Endet am Donnerstagabend auf den britischen Inseln eine 307 Jahre dauernde Ehe? Feierlich soll er gewesen sein, erzählt man sich, der "Act of Union", der Vertrag, der 1707 die Verschmelzung zwischen den Königreichen Schottland und England besiegelte. Eine Liebeshochzeit sagen die einen, die Folge von Eigennutz der Parlamentarier und Bestechung die anderen. Aber die Ehe, die fort-an unter dem Familiennamen "Vereinigtes Königreich" geführt wurde, hielt. Sie überstand Glaubens-, Welt- und Unabhängigkeitskriege, sah Könige das Licht der Welt erblicken und sie sterben. Doch mit alledem könnte bald Schluss sein, denn am Donnerstag stimmen die Bürger Schottlands in einem Referendum darüber ab, ob sie weiterhin Teil eben jenes Vereinigten Königreichs sein wollen, oder nicht.
Das von der schottischen Regionalpartei SNP vorangetriebene Projekt ist seit fünf Jahren in Planung. Am 15. Oktober 2012 wurde in Edinburgh eine Vereinbarung zwischen Premierminister David Cameron und dem Ersten Minister der schottischen Regionalregierung Alex Salmond unterzeichnet, nach der im Herbst 2014 eine Volksabstimmung in Schottland über die Unabhängigkeit abgehalten werden soll. Nun also ist es so weit.
Jason Moore, Chefredakteur der englischsprachigen Zeitung "Majorca Daily Bulletin" sagt: "Wenn sie gehen wollen, dann muss man sie ziehen lassen." Gleichzeitig aber ist seine Prognose im Falle eines "Ja" zur Unabhängigkeit düster. "Schottland hat eine schwächelnde Wirtschaft, mehrere Großbanken haben bereits angekündigt, im Falle der Abspaltung nach London abzuwandern. Die Folgen einer solchen Unternehmens- und Bankenflucht könnte das kleine Schottland nicht stemmen." Auch ein Verbleib in der EU wäre unwahrscheinlich. Für die gut 1000 auf Mallorca lebenden Schotten könnte eine Abspaltung also ungeahnte Konsequenzen haben. Als Bürger eines Nicht-EU-Landes würden sie keine Personenfreizügigkeit genießen.
In den jüngsten Umfragen liegen die Gegner einer Abspaltung mit 54 Prozent leicht vor den Befürwortern (46 Prozent). "Eigentlich spricht kein rationales Argument für eine Abspaltung vom Vereinigten Königreich", so Jason Moore. "Aber in Schottland ist die Unabhängigkeit keine Frage des Verstandes, sondern eher eine Herzensangelegenheit." In anderen Regionen Europas, so Moore, sei dies anders. "Nehmen Sie Katalonien, dort gründen die Autonomiebestrebungen vor allem auf wirtschaftlichen Gründen. Die Katalanen sind es leid, für den Rest der spanischen Halbinsel den Geldgeber zu spielen", so Moore.
Am vergangenen Donnerstag, der sogenannten "Diada de Catalunya", feierten Anhänger der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung in Barcelona eine eindrucksvolle Massendemo. Gut 1,8 Millionen Menschen versammelten sich, um ihrem Bedürfnis nach Selbstbestimmung Ausdruck zu verleihen. Ihr Ziel ist das gleiche wie auf der britischen Insel: Eine Volksabstimmung über den zukünftigen Status Kataloniens. Im Grunde heißt das: Unabhängigkeit.
Am 9. November will der katalanische Regierungschef Artur Mas die 7,6 Millionen Katalanen an die Urnen bitten und zur Stimmabgabe über die Abspaltung der ohnehin bereits weitgehend autonomen Region vom Königreich Spanien abstimmen lassen. Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy will das mit allen Mitteln verhindern und weist eine solche Bürgerbefragung als illegal zurück. In Umfragen haben sich bis zu 50 Prozent der Katalanen für eine Abspaltung ausgesprochen.
Umso gespannter wird man in Madrid das Referendum in Schottland verfolgen. Ein "Ja" zur Unabhängigkeit dürfte der katalanischen Autonomiebewegung neuen Schwung verpassen und die Politiker in Madrid nervös machen.