Die Balearen haben bei der Aufarbeitung der Verbrechen des Spanischen Bürgerkriegs und der Franco-Diktatur in den letzten zehn Jahren erheblich an Tempo gewonnen. Obwohl die ersten Exhumierungen erst 2014 stattfanden, verzeichne die Inselgruppe heute eine der geringsten Zahlen an noch ausstehenden Massengräbern im Vergleich zu anderen spanischen Provinzen.
Dies gehe aus dem ersten landesweiten historischen Gräberatlas hervor, einem kürzlich veröffentlichten Projekt der öffentlich-rechtlichen Senderanstalt RTVE. Das Kartenwerk belege, dass die "Wiedererlangung der historischen Erinnerung“ regional unterschiedlich schnell voranschreite, so deren Urteil.
Die Balearen, insbesondere durch die Massengräber in Porreres und Son Coletes (beide auf Mallorca), stünden im "nationalen Fokus der Aufarbeitung" dieser als unverjährbar geltenden Verbrechen.
Seit die Opfervereinigung Memòria de Mallorca 2014 die erste Graböffnung auf den Inseln initiierte, wurden insgesamt 30 Exhumierungsprojekte durchgeführt. Bei 27 davon fungiert die Regionalregierung gemäß Gesetzeslage als Förderer.
Ziel der Aufbereitungsarbeit ist es, die sterblichen Überreste von 590 Opfern zu identifizieren. Bislang seien 334 Skelette freigelegt worden, teilte die Senderanstalt mit. Die Identifizierung mittels DNA-Analyse gestaltet sich jedoch zäh: Nur 67 Personen konnten bisher identifiziert und an ihre Familien zurückgegeben werden. Zuletzt geschah dies mit identifizierten Überresten aus der ehemaligen Haftanstalt La Sabina auf Formentera.
Der Atlas hebt zwei Fälle besonders hervor: Das "geleugnete Grab von Son Coletes" (La fosa negada de Son Coletes) und das des "Pou de s’Àguila". In Son Coletes wurden 2022 unter anderem die Überreste der Aktivistin Aurora Picornell identifiziert, die von Falangisten exekutiert wurde.
Der Fund ihres Füllfederhalters neben ihrer Leiche sei später zum Symbol ihres Widerstands geworden, schreibt am Mittwoch die MM-Schwesterzeitung "Ultima Hora". Picornell soll ihren Henkern bei ihrer Verhaftung zugerufen haben: "Mit welchen Kugeln werdet ihr die Vorstellungen von Freiheit töten?" Im Fall des „#"Pou de s’Àguila" steht hingegen die Grausamkeit des Falls im Fokus. Die Gegner des Franco-Regimes sollen noch gelebt haben, als sie in den Brunnen geworfen wurden.
Der Atlas umfasst derzeit 57 Ergebnisse für die Balearen, wobei aber nur 15 Gräber exhumiert und 15 als noch ausstehend verzeichnet sind. Gräber wie jenes im Friedhof von Palma gelten als nicht mehr durchführbar, weil die Gebeine in den zurückliegenden Jahrzehnten mehrfach umgelegt wurden.
Noch ausstehend auf den Inseln ist insbesondere die Suche nach weiteren Opfern auf Formentera und nach Teilnehmern der sogenannten "Desembarco de Bayo" an der Punta de n'Amer nahe der Cala Miller. Im September 1936 ging dort der republikanische Anführer Alberto Bayo mit Mitstreitern an Land, um Mallorca vom Joch der Faschisten zu befreien. Die Aktion scheiterte, Bayo und zahlreiche seiner Kampfgenossen wurden von Soldaten des Franco-Regimes gestellt und hingerichtet.