Es liegt an dem „Tricornio”genannten Dreieckshut, dass Guardia-Civil-Leute auf den gemeinen Mitteleuropäer auf irritierende Weise archaisch wirken. Bei der Taufe eines Kurzstreckenfliegers vom Typ Embraer 195 vor einigen Tagen im Mallorca-Hangar von Air Europa auf den Namen dieser Truppe waberte jedenfalls ein Odem aus vergangener Zeit umher. 175 Jahre ist die in der Luft, im Wasser, im Antiterrorkampf, auf dem Lande, im Straßenverkehr und sogar im Natur- und Tierschutz tätige Guardia Civil inzwischen alt, was die auf der Insel ansässige Fluglinie inmitten gewichtig daherschreitender Hierarchen gebührend zu begehen wusste. Bei der Zeremonie legten sich die Dreieckshutträger mit zackigen Grüßen kräftig ins Zeug, der Ton oszillierte zwischen militärisch knapp und forsch. Nur der in Zivil aufgetauchte Chef der Guardia Civil, Félix Azón, brillierte mit sanft-humorvolleren Zungenschlägen.
Deutschen will in der Regel nicht in den Kopf, warum es in Spanien neben dem Militär und der Polizei noch eine dritte Ordnungstruppe gibt, die auch noch ungewollt komisch „Instituto armado” („bewaffnetes Institut”) genannt wird. Die Guardia Civil untersteht sowohl der Befehlsgewalt des Innen- wie auch des Verteidigungsministeriums, weil sie nicht nur zivile, sondern auch militärische Aufgaben hat. In diesem Sinne ist sie am ehesten mit der französischen Gendarmerie oder den italienischen Carabinieri vergleichbar.
Man schrieb den 28. März 1844, als Spaniens Bourbonen-Langzeitkönigin Isabel II. den auch als Herzog von Ahumada bekannten Feldmarschall Francisco Jirón y Ezpeleta feierlich beauftragte, einen berittenen Infanterie-Spezialtrupp auf die Beine zu stellen. Ziel war nach dem neuen Statut, „Eigentum und Personen effektiv zu schützen”.
Es sollte eine Eliteeinheit werden. Das Motto der Guardia Civil, das bis heute gilt und auf ihren Kasernen verewigt ist, lautet: „Todo por la patria” – „Alles für das Vaterland”. Des Herzogs Losung lautete: „Lieber 5000 gute als 15.000 mittelmäßige Männer.” 14 Chefs, 232 Offiziere und 5769 normale Kräfte legten damals los, schon von Beginn an unterstanden sie nicht nur dem Kriegs-, sondern auch dem Innenministerium.
Der Dreieckshut „Tricornio” lässt im Gehirn von Nicht-Spaniern vor allem Bilder aus der Zeit der klerikal-faschistischen Franco-Diktatur (1939-1975) aufscheinen. Mit dem damals im Vergleich zum restlichen West-Europa sehr rückständigen Spanien verband man früher neben Stierkämpfen und Flamenco-Tänzerinnen genau diese Kopfbedeckung. Dieses Bild wurde in der Zeit der Demokratie noch akzentuiert: Als am 23. Februar 1981 der Guardia-Civil-Oberst Antonio Tejero im Abgeordnetenhaus in Madrid während des fehlgeschlagenen Putschversuchs mehrere Schüsse in die Decke ballerte und dazu Befehle bellte, während die Volks- vertreter unter ihren Tischen kauerten, tat er dies mit dem berühmten Dreieckshut.
Womit die Guardia Civil noch intensiver als bereits davor mit Unterdrückung und Gewalt in Verbindung gebracht wurde. Diese Wahrnehmung wurde durch zahlreiche Filme, die nach Francisco Francos Tod im November 1975 entstanden, noch verschärft. In denen tauchten Dreieckshut-Träger nicht selten als üble Folterknechte auf. Und ja, auch in späteren Zeiten der Demokratie wurden Guardia-Civil-Leute ihrem damals nicht allzu guten Ruf vollauf gerecht: Im „Fall Lasa y Zabala” etwa entführten, folterten und ermordeten Angehörige des Trupps im Jahr 1983 zwei ETA-Mitglieder.
Der Nachhall ist bis heute spürbar: Es verwundert kaum, dass einer der wenigen Gebäudekomplexe in Palma, der nicht mit Graffitis verunziert ist, das Hauptquartier gegenüber dem Krekovic-Park ist. Dass die Guardia Civil in nicht sonderlich madrid-freundlichen Landesteilen wie Katalonien oder dem Baskenland weiter scheel angeschaut wird, versteht sich geradezu von selbst.
Dabei gab es den respekteinflößenden „Tricornio” bereits im Gründungsjahr 1844. Und was nur wenige wissen dürften, ist, dass die Guardia Civil während der Spanischen Republik (1931 bis 1939) die längste Zeit über felsenfest an der Seite der gewählten Regierungen stand.
Rund 80.000 Personen arbeiten im Augenblick für das „bewaffnete Institut”, etwa 1100 von ihnen sind auf den Balearen in Dutzenden Kasernengebäuden tätig, wobei ein kleinerer Teil dort sogar wohnt. Dass die Guardia Civil inzwischen in der westeuropäisch-liberalen Jetztzeit angekommen ist, zeigt die Tatsache, dass bereits seit vielen Jahren auch Frauen dort Dienst tun. Bei der Flugzeugtaufe im Air-Europa-Hangar wirkten sie unter den Dreieckshüten geradezu charmant.