Wie die Regional- und Kommunalwahl ausgehen würde, war auch vor vier Jahren bis zum letzten Moment ziemlich ungewiss. Mit Podemos und Ciudadanos bot das Parteienspektrum gleich zwei neue Optionen. Die konservative PP hatte eine turbulente Legislaturperiode mit Wirtschaftskrise, harten Sparmaßnahmen, einer umstrittenen Sprachpolitik und zahlreichen Korruptionsfällen hinter sich. Nie zuvor waren so viele Inselbewohner so regelmäßig zum Protestieren auf die Straßen gegangen. Am Ende errangen die Linksparteien sowohl im Balearen-Parlament als auch im Inselrat sowie in vielen Stadt- und Gemeinderäten die Mehrheit.
Jetzt, vier Jahre später, ist das Panorama nicht weniger uneindeutig. Der Linkspakt hat Meinungsumfragen zufolge deutlich an Rückhalt in der Bevölkerung verloren, dafür ist mit den Rechtspopulisten von Actúa-VOX ein weiterer politischer Akteur hinzugekommen. Ob es also – wie bei allen Regional-Wahlen seit den 90er Jahren – erneut einen Machtwechsel geben wird, ist ungewiss – und wird von der Kompromissbereitschaft der Parteien abhängen. Denn eines scheint sicher: Die Zeiten absoluter Mehrheiten sind vorüber.
Das bestätigt auch Gonzalo Adán, Direktor des Meinungsforschungsinstituts IBES. „Zur Regierungsbildung werden drei, wenn nicht vier Parteien nötig sein”, sagt er. „Und das wird sicher auch in den nächsten Jahren so bleiben.” Verantwortlich dafür macht Adán die heftigen Konflikte, die Spanien in letzter Zeit kräftig durchschütteln: die separatistischen Bewegungen, allen voran in Katalonien, die noch immer angespannte Wirtschaftslage, die Immigration, die Korruptionsskandale der etablierten Parteien. Auch das Fehlen einer starken Regierung in Madrid (nach der PP-Minderheitsregierung haben dort nun auch die Sozialisten keine Parlamentsmehrheit) trage zur Unsicherheit bei. „Je größer die Instabilität, desto mehr politische Parteien treten aktiv auf”, sagt Adán.
Vor allem Actúa-VOX könnte eine entscheidende Rolle zukommen. „Vor einem Monat hätte die Partei auf den Balearen vermutlich einen Abgeordnetensitz geschafft”, sagt Adán. „Derzeit dürften es eher zwei oder drei sein.” Die Partei befinde sich in jedem Fall klar im Aufwind.
Kein Wunder also, dass die jüngsten Wählerbefragungen eine eindeutige Tendenz in Richtung der konservativen und eher rechtsgerichteten Parteien ergeben. PP, Ciudadanos, Actúa-VOX und PI lägen balearenweit derzeit bei knapp 50 Prozent der Stimmen. Auch, wenn noch völlig unklar ist, ob PP und Ciudadanos tatsächlich eine Koalition mit den Rechtspopulisten eingehen würden: Ein erneuter Regierungswechsel scheint derzeit die wahrscheinlichste Option. Denn der Linkspakt aus Sozialisten, Més und Podemos hat zuletzt deutlich an Unterstützung verloren.
Das Bündnis hat eine durchaus konfliktreiche Legislaturperiode hinter sich. Die Zusammenarbeit der beiden etablierten Linksparteien mit der Protestbewegung Podemos gestaltete sich schwierig. Immer wieder hatte die Regierung Probleme, im Parlament die nötigen Mehrheiten zu finden. Auch der eine oder andere Korruptionsskandal samt den dazugehörigen Kabinettsumbildungen erschütterte den „Pacte”. Zuletzt äußerten Umweltschützer massive Kritik an den Plänen zum Ausbau der Landstraße Campos-Llucmajor. Hier dürften die Linksparteien einigen Kredit bei ihren Anhängern verspielt haben.
Das entscheidende Thema in den nächsten Monaten sowie im eigentlichen Wahlkampf (der in Spanien stets bis zwei Wochen unmittelbar vor dem Wahltermin dauert), wird laut Adán der Katalonienkonflikt sein: „Vor allem wegen der Spannungen zwischen Zentralregierung und Opposition in Madrid.” Ferner dürften die Immigration, die Familienpolitik, häusliche Gewalt, der Feminismus sowie die Sprachpolitik die Debatte beherrschen. „Bildung, Gesundheit und auch der Tourismus werden derweil eine nur untergeordnete Rolle spielen.” In Palma wiederum dürfte das Thema Verkehr wichtig werden: der geplante Ausbau des Paseo Marítimo, die zweite Stadtautobahn, die chronische Überlastung der Verkehrswege.
Sollte es nach der Wahl im Mai tatsächlich erneut zu einem Regierungswechsel auf den Balearen kommen, dürfte das in vielerlei Hinsicht Folgen haben. Eine konservative Regierung würde vermutlich zahlreiche Gesetze des Linkspaktes zurücknehmen. Der balearische PP-Vorsitzende Gabriel Company stellte bereits klar, dass Katalanisch-Kenntnisse unter einer konservativen Regierung weder für Beamte, noch für Bedienstete im Gesundheitswesen Pflicht sein werden. Auch das Stierkampfverbot, das der Linkspakt auf den Weg gebracht hat, dürfte unter einer PP-Regierung keinen Bestand haben.
Völlig ungewiss ist dagegen, ob die stellenweise strengen Beschränkungen für die Ferienvermietung aufgehoben würden oder nicht. Hier haben sich die Oppositionsparteien bislang nicht festgelegt. Das gilt auch für das Vorzeigeprojekt des Linkspaktes in dieser Legislaturperiode: die Touristensteuer. Bislang hat sich keine Partei klar für eine Abschaffung ausgesprochen. Da es zuletzt auch kaum noch Widerstand gegen die Abgabe gab, dürfte sie auch nach dem 26. Mai Bestand haben – ganz egal, wie die Wahl ausgeht.
(aus MM 01/2019)