Die balearische Ministerpräsidentin Marga Prohens wirbt in Brüssel für eine Zeitenwende im Tourismus. Bei Treffen mit europäischen Gremien forderte sie, den Erfolg der Branche künftig "nicht mehr allein an Besucherzahlen" zu messen, sondern an qualitativen Kriterien wie dem "Wohlergehen der Einheimischen und der Regenerationsfähigkeit" der Regionen.
"Wir wollen mit der Vorstellung brechen, touristischen Erfolg nur an quantitativen Kriterien festzumachen. Nur an Zahlen, nur daran, ob die Saison besser oder schlechter gelaufen ist", sagte Prohens nach Gesprächen mit Vertretern der Inselgruppe und der Küstenregionen im Europäischen Ausschuss der Regionen. Stattdessen plädiere man für einen anderen Ansatz, der etwa den "Rückfluss von Wohlstand" an die ansässige Bevölkerung berücksichtige.
Am Dienstagabend stand im Plenum des Regionalausschusses die Abstimmung über ein Gutachten zum nachhaltigen Tourismus an, das die Balearen federführend erarbeitet haben. Das Dokument, in das bereits mehr als 30 Änderungsanträge eingeflossen sind, soll die künftige Tourismusstrategie der Europäischen Union maßgeblich beeinflussen. Die Empfehlung der Regionen gewinne in der europäischen Politik zunehmend an Gewicht, schreibt die MM-Schwesterzeitung "Ultima Hora".
Das von den Balearen vorgelegte Papier zielt darauf ab, den Tourismus aus seiner traditionellen Verknüpfung mit dem Verkehrssektor zu lösen. "Wir verstehen Tourismus als eigenständige Branche, die mit dem kulturellen Erbe, dem Territorium, den Wasserressourcen, dem Umweltschutz, dem Wohlergehen der Einwohner und besseren Arbeitsbedingungen verbunden ist", führte Prohens aus. Dieser Ansatz eines "regenerativen Tourismus" könne auch für andere europäische Regionen wegweisend sein.
Zugleich nutzte die Regierungschefin ihre Reise nach Brüssel, um auf die besonderen Herausforderungen von Inselregionen aufmerksam zu machen. In Gesprächen mit dem EU-Kommissionsvizepräsidenten Raffaele Fitto und den Inselgruppen des Regionalausschusses und des Europaparlaments verwies sie auf "strukturelle Nachteile wie die hohe Abhängigkeit von Verkehrsverbindungen, Arbeitskräftemangel, höhere Energiekosten und besondere Anfälligkeit gegenüber dem Klimawandel".
Prohens forderte eine dezentralisierte Kohäsionspolitik und die Aufhebung der 150-Kilometer-Grenze, die den Archipel von grenzüberschreitenden Förderprogrammen ausschließt. Zudem verlangte sie eine eigenständige europäische Strategie für Inseln, die nicht einfach mit Küstenregionen gleichgesetzt werden dürften. "Dieser neue zeitliche Finanzrahmen muss die Inselregionen stärker in den Fokus stellen", sagte sie. Nach Angaben der Regionalregierung zeigte sich Fitto "aufgeschlossen" für diese Anliegen und sicherte zu, Inselgebieten eine "spezifische Rolle" einzuräumen.
Die Ministerpräsidentin sieht die Balearen als natürliche Führungskraft bei der Neuausrichtung des Tourismus: "So wie wir in den 1950er-Jahren ein neues touristisches Modell angestoßen haben, können wir jetzt dessen Transformation anführen." Das Gutachten zum nachhaltigen Tourismus sieht sie als "Chance, dieser Vision europaweit Gehör zu verschaffen".