Wieder gerät die Insel landesweit wegen des Verdachts auf Korruption und Vetternwirtschaft in die Schlagzeilen. Die mallorquinische Tageszeitung "Diari de Balears" hat den jetzt bekannt gewordenen Fall als "bedeutendsten Korruptionsskandal der Balearen" bezeichnet. Und das will etwas heißen, hat die Staatsanwaltschaft in den zurückliegenden fünf Jahren doch Dutzende Skandale aufgedeckt. Unter Verdacht in allen diesen Fällen: Vertreter der Balearen-Regierung aus konservativer PP und regionalistischer Unió Mallorquina, die in den Jahren 2003 bis 2007 auf den Balearen an der Macht war.
Ein Großteil der damaligen Spitzenpolitiker stand schon im Fokus der Ermittler, bis hinauf zum Ministerpräsidenten Jaume Matas. Dieser ist in einem ersten Gerichtsverfahren bereits zu sechs Jahren Haft verurteilt worden, andere Mitglieder seiner Regierung sitzen bereits im Gefängnis mehrjährige Haftstrafen ab. Dutzende Gerichtsverfahren stehen noch aus. Sowohl Matas als auch der damalige Innenminister José María Rodríguez und der Ex-Geschäftsführer der Balearen-PP, Fernando Areal (der gleichzeitig Matas' Schwager ist), werden im aktuellen Fall als Beschuldigte vor dem Ermittlungsrichter aussagen müssen.
Wie jede größer angelegte Ermittlung von Polizei und Staatsanwaltschaft in Spanien hat auch der neueste Skandal einen Arbeitstitel. In diesem Fall handelt es sich um die "Operación Mupi". Wie immer verrät der Name erst auf den zweiten Blick, was sich dahinter verbirgt. "Mupi" ist im Spanischen die Abkürzung für "Mueble Urbano para la Presentación de Información" - "Städtisches Mobiliar zur Präsentation von Informationen". Will heißen: Werbetafeln, wie sie auf Mallorca vor allem an Bushaltestellen anzutreffen sind.
Die Ermittler wollen herausgefunden haben, dass das spanienweit tätige Unternehmen "Over Marketing" die Werbekampagne der balearischen PP vor der Regionalwahl 2003 organisierte und als Gegenleistung von der PP nicht konventionell aus der Parteikasse entlohnt wurde: Nach dem Wahlsieg der Konservativen soll "Over Marketing" stattdessen 3,5 Millionen Euro in Form von fingierten Aufträgen kassiert haben. Acht der damaligen Ministerien, aber auch PP-geführte Stadtverwaltungen auf der Insel sollen dem Unternehmen auf diese Weise illegal Geldsummen zukommen lassen haben - ohne Ausschreibung, gegen künstlich aufgeblähte Rechnungen oder sogar ohne jede Gegenleistung.
Der Skandal könnte weite Kreise ziehen. Denn auch die ehemalige Bauministerin Mabel Cabrer, die ehemalige Gesundheitsministerin Aina Castillo sowie der Ex-Bürgermeister von Inca Pere Rotger stehen unter Verdacht. Zumindest Cabrer und Rotger spielen bis heute eine herausragende Rolle in der Balearen-PP - und genau hier liegt die eigentliche Tragweite des Skandals: Zum ersten Mal fällt nun auch ein Schatten auf die aktuelle Regierung von Ministerpräsident José Ramón Bauzá. Mabel Cabrer ist Sprecherin der PP-Fraktion im Regional-Parlament, Pere Rotger gar Parlamentspräsident.
Ministerpräsident Bauzá könnte nun also in die missliche Lage kommen, den vor der aktuellen Legislaturperiode beschlossenen parteiinternen Ethik-Kodex anwenden zu müssen. Dieser besagt, dass PP-Amtsträger, die von einem Ermittlungsrichter als Beschuldigte vorgeladen werden, zurücktreten müssen. Mit dem Kodex distanzierte sich Bauzá von der skandalträchtigen Matas-Ära. Diese Entscheidung könnte jetzt zum Bumerang werden.