding machen und läuft Gefahr, dass er mich nicht sieht. Aber das kommuniziere ich ganz offen.
MM: Ist das Ihre Art von Therapie?
Clueso: Die Mucke ist meine Couch. Sie hat mich vor vielem bewahrt. Ich texte manchmal auch für den Papierkorb, wie ein Brief an jemanden, den man doch nicht abschickt, und vielleicht ist das auch besser so. Dadurch kann ich einfach mal das rostige Wasser ablaufen lassen. Das ist nicht immer ein guter Song, aber ich lass es erstmal raus. Manchmal mache ich auch sechs Songs zu einem Thema, das mich beschäftigt. Die kommen nicht alle raus, weil sie sich wiederholen, aber ich verhindere nicht, sie zu schreiben. Wenn ich merke, es packt mich ein bisschen, ich fühle mich lustlos oder nicht ganz wohl, spiele ich auch mal zwei Stunden Gitarre oder Piano, ohne Text. Nicht nur rauslassen was im Kopf los ist, es hat auch was Mantra-artiges, zu zupfen oder zu klimpern. Damit geht’s mir viel besser. Nicht währenddessen, aber danach auf jeden Fall. Meine Freunde kriegen dann mit, „Ah, jetzt ist er weg in seiner Blase, jetzt haben wir ihn verloren” (lacht) . Es passiert einfach, dafür muss ich keinen Termin machen. Das ist der eigentliche Grund, warum es Musik gibt, auch in dieser Zeit, wo Leute einfach nur berühmt werden wollen. Je mehr man von sich rauslässt, desto besser wird’s auch. Die Jungs aus Rockbands mit ihrer Lederjacke, Dutzenden Ketten sind doch alles nur sensible Poeten.
MM: Wieviel Rock’n Roll steckt bei Ihnen drin? Ein verwüstetes Hotelzimmer sieht jedenfalls anders aus…
Clueso: Es gab tatsächlich mal den Moment, wo ich Rock’n Roll sein und einen Fernseher aus dem Fenster schmeißen wollte. Mein alter Manager hat mich dann an der Hand gepackt und gesagt „lass uns doch warten, bis du eine Nummer-Eins hast”. Als es soweit war, wollte ich aber nur meine Ruhe haben, weil es einfach ein super-anstrengendes Leben war. Klar haben wir schon wilde Partys auf Suiten gehabt, aber ich hab das alles hinter mir. Manchmal passiert es trotzdem noch, wenn man gar nicht damit rechnet, es sind meistens nicht die geplanten Feiern. Ich bin lieber in Bars, in einer Ecke, auf der Lounge und chille. Die exzessive Zeit ist weg, dafür ist mein Beruf zu stressig. Aber ich kann feiern, kein Zweifel!
MM: Beim Thema Feiern auf Mallorca kommt man am Ballermann nicht vorbei. Oder?
Clueso: Max Richard Leßmann wollte vor kurzem mit mir zum Ballermann. Er hat mir extra eine Clueso-Maske ausgedruckt und meinte, „du musst nur sagen, ich hab dieselben Augen”, wenn mich doch jemand erkennt. Die Idee war geil, das wäre TikTok-Gold gewesen. Aber ich hatte kein Bock, ich gucke mir lieber einen Berg an als den Ballermann.
MM: Was sind hier Ihre Lieblingsspots?
Clueso: Alle Dörfer hier im Umkreis, von denen ich mir die Namen nicht merken kann, und diese V-förmige Schlucht. Oder ich fahre mal nach Soller oder Deià, in die Orte, wo die kleine Eisenbahn durchläuft. Ich mag auch in Palma im Hafen was Leckeres essen oder die kleine Tapas-Bar hinterm Hotel. Ich habe mir so viele Sachen hier angeguckt, liebe es über die Insel zu fahren. Manchmal ist es schwer, ein Taxi zu bekommen, weil es hier nur eins pro Ort gibt, aber meistens fährt mich ein Freund, mit dem alten Jeep vom Hotelbesitzer. Ich habe ja selbst keinen Führerschein, weil ich eh schon so viel Zeit im Tourbus verbringe, wollte ich das nie, aber hier würde es schon Sinn machen.
MM: Und bald schlafen Sie wieder im Tourbus statt im Penthouse?
Clueso: Es geht jetzt wieder los mit Auftritten und im März kommt meine Arena-Tour, die größte seit Jahren. Die Waldbühne mit 22.000 Leuten war schon sieben Monate vorher ausverkauft. Es gibt wohl eine Rückbesinnung auf handgemachte Musik in Zeiten von KI. Oder mein Publikum kommt in das Alter, wo man wieder auf Konzerte geht. So eine große Halle ist gar nicht mal so sexy, wenn man reinkommt, aber ich habe viel als Vorband von Grönemeyer gelernt und Westernhagen, und kriege immer diesen privaten Moment hin. Ich gucke mir auch Sachen ab von internationalen Acts, wie Drake, der erstmal direkt ins Publikum reingeht. Ich versuche, in den nächsten Monaten erstmal mein nächsten Album fertigzumachen, am Liebsten noch vor der Tour. „Lovesick” ist gerade rausgekommen. Der Song ist komplett auf Mallorca geschrieben. Er stimmt an: „Alle haben grad irgendjemand, ich wünscht, ich wär lovesick / Wie kann es sein, dass ich dich nicht kenne und nicht aus mei’m Kopfkrieg?”
MM: Sind Ihnen auf Mallorca auch andere Prominente begegnet?
Clueso: Mads Mikkelsen – krasser Fan bin ich. Der Typ hat Aura, Charisma ohne Ende. Freunde hattenmich mit in ein Restaurant genommen, außerhalb von Palma, und da saß er draußen und hat eine geraucht. Er hat mich direkt gespottet und meinte, er hat gemerkt, dass wir Musiker sind. Ich habe gesagt „ich mag deine Arbeit”. Das ist als Künstler das schönere Kompliment – nicht ich mag dich. Gute Arbeit ist das eine, der Rest muss ja nicht passen, da hat man ja keine Ahnung von. Aber der Typ war extrem cool. Er hat erstmal gefragt, was denn genau. Und ich hab sofort alles aufgezählt, dachte nur, ich sag jetzt nicht „Star Wars” (lacht) .
MM: Haben Sie sich in 20 Jahren Karriere denn gar keine Star-Allüren zugelegt?
Clueso: Ich mag es bei anderen nicht, also will ich es auch nicht für mich selbst. Wie eine Jacke, die mir nicht gefällt, die will ich auch nicht anziehen. Ich kann mich sehr gut in den Mittelpunkt stellen, brauche das aber nicht.
MM: Bei „The Voice Kids” kam Ihre Art sehr gut an. Sehen wir Sie künftig öfter im TV?
Clueso: Ich würde niemandem einen Gefallen tun, wenn ich jetzt in die nächste Castingshow-Jury gehe. Die Musik sollte im Vordergrund stehen. Außer, ich finde die Leute geil. Wenn Klaas anruft, bin ich am Start! Ich mag den einfach, kenne ihn seit Viva-Zeiten, und Yoko auch. Das sind so Typen, egal was die machen, ich würde kommen. Es läuft dann über den Menschen, da sind mir die Konzepte nicht wichtig. Davon gibt noch ein paar andere. Ansonsten sind TV-Shows schon eine eigene Welt. Wenn alles passt kann ich mir demnächst wieder ein Format vorstellen. Mit mir würde alles gehen, ich brauche nur gewissen kreativen Freiraum. Noch habe ich aber kein Konzept im Kopf, das kann man nicht zwischen Tour und Angel machen.
MM: Entspannen Sie auch mal?
Clueso: Ich habe eine Meditations-App, „Headspace”, die mir Herbert Grönemeyer mal empfohlen hat. Aber Auf Mallorca reicht mir allein der Blick raus aufs Meer, da kann ich stundenlang sitzen und entspannen. Wenn es demnächst von hier weg und auf Tour geht, werde ich wohl wieder meditieren.